Reinbek. Aquabella präsentieren im Schloss Reinbek ein sehr außergewöhnliches Programm. Dafür forschen die fünf Frauen während weltweiter Reisen.

Um die weibliche Seite der Vokalmusik zu entdecken, braucht es nur fünf Frauen und fünf Stimmen, die ihre harmonische Klangwirkung a cappella entfalten. Dass das Konzept von Aquabella aufgeht, davon kann sich das Publikum beim Konzert der Berliner Vokalformation im Schloss Reinbek am Donnerstag, 11. Mai, ein eigenes Bild machen. Die fünf Frauen, sie sind die Retterinnen der vergessenen Lieder. Die Sängerinnen nehmen ihre Zuhörer mit auf eine spannende und melodiöse Reise in die Welt der „Heimatlosen Lieder“ – so der Titel des Programms.

Gemeint sind solche Stücke, die aus unterschiedlichen Gründen in Vergessenheit zu geraten drohen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Länder, aus denen sie stammen, auf der Weltkarte nicht mehr existieren oder nur noch wenige Menschen die Sprachen, in denen die Texte verfasst wurden, sprechen. Oder solche, die international bekannt sind und scheinbar keinen festen geografischen Bezugspunkt haben. Auch Lieder, die von Menschen geschrieben wurden, die heimatlos geworden sind oder sich heimatlos fühlen, haben die Sängerinnen in ihr Repertoire aufgenommen.

Die Retterinnen der verlorenen Lieder geben Konzert in Schloss Reinbek

Das aus Solistinnen bestehende Ensemble wurde vor 22 Jahren gegründet. Zur aktuellen Besetzung gehören die Sopranistin Nina Rotner, die Mezzosopranistinnen Nadja Dehn und Bettina Stäbert sowie Anett Levander und Maria Thomaschke (beide Alt). Bettina Stäbert ist von Anfang an dabei und noch immer Feuer und Flamme für das Projekt. Ein Mitglied stammt aus Slowenien, ein anderes aus Südafrika und drei kommen aus dem Gebiet der ehemaligen DDR rund um Berlin.

Wenn Bettina Stäbert über ihre Musik spricht, klingt so viel Begeisterung mit, dass es ansteckend ist. Über das Programm sagt sie: „Heimatlose Lieder finden bei uns und dem Publikum ein Zuhause.“ Neben all den vielen Perlen der Weltmusik bringe das Ensemble auch den Hit „Farbfilm“ von Nina Hagen zu Gehör, bei dem die Zuhörer regelmäßig begeistert mitgehen. „Denn die DDR, aus der das Lied stammt, zählt ja auch zu den Ländern, die nicht mehr existieren. Wir versuchen das Prinzip heimatlos von allen Seiten zu beleuchten.“

Die Sängerinnen bringen Lieder von ihren Reisen mit

An den Hagen-Hit zu kommen war nicht schwer. Anders sieht es da bei anderen Liedern aus. Um sie zu entdecken, ist viel Recherche nötig, wie Stäbert berichtet. „Wir bewegen uns in einem forschenden Bereich und versuchen, von den entsprechenden gemeinsamen oder auch privaten Reisen immer Lieder mitzubringen. Man muss reisen, um Sprachen erleben zu können“, ist sie überzeugt. 2018 arbeitete das Ensemble in Taiwan mit dem international bekannten Chor Vox Nativa, der unter anderem schon in Deutschland auf Tour war. „Das ist ein Chor des Bunun-Volkes, dessen Sprache auf der Liste der bedrohten Sprachen verzeichnet ist“, erläutert Stäbert. Aus Taiwan haben die Sängerinnen zwei Lieder der Bunun und des Ami-Volkes mitgebracht und neu ins Programm aufgenommen.

Zum Konzept gehört, dass die Lieder in Originalsprache mit korrekter Aussprache gesungen werden. „Wir finden für jedes Lied einen Muttersprachler“, sagt Bettina Stäbert. Bei der Suche nach einem Experten für die Aussprache eines persischen Liedes habe sie zu einer Notlösung gegriffen und kurzerhand ihr Glück in einem persischen Restaurant gesucht. „Dort bin ich dann direkt in die Familie aufgenommen worden“, sagt sie und lacht. „Ich kam da erst nach fünf Stunden wieder raus.“ Ihre Erfahrungen mit anderen Kulturen hätten gezeigt, „dass wir mehr Verbindendes als Trennendes haben. Das zu erleben ist immer sehr schön.“

Kontakt zur Bevölkerung ermöglicht kulturelle Einblicke

Zurzeit planen die Künstlerinnen ihre nächste Reise, die nach Neuseeland führt. „Wir haben gerade die Route festgelegt, das ist alles sehr aufregend und macht tierisch viel Spaß“, sagt Stäbert. Sie würden sich in „geschützten Räumen“ mit Vertretern der indigenen Bevölkerung treffen. Einen Termin dafür zu bekommen sei nicht einfach, aber dank Kontakten vor Ort sei es ihnen gelungen. „Wir bekommen so einen unmittelbaren Einblick in die dortige Kultur.“ Nicht zuletzt auch dadurch, dass die Künstlerinnen wie zuvor in Taiwan mit Schulklassen und Chören zusammenarbeiten.

„Wir haben uns an unterschiedlichen Stellen Expertenwissen draufgeschafft“, sagt Stäbert. „Ich komme beispielsweise aus dem Schauspiel und beschäftige mich ganz intensiv mit der Bühnenpräsenz.“ Die gehört unbedingt dazu, wenn der perfekte Auftritt gelingen und im Gedächtnis des Publikums bleiben soll. Denn den begeisterten Kulturbotschafterinnen geht es darum, die Lieder in die Welt zu bringen. Die Begeisterung ist bei Aquabella sowieso systemimmanent: Stäbert muss schmunzeln. Dann sagt sie: „Wenn man uns irgendwo hinstellt, fangen wir an zu singen. Es geht gar nicht anders.“

Konzert Do 11.5., 19.30, Schloss Reinbek, Schlossstraße 5, Eintritt 22,–, Vvk.: kultur-reinbek.de, KulturKasse in der Stadtbibliothek Reinbek, Hamburger Straße 8, per E-Mail an tickets@reinbek.de