Reinbek. Kommunalwahl 2023: Kinderbetreuung, bezahlbarer Wohnraum und Gewerbeerweiterung – das sagen die Parteien zu diesen Themen.

Ab 1. Juni haben die frisch gewählten Stadtverordneten fünf Jahre Zeit, an ihre bisherige Politik anzuknüpfen oder sie sogar besser umzusetzen als ihre Vorgänger. Seit 2018 hat die CDU neun Stadtverordnete, die Grünen haben sieben, die SPD hat sechs, die FDP fünf, Forum 21 hat drei Sitze. Außerdem war bisher Klaus-Peter Puls vertreten, der bei der Kommunalwahl am 14. Mai nicht wieder antritt. 28.474 Menschen leben in Reinbek, 22.455 davon sind wahlberechtigt. Diesmal sind vier Parteien und eine Wählergemeinschaft in Reinbek am Start: CDU, FDP, Grüne, SPD sowie Forum21.

In der aktuellen Wahlperiode hat es Reinbeks Politik unter anderem geschafft, endlich die Neubauten der Ortsfeuerwehr sowie das Schulzentrum Mühlenredder zu einem glücklichen Ende zu führen. Doch einiges liegt im Argen, etwa in der Kinderbetreuung, beim bezahlbaren Wohnen oder den Unternehmen, die in der Stadt nicht expandieren können. Kämmerin Isabella Randau warnt vor einer „finanziellen Apokalypse“ der Stadt.

Kommunalwahl 2023: Was können die Parteien besser machen?

Ganze zwei Kindertageseinrichtungen fehlen der Stadt Reinbek aktuell: 64 Betreuungsplätze für Kinder ab drei Jahren und 13 für die Jüngsten. Darauf angesprochen ist den Politikern die Situation, in der viele Familien stecken, durchaus bewusst. Die Verwaltung hat bereits Anfang des Jahres im Sozialausschuss Alarm geschlagen. Was wollen die Fraktionen dagegen tun?

Philipp Hertz, Geschäftsführer von Hertz Flavors in Reinbek, ist froh, dass er mit seinem Unternehmen innerhalb Reinbeks expandieren kann.
Philipp Hertz, Geschäftsführer von Hertz Flavors in Reinbek, ist froh, dass er mit seinem Unternehmen innerhalb Reinbeks expandieren kann. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Fast alle Parteien fordern mindestens eine neue Einrichtung. Die CDU geht noch weiter: „Wir brauchen dringend mindestens zwei neue Kitas, in deren Planung wir idealerweise noch in diesem Jahr einsteigen und so schnell wie möglich in die Umsetzung kommen sollten. Mit den Neubauten sollten wir dahin gehen, wo der Bedarf am größten ist“, sagt Patrick Ziebke, Spitzenkandidat der CDU. Auch die anderen Parteien fordern eine schnelle Umsetzung. SPD und FDP möchten zudem bestehende Kita-Gruppen erweitern. Für die Grünen ist dies allein die Lösung aus der Misere, sie nennen die städtische Kita Schönningstedt und die Kita Eggerskoppel. Mit ihrer Idee, eine neue Betreuung im Krabbenkamp zu schaffen, sind sie abgeblitzt.

So wollen die Parteien die Attraktivität der Erziehungsarbeit steigern

Forum21 habe bereits einen Neubau auf der Wiese am Kornblumenring beantragt, sagt Topkandidatin Cathrin Pohl. Der Antrag mündete in einen Prüfantrag für geeignete Standorte, der an eine externe Kindertagesstättenbedarfsplanung gekoppelt ist. Doch die Prüfung lässt auf sich warten. Denn nicht nur in der Kinderbetreuung, auch in der Verwaltung fehlt Personal.

Der Fachkräftemangel ist das nächste Hindernis in der Betreuungsmisere. Alle Parteien wollen daher die Attraktivität sowohl der Ausbildung als auch der Erziehungsarbeit steigern. Die CDU hat bereits durchgesetzt, die Zahl der geförderten Plätze im Rahmen der praxisintegrierten Ausbildung (PiA) zu erhöhen. Die SPD fordert weitere Anreize. Flexible Arbeitszeitmodelle sowie weniger Büro- und Verwaltungsaufwand in den Kitas wollen die Liberalen fördern, um so eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Betreuung zu erreichen.

