Glinde. An der Kreisstraße 80 in Glinde kommt die Lärmschutzwand weg. Initiative kämpft seit zehn Jahren für bessere Bedingungen.
Sie ist nur etwa einen Meter hoch, ihr Kern aus Asbest und mit Holzlamellen verkleidet: Die vermeintliche Lärmschutzwand, die ein Wohngebiet in Glinde von der K 80 abgrenzt, soll jetzt verschwinden. Der Ärger und die Enttäuschen vieler Anwohner bleiben. Denn statt einer neuen Wand, die auch tatsächlich für mehr Lärmschutz sorgen könnte, gibt es von der Stadt nur einen Maschendrahtzaun als Ersatz.
Dies haben die Stadtvertreter in ihrer Sitzung am Donnerstagabend beschlossen. Rund 35.000 Euro wird der Rückbau zahlreicher maroder Elemente kosten. „Da ist Gefahr im Vollzug“, sagt Rainer Neumann, Fraktionsvorsitzender der CDU, der von einer Ad-hoc-Maßnahme spricht. Denn die Verkehrssicherheit auf der K 80 sei nicht mehr gegeben. „Da waren wir uns alle einig“, sagt Frank Lauterbach, Fraktionsvorsitzender der SPD. Teile der maroden Wand könnten sich lösen und auf die Kreisstraße stürzen.
Bebauungsplan für das Wohngebiet ist rechtsungültig
Die Bürgerinitiative „Lärmschutz K 80“ wirft der Stadt vor, bewusst über Jahre die Lärmschutzwand verfallen lassen zu haben. Seit zehn Jahren kämpfen die Anwohner einer Siedlung westlich der Kreisstraße für den Bau einer echten Lärmschutzwand. Doch weder ist diese gebaut worden, „noch sind Instandhaltungsarbeiten an der jetzigen getätigt worden“, erklärt Junias Berndt, dessen Grundstück direkt an die K 80 grenzt. Zudem fühlen sich die Bürger von Politik und Stadt im Stich gelassen. „Viele Jahre wurde uns gesagt, dass unklar sei, ob der Kreis oder die Stadt zuständig ist“, erinnert sich Berndt, der an dieser Stelle von einer Hinhaltetaktik spricht.
Für Glindes Bürgermeister Rainhard Zug liegt die Ursache des Dilemmas bereits 30 Jahre zurück. „Damals ist ziemlich viel schiefgelaufen“, sagt Zug. So seien Ende der 70er-Jahre eklatante Fehler bei der Planung gemacht worden. „Und weil so unsauber gearbeitet wurde, ist der B-Plan dort auch rechtsungültig“, erklärt der Bürgermeister.
Damals entstand die kleine Siedlung mit Einfamilienhäusern. Die K 80 führte seinerzeit nur bis zur A 24. Einen Anspruch auf Lärmschutz gab es damals nicht. Dennoch ist im B-Plan ein Lärmschutzwall vorgesehen. Wäre dieser gebaut worden, so wären die Grundstücke an der Kreisstraße nur halb so groß. „Man hat sich auf einen kleineren Wall geeinigt und darauf die kleine Lärmschutzwand gebaut“, sagt Zug.
Grundstücksbesitzer sollen je 150.000 Euro zahlen
Auch heute, 30 Jahre später, hätten die Anwohner noch immer keinen Anspruch auf eine Lärmschutzmaßnahme. „Das ergibt sich aus einer Formel, mit der die Belastung ausgerechnet wird“, so Zug. Nur wenn die K 80 vierspurig ausgebaut würde, hätten die Anwohner einen gesetzlichen Anspruch auf Lärmschutz und der Kreis wäre in der Pflicht. Doch ein solches Vorhaben ist nicht geplant.
„Wir als Stadt könnten eine Lärmschutzwand bauen lassen“, erklärt Zug, fügt im selben Atemzug aber hinzu: „Wir müssten die Kosten aber auf die Anwohner umlegen.“ Rund 150.000 Euro müsste jeder Anwohner zahlen. „Wir haben zwar die Straßenausbaubeiträge abgeschafft, doch in diesem Fall gilt Erschließungsrecht“, erklärt Zug.
Jürgen Coordts fängt bei der Summe an zu lachen: „Das zahlen wir nicht“, sagt der Glinder, der ebenfalls Mitglied der Bürgerinitiative ist. Er und die anderen Mitglieder sind sich einig, dass die kleine Lärmschutzwand kaum bis gar nicht den Straßenlärm mindert. Dennoch hatten sie gehofft, dass vernünftiger Ersatz geschaffen werde. Doch jetzt soll nur ein Zaun gebaut werden, damit Hunde oder Katzen nicht von den Grundstücken auf die Straße laufen.
Junias Berndt ärgert zudem, dass bei der Stadtvertretersitzung das Thema Lärmschutz im Zusammenhang mit dem Rückbau gar nicht erst angesprochen wurde. „Das ist ein kompliziertes Thema“, sagt CDU-Fraktionschef Neumann, und: „Wir haben das fraktionsintern noch nicht besprochen.“
Frank Lauterbach von der SPD fordert von der Glinder Verwaltung, ein schlüssiges Konzept für mehr Lärmschutz zu entwickeln, damit den Anwohnern geholfen werde. Doch warum haben das die Sozialdemokraten nicht schon vor Jahren gefordert? „Da war noch unklar, wer zuständig ist“, sagt Lauterbach.
Für weniger Lärm könnte auch Flüsterasphalt sorgen. Bürgermeister Zug: „Wir sind bereit, die Mehrkosten dafür zu übernehmen.“ Doch eine Sanierung ist vom Kreis, der für die Straße zuständig ist, derzeit nicht geplant.