Reinbek. Hoch hinaus mit spannenden Büchern wollen Reinbeks Schüler. So hoch, dass sie drei Reinbeker Türme locker in den Schatten stellen.
Der Treppenturm des Schlosses ist geschafft. Umgerechnet in sogenannte Pisameter haben sich Reinbeker Schüler in weniger als drei Monaten 20 Meter des Schlossturmes erlesen. Pisameter ist die Maßeinheit des Projekts Büchertürme, das seit September in Reinbek läuft und an dem sich die Grundschulen Mühlenredder und die Gertrud-Lege-Schule beteiligen.
2011 hat die Hamburger Kinderbuchautorin Ursel Scheffler das Projekt ins Lebens gerufen, nachdem die Hamburger Schüler beim Lesetest der Pisa-Studie schlecht abgeschnitten hatten. Scheffler wollte die Leselust wieder anfachen und das Lesen trainieren. Das ist ihr erfolgreich gelungen. 173 Türme weltweit – von der Jacobikirche in Stralsund über den Baseler Wasserturm bis hin zur Sagrada Família in Barcelona – haben Schüler von der ersten bis zur fünften Klassenstufe mittlerweile erlesen.
Reinbeker Grundschüler beteiligen sich an Lesewettbewerb
Mit dem neuen Schuljahr startete das Projekt zum erste Mal in Reinbek. Hier sollen drei Türme lesend erklommen werden – der 30 Meter hohe Schlossturm, der 40 Meter hohe Turm der Maria-Magdalenen-Kirche sowie der Kirchturm der Nathan-Söderblom-Kirche. Insgesamt 100 Meter oder umgerechnet 1000 Pisameter. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Reinbeker das schaffen“, sagt Magrit Ehbrecht, Vorsitzende vom Friedrich-Bödecker-Kreis in Schleswig-Holstein. Bis Ende des Schuljahres ist Zeit.
Der Bödecker-Kreis fördert die Lese- und Schreibkompetenz von Schülerinnen und Schülern, indem er Autorenbegegnungen und Lesungen sowie Wettbewerbe organisiert. „Nicht jedes Kind ist motiviert, zum Buch zu greifen und sich durch Buchstabenwelten zu kämpfen“, weiß die Reinbekerin Ehbrecht aus jahrelanger Erfahrung als Deutsch- und Englischlehrerin an der Grundschule Mühlenredder. „Ich bin davon überzeugt, dass sich die Anstrengung lohnt“, sagt die 73-Jährige.
Die Hürden für die Teilnahme am Lesewettbewerb sind niedrig
Ein wenig bedauert die Vorsitzende des Bödecker-Kreises, dass bislang nur zwei Reinbeker Schulen beim Projekt Büchertürme mitmachen. Dabei sind die Hürden niedrig: Jede Schule darf jederzeit einsteigen und wieder aussteigen. Die Pisameter werden gesammelt. Es zählen alle Bücher, die jeder Schüler gelesen oder angeschaut oder vorgelesen bekommen hat. Die Buchrückenhöhe wird mit der Zahl der Zuhörer multipliziert.
„Da kommen schnell viele Pisameter zusammen“, freut sich Karen Schmedemann, langjährige Schulleiterin an der Grundschule Mühlenredder. Die 64-Jährige legt seit jeher großen Wert darauf, dass die aktuell 280 Kinder an ihrer Schule eine gute Lesekompetenz erlangen. „Das ist das A und O für alles weitere“, sagt sie, outet sich selbst als großer Bücherfan und ist unglaublich stolz auf die aktuelle Nominierung ihrer Schule für den Deutschen Lesepreis, der Anfang März in Berlin vergeben wird. Dass die Lesekompetenz seit der Pandemie massiv gesunken ist, das könne sie nicht bestätigen. „Da liegen wir gut im Mittelfeld. Ich sehe eher noch Defizite im Sozialverhalten“, sagt Schmedemann.
Statt Internetflatrate gibt es eine Flatrate für Bücher
Ein Grund für die Nominierung ist, dass Bücher zum Alltag der Schule gehören: Es gibt sie überall, in jedem Klassenraum und besonders viele – 2500 Stück – in der sogenannten Leseinsel, einer gemütlich eingerichteten Bibliothek. Die ist in dem Backsteingebäude aus den 1950er-Jahren gerade ins Erdgeschoss umgezogen und mit neuen Möbeln, Teppichen und Büchern bestückt worden. Möglich machte das eine Spende in Höhe von 5000 Euro einer Reinbeker Familie.
Die Leseinsel wird ehrenamtlich von 19 Müttern und Großmüttern unterstützt, die die Ausleihe organisieren. „Seit Beginn des Wettbewerbs ist besonders viel los, sind die Kinder richtig angespornt“, sagt Sabine Laplack, Leiterin des Insel-Teams. Sachbücher über Tiere und Guinnessbücher der Rekorde sind bei den Kindern hoch im Kurs.
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Kein Wunder also, dass die Grundschule am Mühlenredder aktuell in Pisametern vorn liegt. Als kleinen Zwischenpreis hat sie dafür am vergangenen Freitag, dem bundesweiten Vorlesetag, eine Lesung mit Bürgermeister Björn Warmer gewonnen. Warmer ist Schirmherr des Projekts und musste sich nicht lange bitten lassen. „Ich bin als Kind einer Rowohlt-Mitarbeiterin quasi in Büchern aufgewachsen." Das Gleiche gelte für seine Kinder. Statt einer Internetflatrate könnten die sich über eine Bücherflatrate freuen. „Ich kaufe jedes Buch, egal welches“, sagt Warmer.