Oststeinbek. Oststeinbeker „Afghanistan-Schulen“ leisten trotz der Situation Aufbauhilfe. Denn nicht überall im Land ist Mädchen Bildung verboten.

Für die Kosten der Schule, die gerade in Oststeinbek gebaut wird, könnte Marga Flader in Afghanistan 25 Schulen bauen. Doch für viele Mädchen und Jungen in Mazar-i-Sharif oder in Andkhoi am Hindukusch bedeuten diese kleinen, und im Vergleich zu den deutschen auch einfachen Schulen die Welt. Ein Zeichen der Hoffnung in ihrer Ausweglosigkeit, seitdem die Taliban 2021 im Land wieder die Macht ergriffen haben. Die internationalen Schutztruppen haben seitdem das Land verlassen, viele Hilfsorganisationen lassen ihre Arbeit ruhen. Doch Marga Fladers Verein Afghanistan-Schulen und ihr Team vor Ort aus knapp 100 Mitarbeitenden geben nicht auf und kämpfen um Spenden.

Die Situation für Mädchen und Frauen ist schwierig: Das afghanische Ministerium zur „Förderung der Tugend und Verhinderung des Lasters“ hat Frauen und Mädchen das Arbeiten und den Schulbesuch in 21 von 34 Provinzen verboten. Frauen ist gesetzlich vorgeschrieben, ihr Gesicht zu verschleiern, Männer und Frauen dürfen sich nicht mehr treffen, nicht mehr nebeneinander im Auto sitzen, falls sie nicht verwandt sind, Frauen dürfen allein kein Flugzeug mehr betreten.

Afghanistan-Schulen: Gerade jetzt ist für die Bildung viel zu tun

„Aber unsere Frauen versuchen dennoch, ihr Leben weiterzuleben wie zuvor“, berichtet Marga Flader. „Ich bewundere unsere Schulleiterinnen, die Lehrerinnen und die Frauen. Sie versuchen, die Repressalien mit Humor zu nehmen.“ Eine Schulleiterin eines Ausbildungszentrums habe gesagt: „Wenn die Taliban wollen, dass wir uns einen Vorhang vors Gesicht hängen, dann machen wir das eben.“ Doch die Bildung sei den Afghanen wichtiger denn je.

In einigen Provinzen dürfen Mädchen jetzt keine Schule mehr besuchen. Aber in 13 Provinzen, unter anderem In Andkhoi und Mazar-i-Sharif, sei dies zum Glück anders. Dort ist der Oststeinbeker Verein seit fast 38 Jahren aktiv. Schon damals hatten die Taliban die Macht im Land. „Für die – auch bei den Jungen begehrten – neuen Computer- und Englisch-Kurse haben wir gleich gesagt: Ja, die können wir anbieten, wenn die Mädchen weiter zur Schule gehen können“, erklärt die engagierte Oststeinbekerin. Was noch komme, wisse niemand. Die Wirtschaft liege am Boden.

Wirtschaft des Landes ist am Boden

Aber eines wissen die Ehrenamtlichen aus Oststeinbek und Umgebung: Der Lernwille der afghanischen Kinder ist groß, von der Bevölkerung erfährt der Verein große Unterstützung für seine Arbeit. „Glücklicherweise konnten wir unsere Projekte zu Ende führen, die wir vor der Machtergreifung der Taliban begonnen hatten“, berichtet Marga Flader.

Zu den Projekten gehört auch die Schule eines Flüchtlingslagers aus dem Inland am Rande von Mazar-i-Sharif. Dort leben etwa 200.000 Menschen. „Wir hatten dort Lebensmittel verteilt und die Geflüchteten gefragt, was sie sich in ihrer Not wünschen“, erzählt die Oststeinbekerin. Die Antwort war eindeutig: eine Schule für die Kinder.

Mittlerweile gibt es dort vier Klassenräume für 150 Kinder sowie ein Lehrerzimmer. „Es ist so schön, die Bilder von diesen glücklichen Kindern zu sehen“, stellt Marga Flader fest. „Und dieses Projekt erinnert uns an unsere Anfänge, als wir ebenfalls eine Schule für afghanische Kinder eingerichtet haben.“ Im Frühjahr will eine andere Organisation dort noch ein zweites Gebäude dazustellen. „Und wir wollen im Januar wieder Lebensmittel verteilen“, erklärt sie.