Das Dilemma um die bezahlbaren Wohnungen

400.000 Wohnungen sollen laut Bund jedes Jahr entstehen, um die Nachfrage nach Wohnungen zu erfüllen. Für Reinbek wären das in der Metropolregion laut Bauamt etwa 200 bis 300 Wohnungen pro Jahr. Die Baugenossenschaft Sachsenwald hat in Reinbek gerade 36 neue Mietwohnungen fertiggestellt – ein Tropfen auf dem heißen Stein. 2021 hat Reinbek lediglich 176 neue Wohnungen genehmigt.

Die Bevölkerung hat mit dem Holzvogtland ein Neubaugebiet per Bürgerentscheid abgelehnt, Investoren und Baugenossenschaften kippen angesichts steigender Preise und Zinsen ihre Projekte. Bezahlbarer Wohnraum steht zwar bei allen Kandidaten ganz oben im Programm. Aber wie soll dies gelingen?

CDU will Kommunale Wohnungsbaugesellschaft

Die Christdemokraten möchten über „ortsverträgliche Neubaugebiete mit einen sinnvollen Anteil an geförderten Wohnungen“ sprechen. Dafür wollen sie mit den Nachbarn eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft gründen. Die Grünen möchten mehr Projekte nach dem Erbbaupacht-Modell wie an der Berliner Straße realisieren. „Wir haben durchgesetzt, dass Investoren Teile der zu bebauenden Flächen an die Stadt verkaufen müssen“, sagt Grünen-Spitzenkandidatin Vera Hanel. So könne die Stadt für bezahlbaren Wohnraum günstig an Genossenschaften und andere Bauwillige verpachten.

Laut SPD soll die Stadt ihr Vorkaufsrecht oder den freien Markt nutzen, um Grundstücke zu erwerben, auf denen bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden soll. Gute Konditionen sollten Genossenschaften oder gemeinwohlorientierten Wohnungsbauunternehmen dazu bewegen, trotz hoher Kosten auf städtischem Grund zu bauen.

Günstige Wohnungen im Norden Neuschönningstedts

Die FDP möchte laut Wahlprogramm auf einem städtischen Areal zwischen Feldstraße und Eggerskoppel in Zusammenarbeit mit einem Investor günstige Wohnungen schaffen. Diese sollten wie in anderen Kommunen nur an Menschen vergeben werden, die bereits länger in Reinbek leben oder arbeiten. Auch Forum21 will weiter Flächen als Bauland ausweisen und mit Genossenschaften kooperieren.

Allein: „Die derzeitige Preisentwicklung im Bausektor spürt die Stadt natürlich auch bei den eigenen Projekten“, sagt Cathrin Pohl. „Desto dramatischer ist es, dass jetzt die örtlichen Baugenossenschaften geplante Projekte wegen der Preisspirale bei Baustoffen und gestrichener KfW-Förderungen stoppen.“ Die Kommunalpolitik hätte jedoch keine Handhabe, dies zu stoppen, der Bund solle die verlässlichen Rahmenbedingungen schaffen.

SPD und CDU sehen einige Bebauungspläne kritisch

„Die aktuelle Lage macht das Ziel nicht einfacher erreichbar“, räumt SPD-Topkandidat Nikolaus Kern ein. „Der Bedarf lässt sich aber nicht einfach aussitzen.“ Die Sozialdemokraten würden den B-Plänen mit dem Ziel der Bauverhinderung auch kritisch gegenüberstehen: „Trotzdem müssen wir mit diesen Bedingungen arbeiten“, sagt er. Auch die CDU sieht die restriktiven neuen Bebauungspläne kritisch.

