Reinbek. Architektonische Juwelen sind seit mehr als einem Jahr nicht weiter saniert worden. Eigentümer Roskothen verrät die Gründe.

Noch im Februar atmete man auf in Reinbek: Denn das Makler-Unternehmen Pipping Immobilien hatte nach monatelangem Kampf ein vorläufiges Insolvenzverfahren überwunden. 16 Mitarbeitende rund um Chef Heiner Marcus Roskothen dürfen weitermachen, die Firma ist wieder zur Ruhe gekommen und zurück in den Stammsitz an der Bahnhofstraße 12 in Reinbek gezogen. Dafür wurde die ehemalige Hypovereinsbank im gleichen Haus als neuer Verkaufs- und Beratungsbereich eingerichtet. Roskothen ist zufrieden, wie die Geschäfte jetzt laufen.

Eigentlich jedoch hatte die Maklerfirma in den einstigen Rowohlt-Komplex an der Böge ziehen wollen. Doch daraus wurde nichts: Auf der dortigen Baustelle, wie auf der Baustelle der Villa am Völckers Park, stocken die Arbeiten seit mehr als einem Jahr. Die Gebäude, übrigens beide im privaten Besitz der Familie Roskothen, stehen seit 2019, seit dem Wegzug des Rowohlt-Verlages in die Hamburger Innenstadt, leer. Im September 20 gab Heiner Roskothen bekannt, dass er dort einen „Unternehmer-Campus“ installieren wolle. Jetzt gibt er auf: „Wir müssen verkaufen“, sagt er und betont: „Diese Projekte waren allerdings niemals Teil der Insolvenzmasse. Die Objekte ehemaliges Rowohlt-Verlagsgebäude sowie die ,Bäckerschule‘ werden frei am Markt verkauft.“

Ex-Rowohlt-Gebäude: Eigentümer muss jetzt verkaufen

Wie schwer dem Immobilienfachmann dieser Schritt fällt, ist ihm anzusehen. „Wir hatten interessante potenzielle Mieter auch für das geplante Café an der Hand, leider haben die sich mittlerweile aus Zeitgründen anders orientiert“, erzählt er. Von seinem Konzept einer moderneren Bürofläche im Stil der 60er-Jahre für junge, dynamische Unternehmen im Herzen von Reinbek ist er noch heute überzeugt. Dr. Philip Seifert, seit März Leiter des Landesamtes für Denkmalpflege des Landes Schleswig-Holstein, bestätigt ihn: „Für das Rowohlt-Verlagsgebäude wurde in der Vergangenheit ein hervorragendes Sanierungskonzept erarbeitet“, erklärt er. Von den Verkaufsabsichten weiß der Chef-Denkmalpfleger zu dem Zeitpunkt noch nichts.

Auch die Villa Völckers steht jetzt zum Verkauf, dort könnte ein Ärztehaus entstehen.
Auch die Villa Völckers steht jetzt zum Verkauf, dort könnte ein Ärztehaus entstehen. © Susanne Tamm | Privat

Das Projekt sei an den ständigen Verzögerungen und den gleichzeitig steigenden Baukosten nach der Energiekrise sowie an den gestiegenen Zinsen gescheitert, erläutert Roskothen und räumt ein: „Ich habe die bauphysikalische Komplexität des Bauwerks unterschätzt.“ Das heißt? „Der Sanierungsaufwand ist höher gewesen, als ursprünglich geplant.“ Er lässt durchblicken, dass die Abstimmung mit dem Denkmalschutz unter dem Vorgänger Philip Seiferts auch nicht immer einfach war.

Landesdenkmalpflege steht Photovoltaik offen gegenüber

Der aktuelle Leiter der Landesdenkmalpflege sagt nun wiederum: „Die Denkmalschutzbehörden haben die Montage einer Photovoltaik-Anlage in Kombination mit einer Hybridheizung aus Gas und Geothermie nicht abgelehnt.“ Bei einem Ortstermin im Dezember 2022 sei von der unteren Denkmalschutzbehörde des Kreises Stormarn zugesagt worden, eine Photovoltaik-Anlage zu genehmigen. Die erforderlichen Genehmigungsanträge seien jedoch noch nicht gestellt worden.

