Wentorf. Konzeptkünstler Christoph Faulhaber gerät durch seine Performance unter Terrorverdacht. Sein Atelier hat er im Woods Art Institute.

Gäste, die Christoph Faulhaber in seinem Atelier besuchen, erwarten nicht etwa Farben, Staffelei, Pinsel, Werkzeug oder anderes Material – der Arbeitsraum des Konzeptkünstlers im Woods Art Institute (WAI) an der Golfstraße wirkt eher wie ein nettes, etwas legeres Büro. Mitten im Raum steht ein schlichter Schreibtisch, ein großes Bücherregal an einer Wand, gegenüber ein etwas verlebtes Ledersofa, auf dem Boden steht ein Rechner und an den farbigen Wänden hängen viele Notizen auf Papier. Darauf angesprochen, erwidert er nur lächelnd: „Ja, komischer Künstler, nicht?“ Als Konzeptkünstler arbeitet er nun einmal weniger mit den Händen als vielmehr mit dem Kopf.

Aber was macht ein Konzeptkünstler eigentlich? „Letztlich geht es immer darum, eine Geschichte zu erzählen“, stellt der 48 Jahre alte Bergedorfer fest. „Ich bin gleichzeitig der Erzähler, Regisseur und spiele mit – fast ein bisschen wie bei Woody Allen. Die Themen dafür nehme ich mir aus dem Alltag.“

Konzeptkünstler Christoph Faulhaber: „Meine Kunst entsteht im Kopf“

Ob als Bettler im Burberry-Karo vor Geschäften, als Gründer eines Aufnahmelagers für ehemalige Guantanamo-Häftlinge, bei der Inszenierung des Musicals „Phantom of Punk“ vor der Roten Flora in Hamburg oder als Sicherheitsbeauftragter „Mister Security“ vor US-Botschaften: Immer schwingt in seinen Performances auf der Bühne des öffentlichen Raumes, die er unweigerlich mit anderen Menschen teilt, auch Provokation mit. Auf die zielt er ab, wenn er sagt: „Ich habe einen sehr offenen Werkbegriff. Meine Kunst entsteht im Kopf.“

Aber seine Kunst entsteht nicht allein in seinem Kopf, sondern auch in denen seines Publikums, das er direkt beteiligt. Dabei werden die anderen manchmal auch unwissentlich zu seinem Publikum. „Von Anfang an hatte ich Interesse an dem Stadtraum, an der Provokation unter Nutzern, der Kommunikation Ausdrucksweise, kurzum an Kunst im öffentlichen Raum“, erklärt Christoph Faulhaber. „Kunst ist für mich nicht das fertige Werk, sondern es geht um einen Prozess mit den Projektpartnern. Allein kann ich nicht gut arbeiten.“

Mister Security überwacht den öffentlichen Raum

Dabei hat der Künstler es mit seiner Herausforderung auch schon auf die Spitze getrieben und ist mit seinem Projekt „Mister Security“ schon auf der US-Terror-Watchlist gelandet. Der Vater von vier Kindern, der gern einmal Kunstprojekte für Kinder am Kika unterstützt und am liebsten mit dem Fahrrad ins Atelier fährt, wird von den Sicherheitsbehörden der USA beobachtet – ohne dafür jemals irgendein Gesetze übertreten zu haben.

Dafür stellte er sich in der Kluft eines vermeintlichen Sicherheitsdienstes vor die US-Botschaften oder -Konsulate in Berlin, Hamburg, München und Warschau. Er tat nichts anderes, als den öffentlichen Raum zu „überwachen“, die Lage zu beobachten und zu fotografieren. Sein Partner Lukasz Chrobok dokumentierte das, was passierte: die Reaktionen der Polizisten, die die Botschaften bewachten und sich in ihrer Autorität missachtet fühlten, ihre Befragung Faulhabers und die Dialoge.

Besuch vom FBI: Das kostet ihn das Stipendium

„Mir wurde schon unterstellt, ich wolle nur provozieren und harte Reaktionen hervorrufen. Das aber stimmt so nicht“, erklärt der 48-Jährige. Jede Form von politischer Kunst sei „wahnsinnig interessant“. Eine Folge der politischen Kunst sei aber auch eine Aufwärtsspirale, die unweigerlich zu einer Eskalation führe. „Und das ist nicht so mein Ding“, stellt der Künstler fest.

Die Folgen seines Projektes hat er auch zu spüren bekommen: 2008 hatte er ein New-York-Stipendium des Landes Rheinland-Pfalz erhalten. Doch dort bekam er Besuch vom FBI. Daraufhin verlor er jede Rückendeckung der Kulturschaffenden. Schon 2005 bekam er Schwierigkeiten, nach New York einzureisen. Er wurde am Flughafen verschärft kontrolliert oder über mehrere Stunden festgehalten und verhört, bekam Probleme beim Visum. In der Folge verlor er durch seinen „Mister Security“ tatsächlich sein Stipendium und ist seit der Rückkehr nie wieder in die USA eingereist.

Im nächsten Projekt steht künstliche Intelligenz im Fokus

Wie aber kam er zur Konzeptkunst? Alles begann mit seinem Tagebuch während der Schulzeit. Nach einem abgebrochenen Studium der Baufachkunde und einer Wanderung durch Spanien landet Christoph Faulhaber über ein Architekturstudium schließlich in der Kunst. Nach dem Studium ersteigerte er eine Fabrik südlich von Jena, die zum Theater Pößneck, einem Raum für sozialpolitische Projekte wurde. Viele erinnern vielleicht noch sein Projekt von 2015: Faulhaber verkleidete ein Gerüst an der Roten Flora mit dem Bild ihrer ursprünglichen Fassade. Dort inszenierte er das Open-Air-Musical „Phantom of Punk“.

Sein nächstes Projekt spielt in einem weltweiten Raum: Für das Hamburger Kampnagel-Festival organisiert er einen „Hackathon“, einen Hacker-Marathon. Darin will er eine Oper in künstliche Intelligenz übertragen. Künstler, die bestenfalls in Hamburg arbeiten, sind eingeladen, sich dafür zu bewerben.