Berlin. Die Volksrepublik China stoppt den Import von Plastikabfällen. Deutschland muss neue Lösungen für die Entsorgung des Mülls finden.
Die Mitteilung, die China am 18. Juli des vergangenen Jahres an die Welthandelsorganisation verschickt hat, hat Umweltbehörden weltweit beunruhigt. Darin kündigte die Regierung einen Importstopp für 24 Abfallarten an, darunter Kunststoffe, Altpapier und Elektroschrott. Das Land will nicht mehr die Müllkippe der Welt sein.
Umwelt- und Gesundheitsprobleme der Bevölkerung lassen die Regierung nun umsteuern. Seit Anfang Januar ist Schluss mit den Importen. Vor allem Großbritannien und die USA stellt dies vor ein Problem – sie haben kaum eigene Entsorgungsanlagen aufgebaut.
Doch auch in Deutschland sind die Kapazitäten für das Recyceln von Kunststoff am Limit. Und es gibt ein Problem: Das recycelte Plastik findet bislang wenig Abnehmer. Chinas Politikwechsel trifft ein Import- und Exportsystem, das sich seit den 90er-Jahren eingependelt hat: Voll beladen mit chinesischen Exportgütern trafen die Frachtschiffe aus Hongkong in Europas Seehäfen ein. Auf ihrer Reise zurück in den Osten nahmen sie als Abfall mit, was sie vormals als Waren dort abluden: Tonnen von gebrauchtem Plastik.
Aus Textilfasern wurden Exportgüter wie Fleecepullover gefertigt
Für die Unternehmen war dies eine echte Alternative zur Entsorgung in Deutschland, denn der Transport nach China war relativ günstig – zurück müssen die Schiffe ohnehin fahren. Im vergangenen Jahr importierte China rund 7,3 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle – was rund 60 Prozent des weltweit exportierten Plastikabfalls entspricht. Für China war das ein lukratives Geschäft, zumindest den hochwertigen Kunststoff verarbeitete es etwa zu Textilfasern, aus denen später wieder Exportgüter wie Fleecepullover gefertigt wurden. Zunehmend aber verarbeiteten Kleinunternehmer den Abfall wenig umweltfreundlich in Hinterhöfen.
Die Regierung will nun dafür sorgen, dass Abfälle von besserer Qualität in den eigens dafür errichteten Recyclingzentren außerhalb der Großstädte verarbeitet werden. Logistikunternehmen wie Kühne+Nagel oder Hapag-Lloyd spüren bereits die Folgen der restriktiven Umweltpolitik. Bislang kalkulierten sie mit der Vollauslastung ihrer Frachtschiffe. Doch weil künftig wohl viele Tanker ohne Last ostwärts fahren, bricht den Unternehmen eine wichtige Einnahmequelle weg.
Kunststoffmüll landet bei den Recyclinganlage
„Ja, wir bemerken einen Einfluss auf die Transportvolumina nach China“, bestätigte eine Sprecherin von Hapag-Lloyd unserer Redaktion. Aus Wettbewerbsgründen will man sich zur Größenordnung nicht äußern. Es dürfte sich allerdings um eine stattliche Summe handeln. Bislang exportierte Deutschland über 800.000 Tonnen Kunststoffabfälle pro Jahr nach China. Müll, der nun auf anderem Wege entsorgt werden muss.
So landet Plastikmüll in der Umwelt
Doch die Systeme dafür sind in Deutschland bereits ausgelastet. Vereinfacht gesagt läuft die Entsorgung von Plastikverpackungen so ab: Zunächst wird der Abfall gesammelt, dann wird er in eine Sortieranlage gebracht. Für diese Schritte sind die Dualen Systeme, etwa der Grüne Punkt, verantwortlich. Schließlich landet der Kunststoffmüll bei den Recyclinganlagen. Thomas Probst, Kunststoffexperte vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE), warnt nun vor Engpässen in dieser Kette: „Bei den Unternehmen, die Kunststoffrecycling betreiben, wie auch den Sortierern sind die Kapazitäten im Moment zu gering, um die Kunststoffabfälle auffangen zu können, die jetzt nicht mehr nach China verschifft werden können.“
Quoten für das Recycling von Duschgelflaschen sollte steigen
Es sind vor allem mittelständische Betriebe, die sich auf das Kunststoffrecycling spezialisiert haben. Ihre Kapazitäten können sich nicht ohne Weiteres ausbauen, Genehmigungsverfahren für neue Anlagen Jahre ziehen sich über Jahre. Probst schätzt, dass nun verstärkt auf Wege der Abfallentsorgung zurückgegriffen wird, die man eigentlich vermeiden wollte: den Export in andere Staaten, etwa nach Indien oder Malaysia, oder die Verbrennung.
„Das würde nicht unserem Anspruch gerecht werden, mehr zu recyclen“, sagt Petra Weißhaupt, Expertin für Abfallentsorgung beim Umweltbundesamt. Die Quoten für das Recycling von Duschgelflaschen und Joghurtbechern sollte eigentlich steigen – von derzeit 36 Prozent auf 63 Prozent bis zum Jahr 2022, so will es das neue Verpackungsgesetz. Probst sieht diese Ziele nun in Gefahr: „Die höheren Quoten werden nur sehr schwierig zu erfüllen sein – gerade bei der derzeit angespannten Situation.“
Bislang fehlen in Europa die Abnehmer für den Abfall
So kritisch sieht man die Lage im Umweltbundesamt nicht. Bei der Wiederverwertung sogenannter Recyclate – also alter Kunststoffe – sieht Weißhaupt jedoch durchaus „Verbesserungspotenzial“. Altes Plastik habe einen schlechten Ruf in Bezug auf Hygiene und Qualität – vielfach jedoch zu Unrecht. Hinzu kommt: Die Recyclate sind viel teurer als Rohmaterial. Es gibt also kaum Anreize für Hersteller, das wiederverwertete Material zu verarbeiten.
„Bislang fehlen in Europa die Abnehmer, was auch an der Qualität der Recyclingmaterialien und an den im Vergleich zum Primärmaterial zu hohen Preisen liegt“, sagt der Leiter der Abteilung Umwelt beim Bundesverband der Deutschen Industrie, Thomas Holtmann. Es sei nicht auszuschließen, dass der erforderliche Ausbau der Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen insgesamt zu Preissteigerungen führen werde. Die Abfallverwertung wird zum Kostenfaktor.