Die Sanierung der Fenster, der Heizung sowie sämtlicher Leitungen inklusive der Elektrik ist begonnen, aber noch nicht abgeschlossen worden. Pipping Immobilien, dessen geschäftsführender Gesellschafter Roskothen ist, vermakelt die Gebäude courtagefrei, sie werden jeweils gegen Höchstgebot verkauft. Ernsthafte Interessenten können auch Einsicht in die Konzepte und die jüngsten Kostenkalkulationen für den Unternehmer-Campus und das Ärztehaus in der Villa Völckers nehmen. „Mir liegt daran, dass sich dort etwas Gutes für Reinbek entwickelt“, sagt Heiner Roskothen.

„Ein geniales Stück Architekturgeschichte“

1400 Quadratmeter entkernte Nutzfläche sind eine Herausforderung, haben aber auch ein immenses Potenzial. Künftige Eigentümer hätten dort noch alle Möglichkeiten: „Dort ist eigentlich alles denkbar, allerdings kein Wohnen“, sagt Heiner Roskothen. „Büros, Altenpflege, Verwaltung oder Schule.“ Er habe auch schon daran gedacht, auf den großzügigen Grünflächen zwischen den Gebäuderiegeln Tiny House für weitere Büros zu errichten.

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Auch Horst Schlund, Architekt des Reinbeker Rathauses und Zeitgenosse des Rowohlt-Architekten Fritz Trautweins, springt für den Gebäudekomplex an der Böge in die Bresche: „Das ist ein geniales Stück Architekturgeschichte, so etwas gibt es in Schleswig-Holstein nicht noch einmal“, sagt der 89 Jahre alte Experte. „Dieses Gebäude muss unbedingt gerettet werden. Der Eingangsbereich mit diesem Pylon-artigen Schornstein, mit dem kleinen Platz davor. Das ist wunderbar.“ Dass auf der Baustelle nichts mehr passiert, macht ihm Sorge. „Die Bewirtschaftung ist wichtig für das Gebäudeklima. Wenn es zu lange leer steht, ist der Verfall programmiert“, sagt Schlund.

In der Villa Völckers ist ein Ärztehaus genehmigt

Julia Voß (SPD), Mitglied im Reinbeker Bauausschuss und ebenfalls Architektin, macht sich weniger Sorgen um das Objekt: „Es ist vielleicht bautechnisch noch nicht auf dem neuesten Stand, aber es sind Fenster drin, es hat ein Dach und eine intakte Gebäudehülle“, sagt die Sozialdemokratin. Auf jeden Fall sei der Komplex ein großes Stück Reinbeker Geschichte mit einer hohen Aussagekraft.

Der Gebäudekomplex von Fritz Trautwein, Baujahr 1959 schmiegt sich in die Landschaft.
Der Gebäudekomplex von Fritz Trautwein, Baujahr 1959 schmiegt sich in die Landschaft. © Heiner Roskothen | Privat

Für die Villa Völckers liegt bereits eine Genehmigung für ein Ärztehaus mit vier Gewerbeeinheiten vor. Eine Nutzung für Büros oder Wohnungen wäre für die Gründerzeitvilla ebenfalls denkbar. Das Dach ist neu gedeckt worden, die Fenster sind bereits saniert. Mit einem neuen Fassadenanstrich und mit dem Einbau einer neuen Heizung ist begonnen worden.

Repräsentative Villa war schon Lazarett und Bäckerschule

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte die fünfgeschossige Villa mit gut 900 Quadratmetern Nutzfläche dem Kaufmann Oscar Völckers. 1937 kam das Bauwerk in den Besitz des „Reichsinnungsverbandes des Bäckerhandwerks“, der es als Fachschule nutzte. Noch heute ist die Villa daher auch als die „alte Bäckerfachschule“ bekannt. Ab Dezember 1944 diente das repräsentative Gebäude als Lazarett, nach Kriegsende wurde es Sitz der damaligen Gemeindeverwaltung Reinbek, bevor Verleger Ernst-Maria Rowohlt das Gelände erwarb.

Interessenten erreichen Pipping Immobilien unter Telefon 040/40113360.