Vera Hanel aber verwehrt sich gegen den Begriff: „Wir brauchen unbedingt ein Flächenmanagement. Bebauungspläne in den bestehenden Quartieren sind keine Verhinderungspläne.“ Die unkontrollierte, massive Bebauung in einigen Bezirken müsse geordnet werden. Auch die SPD will die Stadtteilstruktur erhalten. Wie die FDP möchte sie stadtteilverträglich verdichten, aufstocken und umnutzen. Die Liberalen wollen zudem die Sozialbindung geförderter Wohnungen verlängern und auf freien Gewerbeflächen Wohnbauten erlauben.

Fast alle sind für die unbeliebte Gewerbeerweiterung

Im Gewerbegebiet stehen einerseits Objekte leer, andererseits ziehen Unternehmen fort, weil sie keine Erweiterungschancen sehen. Aktuell können nur Hertz Flavors und Peek & Cloppenburg innerhalb Reinbeks expandieren. Sollte die Stadt mehr Gewerbeflächen anbieten? Die Reinbeker Parteien sind sich einig – bis auf die Grünen, die „keinen weiteren Spielraum für Gewerbeerweiterung“ sehen – und sagen:„Reinbek braucht dringend neue Gewerbeflächen.“

Patrick Ziebke kann sich sogar eine maßvolle Erweiterung des Gewerbegebietes Haidland vorstellen, ist da mit der SPD und der FDP auf einer Linie – unter den Schönningstedtern ein Tabuthema. Weshalb die FDP für einen mehrere 100 Meter breiten Grünstreifen zur Wohnbebauung plädiert. Forum21 ist ebenfalls dafür, Reinbek als Gewerbe-Standort „maßvoll“ mit einer neuen Fläche auszubauen, verrät aber nicht, wo. Alle sehen den Bedarf an Gewerbesteuern: Reinbek müsse als „Premium-Standort für Gewerbe“ erhalten bleiben, so Pohl. Für ein interkommunales Gewerbegebiet mit Witzhave nahe der A 24 kann sich auch Vera Hanel erwärmen. Da aber habe die Landesplanung das letzte Wort, stellt sie klar.

Diese Projekte haben bei den Parteien Priorität

Reinbeks Kämmerin Isabella Randau warnt vor einer Apokalypse: Denn nicht nur die Steuereinnahmen waren mit 34 Millionen Euro auf Rekordniveau, sondern auch Reinbeks Schuldenstand mit 31,4 Millionen Euro. Die Stadt plane zu viele hohe Investitionen. Was also kann sich Reinbek künftig noch leisten? Welche drei Projekte in der Stadt haben für die Parteien Priorität?

Für die CDU sind es die Schulen, Kinderbetreuung sowie die beiden Feuerwachen in Ohe und Schönningstedt. Die SPD spricht sich für die energetischen Sanierungen oder den Ersatz des Sportplatzes Nord, neue Kita-Plätze und die Modernisierung der Schulen aus. Forum21 priorisiert klar: An erster Stelle der bezahlbare Wohnraum, dann die Sanierung städtischer Gebäude mit dem Schwerpunkt Rathaus sowie der Bau mindestens einer neuen Kindertagesstätte.

Sind 30 Millionen Euro Schulden nicht genug?

Die Grünen teilen Randaus Sorgen nicht. „Reinbek hat eine solide Finanzlage“, sagt Hanel. „Dem Vermögen der Stadt von über 150 Millionen Euro stehen weniger als 30 Millionen Euro Schulden gegenüber. Ein ausgezeichnetes Verhältnis.“ Reinbeks Finanzplanung sei viel zu konservativ. Sie kritisiert die Verzögerung politischer Beschlüsse und deren langsame Umsetzung, die die Stadt nun hohe Zinsen bei den Investitionen koste. Der Schwerpunkt der Grünen liege beim Ausbau der Kinderbetreuung, dem Ausbau des Radnetzes und den notwendigen Investitionen in die Feuerwehren. Die FDP will diese Fragen nicht direkt beantworten, verweist auf ihr Wahlprogramm unter www.freie-demokraten.de. Eine Priorisierung der Investitionen ist aber nicht erkennbar.