Der Benefiz-Kalender des Vereins Afghanistan-Schulen ist erschienen: Das Titelblatt zeigt Kinder aus dem Flüchtlingslager am Rande von Mazar-i-Sharif.
Der Benefiz-Kalender des Vereins Afghanistan-Schulen ist erschienen: Das Titelblatt zeigt Kinder aus dem Flüchtlingslager am Rande von Mazar-i-Sharif. © Marga Flader | Afghanistan-Schulen

Jetzt soll als neuestes Projekt die Mädchenoberschule in Mazar-i-Sharif, in der 2000 Mädchen unterrichtet werden, ab Mitte 2023 bis Ende 2024 saniert und vergrößert werden. Dafür muss der Verein zehn Prozent der Kosten in Höhe von insgesamt 750.000 Euro als Spenden aufbringen. Lieferschwierigkeiten für die Lehmziegel gebe es in Afghanistan nicht.

„Denn dort hat niemand Geld, um etwas zu bauen“, unterstreicht Marga Flader. Gerade ist eine Gutachterin, Dr. Hannelore Börgel, aus Afghanistan zurückgekehrt und arbeitet jetzt an ihrer Expertise über die Bildungssituation. „Sie hat aber schon signalisiert, dass es für unser Projekt gut aussehe“, erzählt Marga Flader.

Der Verwaltungsaufwand ist immens

Für die Oststeinbekerin, Vorsitzende des Vereins Afghanistan-Schulen, ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter ist die Arbeit seit vergangenem Jahr ungleich schwieriger geworden. Gerade ist die 68-Jährige zur Preisträgerin der „Goldenen Bild der Frau“ gewählt worden. Dafür hat sie nicht nur 10.000 Euro Preisgeld gewonnen, die sie in neue Schulen in Afghanistan investieren möchte, ihr Verein hat auch wieder mediale Aufmerksamkeit bekommen, die nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine spürbar geringer geworden war.

Sorgen bereiten auch die hohen Energie- und Heizkosten in Deutschland, die zu einem geringeren Spendenaufkommen führen könnten. Doch heute ist Marga Flader wieder zuversichtlicher: „Wir haben unsere regelmäßigen Spender und Mitglieder daraufhin direkt angeschrieben“, erzählt sie. Mit Erfolg. Sie hofft, dass der Verein jetzt die nötigen 75.000 Euro bis zum Baustart aufbringen kann.

Lernwille der Mädchen motiviert Marga Flader

Ein Vor-Ort-Besuch ist für die Vereinsvorsitzende in weiter Ferne. Direktflüge von Deutschland nach Kabul gibt es nicht mehr. Marga Flader war 2019 zuletzt dort, aus familiären Gründen wird sie an der Projektreise 2023 nicht teilnehmen können. „Aber ich sorge mich um die Mädchen und um unsere Angestellten, unseren Koch, die Wärter. Ihre Arbeit ist mir wichtig.“

Die Anträge um Unterstützung beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind ebenfalls komplexer geworden. „So ist das eben, wenn man viel Geld vom Staat haben möchte“, sagt sie dazu verständnisvoll. Doch auch für diese Arbeit muss der Verein künftig einen Mitarbeiter einstellen: Aus dem Ehrenamt ist ein Vollzeitjob geworden.

Etwa 65 Schulgebäude hat der Verein rund um Andkhoi und Mazar-i-Sharif gebaut, noch mehr repariert. Ein Förderzentrum für 1200 Schülerinnen und Schüler gegründet, Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet, drei Frauenzentren eröffnet. „Gerade haben 100 junge Frauen und Männer ihre Aufnahmeprüfung für die Universität bestanden“, erklärt Marga Flader stolz. „Wir sind nicht glücklich mit der Situation, aber wir haben Erfolg.“

Wer die Afghanistan-Schulen unterstützen will, erfährt mehr auf der Homepage www.afghanistan-schulen.de. Dort gibt es auch für 8 Euro den neuen Benefiz-Kalender, dessen Erlös ebenfalls in die Vereinsarbeit fließt.