Reinbek. DHL-Group hat jetzt die Briefkästen demontiert, auch das Erdgeschoss wird saniert. Auf der anderen Straßenseite hagelt es Beschwerden.
Seit mehr als einem Jahr ist das alte Postamt an der Sophienstraße 1 geschlossen und steht seitdem leer. Vor einem Monat wurden jetzt auch noch die Briefkästen und die alten Beschilderungen demontiert. Seitdem ist das Ehepaar Le Van Anh und ihr Mann Nguyen Le Huy unfreiwillig in Erklärungsnöte geraten. Denn die beiden betreiben den Kiosk als Partnerfiliale der Deutschen Post an der Bahnhofstraße schräg gegenüber. Die frustrierten Postkunden kommen jetzt zu ihnen und laden ihren Ärger bei ihnen ab. „Alle schimpfen“, sagt Nguyen Le Huy. „Dabei wurden wir auch nicht näher informiert.“ Die Briefe nimmt er aber zu seinen Geschäftszeiten gern an.
Am Zaun zum Hinterhof des einstigen Postgebäudes hängt das Schild einer Sanierungsfirma. Offenbar wird im Innern des Hauses eifrig gewerkelt. Die historischen Metallletter „Postamt“ prangen noch über der Eingangstür. Nach Informationen von Nguyen Le Huy soll dort ein Orthopäde mit seiner Praxis einziehen.
Post in Reinbek: Zahnärztin will im alten Postamt Praxis eröffnen
Das stimmt so nicht ganz: Laut der beauftragten h.i.p. Grundstücksverwaltung ist es eine Zahnärztin, die den Mietvertrag für das zweite Obergeschoss zum 1. Juli 2024 unterzeichnet hat. Wann sie ihre Praxis eröffnet, steht allerdings noch nicht fest. Für die Vermietung des Erdgeschosses laufen derzeit Gespräche, der Vertrag sei aber noch nicht unterzeichnet.
Die Briefkästen aber seien auf Initiative der Deutschen Post – heute DHL-Group – abmontiert worden. Dazu sagt DHL-Sprecher Tobias Buchwald: „Die beiden Briefkästen in der Sophienstraße 1 in Reinbek haben wir auf Wunsch des Vermieters abbauen lassen.“ Derzeit laufe die Suche nach einem Standort für einen neuen Briefkasten.
Post in Reinbek: 17 Briefkästen gibt es noch in der Stadt
Die nächsten Briefkästen stehen übrigens nicht weit entfernt zwischen der Polizei und dem Jobcenter gegenüber dem S-Bahnhof in der Sophienstraße 7 sowie vor dem Rathaus an der Hamburger Straße. Darauf weist auch Tobias Buchwald hin: „In fußläufiger Entfernung zum ehemaligen Standort“, betont er. „Darüber hinaus befinden sich weitere drei Briefkästen in weniger als 500 Meter Entfernung.“ Insgesamt gebe es in Reinbek 17 Briefkästen. Sie werden montags bis freitags um 15.30 Uhr und um 16 Uhr geleert.
Alle Standorte, die Adressen und Öffnungszeiten der umliegenden Partner-Filialen und Paketshops, die nächstgelegenen Briefkästen samt Leerungszeiten sowie die Standorte der rund um die Uhr erreichbaren DHL-Packstationen sind unter www.postfinder.de im Internet abzurufen. Selbstverständlich nehmen auch Le Van Anh und Nguyen Le Huy Post an. Sie öffnen ihren Kiosk montags bis freitags von 8.30 bis 13 Uhr und von 14 bis 18 Uhr sowie sonnabends von 9 bis 13 Uhr. Sonntags ist geschlossen.
Post in Reinbek: Historisches Postgebäude wurde erweitert
Eine amtliche Poststation hat es in Reinbek schon seit dänischen Zeiten, seit 1845 gegeben. 1867 wurde die in Preußen übliche Poststruktur auch auf die damals neue Provinz Schleswig-Holstein übertragen, mit Kiel als Sitz der Oberpostdirektion. Nach der Reichsgründung 1871 kam das Postwesen in die Zuständigkeit des Kaiserreiches. Man unterschied damals Postämter erster, zweiter und dritter Klasse. 1875 wurde Reinbeks Poststation zum Postamt dritter Klasse erhoben. Die Diensträume lagen zu dieser Zeit im Güterschuppen auf dem Bahnhofsgelände – dort, wo heute der Autoparkplatz an der Ladestraße südlich der Bahngleise liegt.
An der Sophienstraße wurde von 1902 bis 1903 ein „Kaiserliches Postamt“ im Stil der Reformarchitektur, auch Heimatschutzstil genannt, errichtet. Charakteristisch waren als „deutsch“ empfundene traditionelle, regionale Materialien wie Backstein und Fachwerk. Der damalige Ziergiebel des Postgebäudes war in der Landhausarchitektur beliebt. Die Baupläne lieferte der Reinbeker Architekt Hugo Louis. Ab 1905 hatte Reinbek ein Postamt zweiter Klasse.
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Post in Reinbek: Privater Postverkehr nimmt rapide ab
1950/51 wurde das Gebäude umgebaut und erweitert. Denn Reinbeks Einwohnerzahl hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit knapp 9700 Einwohnern mehr als verdoppelt, 1939 waren es noch gut 4000 (Quelle: Stormarn-Lexikon) gewesen. Heute hat Reinbek 28.500 Einwohner, die DHL spart mittlerweile an eigenen Postämtern und setzt auf Postfilialen, Packstationen und Paketshops. Denn die Lohnkosten steigen, Fachkräfte sind knapp und der private Postverkehr nimmt rapide ab.