Reinbek/Wentorf. In Berkeley studiert, „nur“ an der Volkshochschule Sachsenwald heimisch geworden: Warum Justine Koch (81) dort so glücklich ist.
Mit ungebremster Energie ist Justine Koch dabei, wenn es um ihr Metier – die Kunst – geht: „Das ist gut“, lobt sie mit lebhafter, lauter Stimme ihren Schüler Thomas Doetzkies. Er präsentiert ihr eine Aquarellskizze, ein Porträt von ihr. Unverkennbar das dichte, mittlerweile ergraute Haar und die prägnante, türkisfarbene Brille.
Impulsiv und präsent, so kennen und schätzen ihre Schülerinnen und Schüler sie. Die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit: Auch mit 81 Jahren will Justine Koch weiter an der Volkshochschule Sachsenwald unterrichten, so lange es ihr ihre Gesundheit erlaube. Nicht etwa aus finanziellen Gründen: „Meine Schülerinnen und Schüler sind alle sehr intelligent, und ich entwickle mich gern mit ihnen weiter“, erzählt die Wentorfer Künstlerin. Es seien die geistigen Anregungen, die sie schätze.
Justine Koch – eine Institution in Reinbeks Kunstszene
„Viele Künstler haben ein bisschen auf mich herabgesehen, weil ich ,nur’ an der Volkshochschule unterrichte“, berichtet Justine Koch. Ihrer Ansicht nach ein schwerwiegender Irrtum. „Für mich persönlich waren es die besten Erfahrungen“, stellt sie fest. „Denn so habe ich Menschen verschiedenster Milieus kennengelernt. Meine Schüler haben alle einen Beruf, und so habe ich viel Interessantes erfahren. Und ich konnte immer machen, wozu ich Lust hatte – ein Luxus.“ Der Austausch mit Menschen sei ihr wichtig.
Angefangen habe alles, als eine „flotte Nachbarin“ ihr eine Anzeige aus der Bergedorfer Zeitung gezeigt habe. Die Volkshochschule in Reinbek suchte eine Dozentin für einen Aquarellkursus. Jörg Talanow war mit Justine Koch sofort einverstanden, und im Folgejahr bot sie bereits zehn Aquarellkurse an. „Das Aquarellieren war damals groß in Mode“, erzählt sie. Nach und nach hat sie ihr Repertoire erweitert: Zeichnen, Wochenenden, um Maltechniken auszuprobieren, oder zum Aktzeichnen und natürlich ihre geliebte Holzschnitttechnik.
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Jeder Teilnehmer, jede Teilnehmerin macht das, was ihn oder sie interessiert
Ihrer Meinung nach dürfe man sich nicht festlegen. „Das Leben ist zu lang, um nur eine Sache zu machen“, erklärt sie. Dabei spielt sie auf Thomas Doetzkies an, der gerade mit 50 Jahren noch einmal eine Ausbildung als Lokführer macht. In ihrem Abendkursus „Stillleben, Landschaft, Komposition“ sind die meisten schon viel länger dabei als er, der seit neun Jahren Unterricht bei Justine Koch nimmt.
Sie vergleicht diese Gruppe mit einer „Open Class“, die sie im Textildesign-Studium als 20-Jährige in Berkeley kennengelernt hat, als sie mit ihrem Mann in Kalifornien lebte. „Jeder macht an den Sachen weiter, die ihn interessieren“, erläutert die Wentorferin. Dabei gebe sie den Hörerinnen und Hörern ihrer Kurse lediglich Impulse, mit denen sie weiterarbeiten könnten. „Es ist großartig, wie Justine uns individuelle Tipps gibt“, erzählt die Malerin Regine Cichy. „Sie sagt dann: ,Lies doch mal dies oder das’, und das hilft mir immer weiter.“ Für jedes Semester stelle sie eine neue Bibliothek zusammen und bleibe so selbst auf dem Laufenden.
Der Holzschnitt, die Kunst des Weglassens, fasziniert sie
„Ich habe durchaus auch Sammler gehabt und Ausstellungen“, erzählt Justine Koch. „Aber eigentlich habe ich immer für mich gemalt. Meine Leidenschaft ist der Holzschnitt. Das hat so etwas Handwerkliches. Das ist sehr anstrengend, aber auch toll. Es geht um die Kunst des Weglassens.“ Bei der Hochdruck-Technik bleiben die erhabenen Grate stehen und werden eingefärbt. Beim Druck entsteht eine seitenverkehrte Grafik, das aus dem Holz Herausgeschnittene bleibt im Bild leer, auf weißem Papier also weiß.
Das Kunstatelier ist gerade vom Dachgeschoss in die alte Küche im Erdgeschoss umgezogen. VHS-Leiter Simon Bauer hat noch einige großformatige Bilder gefunden und bringt sie vorbei. „Das kann alles weg“, sagt Justine Koch rigoros. Zu jedem Bild kann sie noch sagen, wie es entstanden ist und wer es gemalt hat, kennt die Namen und Gesichter dazu. „Ich hänge nur an wenigen Bildern“, stellt die 81-Jährige fest. „Denn ich male nur, weil es mir Spaß macht, es fällt mir nicht schwer, mich zu trennen.“
Nach Fotos zu malen interessiert die Künstlerin nicht
Nach Fotos zu malen interessiert die Grande Dame der VHS nicht. „Da bin ich ein bisschen altmodisch, das finde ich langweilig“, sagt sie. „Ich gehe hinaus, mache Skizzen, und die entwickle ich ganz expressiv zu Hause weiter. Momentan interessiere ich mich für Landschaften.“
Für Justine Koch ist Simon Bauer der dritte Volkshochschulleiter, mit dem sie zusammenarbeitet. „Herr Bauer schreibt mir immer so nette Briefe“, verrät sie. Mit seinem Vorgänger Ralph Fellermann war sie bis zu seinem Tod befreundet. Ihr aktueller Chef ist froh darüber, dass die Künstlerin nicht daran denkt, aufzuhören, denn er braucht gute Dozentinnen wie sie.