Glinde. Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr lehnt Modell an Fahrbahnkante ab. Bürgermeister Rainhard Zug will das bislang nicht akzeptieren.
Die Situation ist unbefriedigend für Dagmar Coordts und ihren Mann Jürgen. Noch immer steht kurz hinter ihrer Grundstücksgrenze an der Stübenkoppel in Glinde ein rund ein Meter hoher Holzzaun mit fehlenden Elementen, der als Schutz vor Lärm der naheliegenden Kreisstraße 80 dienen soll, seinen Zweck aber nicht erfüllt. Das Ehepaar ist in einer Bürgerinitiative organisiert, die seit Jahren eine richtige Wand fordert. Inzwischen hat sich auch die Stadt bereit erklärt, die Sache anzugehen. Das Problem: Ihre Wunsch-Variante lässt der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV.SH) nicht zu.
Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes Fahrzeugrückhaltesystem mit integrierter Lärmschutzwand, die auf Betonblöcke gesetzt wird. Das Ganze soll direkt am Rand der Straße errichtet werden. Die Absage will Bürgermeister Rainhard Zug nicht so einfach hinnehmen. Er kämpft um genau dieses Projekt und versucht, Torsten Conradt, den Direktor des LBV.SH, dafür zu gewinnen. Das bekräftige er im jüngsten Bauausschuss. „Wir sind in Kontakt. Ich habe Glindes Belange und die Notwendigkeit dargestellt, es gibt aber noch keine Entscheidung“, sagt Zug gegenüber dieser Redaktion. Die Angelegenheit ist jetzt also auf oberster Ebene angesiedelt und das für die Planung zuständige Tiefbauamt im Glinder Rathaus in der Warteschleife.
Bau von Wand an Fahrbahnkante wäre am günstigsten für Glinde
Die favorisierte Fläche an der K80 gehört dem Kreis. Laut Glindes Bauamtschefin Fruzsina Ascherl hat dieser die Kommune an den Landesbetrieb verwiesen. Dagmar Coordts, die als Sprecherin der Gruppe mit ihren rund 30 Mitgliedern fungiert, hatte zu einem Zeitpunkt, als die Ablehnung noch nicht kommuniziert war, selbst beim LBV.SH angefragt wegen des Fahrzeugrückhaltesystems.
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Im Antwortschreiben, versendet am 3. April, heißt es unter anderem: „Zum Beispiel muss ein Anprallschaden umgehend repariert werden, um die Schutzwirkung zu erhalten. In der Zwischenzeit bedarf es einer Sicherung der beschädigten Stelle. Es ist schon schwierig, kurzfristig eine Firma zur Reparatur einer Schutzplanke zu bekommen. Bei Verwendung einer Schutzplanke mit lärmmindernden Effekt würden keine Standardbauteile verwendet werden können, weshalb unseres Erachtens keine kurzfristige Reparatur gewährleistet werden kann. Hinzu käme die unklare Abgrenzung der Verkehrssicherungspflicht.“ Aus den vorgenannten Gründen könne man einem solchen Vorhaben nicht zustimmen.
Bürgerinitiative organisiert Rundgang mit Kommunalpolitikern
Im September 2022 hatte der Bauausschuss den Standort direkt an der Fahrbahnkante einstimmig gutgeheißen und die Verwaltung mit einer Untersuchung beauftragt. Ein Grund sind die Kosten: Damals waren 645.000 Euro angesetzt. Zwei andere Varianten wären wesentlich teurer, zumal Glinde auch Grundstücksanteile von Anliegern erwerben müsste. Inzwischen geht man im Tiefbauamt von einer Preissteigerung bei allen drei Optionen aus.
Dagmar Coordts geht alles viel zu langsam. „Ich verstehe nicht, warum man so lange für die Klärung braucht. Das zeugt nicht von höchstem Einsatz“, sagt die 72-Jährige. „Es gibt auch andere Ausführungen, die an der Lärmquelle stehen könnten. Das sieht man vielerorts an Autobahnen.“ Einen Bau direkt an der K80 hatte die Bürgerinitiative übrigens schon im Frühjahr 2021 vorgeschlagen.
Die Seniorin organisierte vor Kurzem einen Rundgang und lud dazu Kommunalpolitiker ein, um Erfahrungen zu schildern und um Unterstützung für ein schnelleres Vorankommen zu bitten. Mehr als ein Dutzend Parteienvertreter aus allen Fraktionen kamen. Dabei war zum Beispiel der CDU-Ortsvorsitzende Claus Peters, zugleich Bürgervorsteher. Sein Eindruck: „Es ist sehr belastend für die Anwohner. Wir müssen zügig eine Lösung finden.“ Unweit der Fahrbahn gibt es bei den tieferliegenden Stübenkoppel-Grundstücken bereits eine mehrere Meter hohe Wand – ebenfalls aus Holz. Auch hier fehlen Elemente. Und die vorhandenen halten Geräusche nicht wirklich ab.
Stadt wollte Anliegern maximal zehn Euro pro Quadratmeter zahlen
Die Gruppe ist seit 2009 aktiv. Zuständigkeiten waren damals allerdings nicht geklärt. Eigentümer der maroden Wand ist Glinde, finanziert wurde sie vom Kreis und der Stadt. Auf der einen Seite gab es einen Bebauungsplan, der einen fünf Meter hohen Lärmschutzwall vorsieht. Auf privatrechtlicher Basis zwischen Kreis und Stadt wurde jedoch eine Holzwand mit einer dünnen Dämmplatte erstellt. Ein Gutachten brachte das Ergebnis, dass der B-Plan nichtig ist. Das bedeutet: Anlieger haben keinen Anspruch auf Lärmschutz. Der Neubau ist eine freiwillige Leistung der Stadt.
Zuerst war angedacht, die Wand abseits des Straßenrands zu bauen. Es sollte ein Zehn-Meter-Streifen erworben werden, der sich über 15 Grundstücke von Anliegern erstreckt. Die gingen auf die Barrikaden. Denn die Verwaltung deklarierte den Bereich als Ackerland mit 3,80 Euro pro Quadratmeter, bezifferte den maximalen Verhandlungspreis auf zehn Euro. Dann ließ Zug von einem Experten neue Grundstückswerte ermitteln. Laut dem Ehepaar Coordts wurden ihre 180 Quadratmeter mit 39.000 Euro eingestuft. „Vor zehn Jahren wären wir noch verhandlungsbereit gewesen, nach dem ganzen Hick-Hack aber nicht mehr“, sagt die Initiativensprecherin. „Ich kenne keinen hier, der Land abgeben will.“
Im Sachbereich Tiefbau des Glinder Rathauses klingt das ein bisschen anders. „Einige Anlieger haben zumindest Verständnis gezeigt, Grund an die Stadt zu verkaufen“, so ein Mitarbeiter. Aber eben nicht alle, die man benötigen würde. Auch deshalb will Zug die Fahrbahn-Variante, um weitere Konflikte mit der Initiative zu vermeiden. Der Bürgermeister sagt aber auch: „Wenn bis Oktober vom Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr nicht entschieden wird, beginnen wir die Planung an anderer Stelle.“ Neben dem Bereich mit dem Zehn-Meter-Streifen ausschließlich auf Glinder Stadtgebiet ist eine weitere Option am jetzigen Standort. Hier wären die Kosten am höchsten und die Nutzungsdauer mit 30 Jahren nur halb so lang im Vergleich zu den Alternativen.