Reinbek. Philipp und Henrik Niemann wollen beim Weihnachtslauf mit 25 Kilogramm Ausrüstung starten. Darum tun die Brüder sich das an.

Am ersten Advent bei Mutti auf dem Sofa sitzen? Das allein reicht den 27 und 25 Jahre jungen Freiwilligen Feuerwehrmännern Philipp und Henrik Niemann nicht als Freizeitprogramm. Am Sonntag habt mancher sie vielleicht schon beobachtet: Die Brüder trainieren derzeit für den zwölften „St. Pauli X-Mass-Run“ am 27. November – und zwar in Feuerwehrkluft im Schatten der gerade entstehenden neuen Wache im Paul-Luckow-Stadion der TSV Reinbek.

Die fünf Kilometer lange Strecke durch den Hamburger Stadtteil St. Pauli mit Start und Ziel im Millerntor-Stadion ist eigentlich Weihnachtsmännern, Engeln, Rentieren, Wichteln und anderen weihnachtlichen Gestalten vorbehalten, um das Viertel in eine laufende Kostümparty zu verwandeln. So richtig weihnachtlich ist die Schutzkleidung der Freiwilligen Feuerwehr zwar nicht, aber: „Wir wollen unser Ehrenamt repräsentieren“, sagt der leidenschaftliche Feuerwehrmann Philipp Niemann. Unter den bisher 2242 Teilnehmenden sind um die 50 Freiwillige Feuerwehrleute, die aus privater Initiative als Löscher potenziell brennender Weihnachtsbäume laufen. Anerkennung von ihren Kameradinnen und Kameraden gibt es trotzdem: „Wir beide haben das mit der Wehrführung abgesprochen und die Feuerwehr stellt uns die Ausrüstung“, sagt der 27-Jährige.

Philipp (l.) und Henrik Niemann sind aktuell in Sichtweite der neuen Wache, die im Februar 2023 fertig werden soll, im Paul-Luckow-Stadion des TSV am Start.
Philipp (l.) und Henrik Niemann sind aktuell in Sichtweite der neuen Wache, die im Februar 2023 fertig werden soll, im Paul-Luckow-Stadion des TSV am Start. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Der Weihnachtslauf geht über das Heiligengeistfeld und durch Planten un Blomen

„Außerdem reizt uns die sportliche Komponente daran“, erläutert sein jüngerer Bruder. Fünf Kilometer seien zwar nicht schwer zu bewältigen, doch mit der etwa 25 Kilogramm schweren Schutzkleidung samt (leerer) Sauerstoffflasche wird eine Herausforderung daraus. „Wir hoffen, dass es an dem Tag nicht regnet, weil die Ausrüstung dann noch einmal zehn Kilogramm schwerer werden kann“, sagt Philipp Niemann.

Die Route führt über das Heiligengeistfeld sowie durch den Park Planten un Blomen. Ziel ist aber nicht nur, einmal zu den Klängen von Hells Bells in das Millerntor-Stadion einzulaufen, beim Ziellauf ins Stadion den Szenenapplaus für die Kostüme zu genießen: Denn für jeden Meldebeitrag – das Startgeld samt Chip beträgt 21 Euro – und jedes verkaufte Souvenir gehen 5 Euro in den Spendentopf. Aus dem werden sechs gemeinnützige Hamburger Institutionen bedacht, darunter der Hamburger Gabenzaun am Hauptbahnhof, an dem man Obdachlosen Sachspenden überlassen kann, von Lebensmitteln über Hygieneartikel bis zu Kleidung, oder die Die MS Stubnitz, ein ehemaliges DDR-Kühl- und Transportschiff, das zu einem soziokulturellen Veranstaltungszentrum umfunktioniert wurde. Für den guten Zweck kann man sich ruhig mal ein bisschen anstrengen“, sagt Henrik Niemann. „Außerdem machen diese Wettkämpfe einfach Spaß.“

Der sportliche Ehrgeiz hat die Brüder gepackt

Bisher waren die Brüder gemeinsam mit ihrem Freund Steven Wischermann am Start allerdings eher auf dem Hamburger Nordmarsch, beim Feuerwehrwettbewerb der Stemwarder Pfingst-Sause oder beim Schlauchbootwettkampf in Kirchwerder. Jetzt hat sie der sportliche Ehrgeiz gepackt und sie haben sich noch ein bisschen mehr vorgenommen, wollen im Frühjahr auch beim Treppenlauf in Thüringen dabei sein. Steven Wischermann fällt aktuell noch wegen einer Verletzung aus, aber langfristig will er wieder mit einsteigen. Gemeinsam mit Philipp Niemann trainiert er regelmäßig im Reinbeker Fitness-Studio Infinity, während der Maler Henrik Niemann sagt: „Mein Sport ist das Handwerk.“

Die Niemanns haben noch zwei Wochen Zeit, um ein paar Läufe zu absolvieren. „In Ausrüstung bekommen wir das vielleicht nicht mehr so oft hin“, bedauert der Jüngere. „Immerhin sind wir beide berufstätig.“ Sein Bruder arbeitet im Lager eines Autohauses.

Ausgerechnet: Die beiden Reinbeker sind HSV-Fans

Inspiriert wurden sie durch einen Feuerwehrmann aus Rheinland-Pfalz. „Er heißt Chris und ist viel in den Sozialen Medien unterwegs“, erzählt Philipp Niemann. „Ich habe ihn einmal auf einer Feuerwehr-Messe getroffen. Auch er will für den St. Pauli X-Mass-Run nach Hamburg kommen.“ Am Vortag wollen sie sich gemeinsam mit weiteren Feuerwehrleuten treffen und die Umwelt- und Technik-Feuerwehrwache in Willhelmsburg besichtigen.

Ausgerechnet St. Pauli: Dabei sind die beiden Niemann-Brüder eigentlich eingefleischte HSV-Fans und haben Dauerkarten für Schwarz-weiß-blauen. Kommt da kein Gewissenskonflikt auf? Philipp Niemann grinst. „Ich habe schon überlegt, ob ich mein HSV-Shirt drunterziehe und mir im Ziellauf die Jacke aufreiße“, scherzt er. Aber sie sind überzeugt: „Zu solch einem Anlass kann man das schon einmal machen, da stehen wir drüber“, sagt Henrik Niemann. Auf jeden Fall freuen sie sich, wenn Publikum zum Anfeuern an die Strecke kommt. Und für den Adventskaffee bei den Eltern auf dem Sofa gibt es ja noch weitere Adventssonntage. Mehr Informationen gibt es online unter www.stpauli-x-mass-run.de