Ahrensburg. MetaWindow soll erstmals an der neuen S4-Strecke in Ahrensburg zum Einsatz kommen. Wie hoch die Wand werden soll.
Für die Deutsche Bahn sind die von ihr entwickelten transparenten Schallschutzwände nicht weniger als eine Weltneuheit. In der Praxis kommt die Innovation, die mehr Durchblick und weniger Lärm bietet, erstmals an der neuen Bahnlinie S4 zwischen dem Hamburger Hauptbahnhof und Ahrensburg zum Einsatz. In Stormarns größter Stadt war der Widerstand gegen die zunächst präsentierten herkömmlichen Lärmschutzwände besonders massiv: Sie würden die 35.000-Einwohner-Stadt in zwei Teile zerschneiden.
Nun sollen die durchsichtigen Elemente die sechs Meter hohe Mauer auflockern. „Die transparenten und hochabsorbierenden Lärmschutzwände sollen in den Bereichen der Ahrensburger Innenstadt eingesetzt werden, in denen die Sichtachsen im barocken Stadtgrundriss unterbrochen werden würden“, sagt Peter Mantik, Sprecher der Bahn für die Großprojekte S4 und Fehmarnbelt-Querung. „Dies betrifft insbesondere die Bereiche Hagener Allee und Manhagener Allee.“
S4: Deutsche Bahn setzt beim Lärmschutz auf Weltneuheit MetaWindow
Die genauen Einsatzorte und Längen werde die Bahn in Abstimmung mit der Stadt Ahrensburg festlegen. Das Konzept sieht auf nordwestlicher Seite eine mehr als fünf Kilometer lange und sechs Meter hohe Lärmschutzwand vor. Sie reicht von den ersten Häusern an der Hamburger Straße (L82) im Ortsteil Wulfsdorf bis hinter den Bahnhof Gartenholz. Dort folgen im Anschluss in Richtung Delingsdorf zunächst vier Meter Höhe und an der neuen S-Bahn-Abstellanlage drei Meter.
Auf der anderen, südöstlichen Seite sollen die sechs Meter hohen Wände auf etwa eineinhalb Kilometern vom Bahnhof Ahrensburg bis zur Brücke über den Ostring aufgestellt werden. Zuvor sind es in einem kurzen Abschnitt von der Brückenstraße vier Meter Höhe. Im Bereich Brauner Hirsch/Stellmoorer Tunneltal soll außerdem die Siedlung Am Hagen mit drei Meter hohen Wänden vor dem Bahnlärm geschützt werden.
S4: Metatechnologie absorbiert gezielt bestimmte Frequenzbereiche
Die DB und das italienische Startup Phononic Vibes haben das neue System unter dem Namen MetaWindow gemeinsam von der Forschung bis zur Zulassung entwickelt. Es kombiniert die lärmabsorbierenden Eigenschaften herkömmlicher Wände mit den optischen Vorzügen transparenter Schallschutzwände. Schlüssel dafür sei der Einsatz von Metatechnologie, die durch eine spezielle Geometrie des Schallschutzsystems den akustischen Wirkungsgrad im Vergleich zu herkömmlichen Systemen erhöht. In diesem Monat wurde das MetaWinwow beim Greentech Festival in Berlin erstmals vorgestellt
Die innovative Metatechnologie kann durch ihre spezielle Geometrie gezielt bestimmte Frequenzbereiche absorbieren. MetaWindow sei die erste Wand auf dem Markt, die eine hohe Schalldämmung von 34 bis 37 Dezibel erreiche und gleichzeitig den Anteil durchsichtiger Flächen bis zu 72 Prozent erhalte. Die bisher verfügbaren transparente Lärmschutzwände sind laut DB deutlich weniger effektiv in der Schallreduktion und daher entsprechend der gesetzlichen Vorgaben für den flächendeckenden Einsatz entlang der Schiene ungeeignet.
Deutsche Bahn setzt an S4-Strecke auf MetaWindow: Anwohner und Reisende sollen profitieren
„Bei der transparenten Lärmschutzwand müssen sich Kommunen nicht mehr zwischen Optik und Funktionalität entscheiden“, sagt DB-Infrastrukturvorstand Berthold Huber. Zum Erreichen der Klimaschutzziele sei es nötig, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, das Netz auszubauen und zu erweitern. Huber: „Doch nur wenn der Schienenverkehr leiser wird, können wir bei Anwohnerinnen und Anwohnern auch die nötige Akzeptanz dafür gewinnen. Genau da setzt das innovative MetaWindow an.“
Das System ist für Orte von hoher Sensibilität konzipiert, an denen Lärmschutzwände gesetzlich vorgeschrieben sind. Aufgrund des großen ortsbildprägenden Einflusses betreffe dies vor allem Bahnstrecken in exponierter urbaner Lage, in touristischen Bereichen, in der Nähe von Wohnbebauung und in spektakulären oder geschützten Naturlandschaften. Davon profitieren Anwohnende genauso wie Reisende, die einen unverbauten Blick während der Zugfahrt haben.
„Das MetaWindow vermeidet die Zerschneidung von Sichtachsen und fügt sich besser in das Umgebungsbild ein“, heißt es in einer Mitteilung der Bahn. Die DB hofft nun, dass das Einspruch- und Klageaufkommen beim Bau von Lärmschutzwänden deutlich minimiert werden kann. Das wirke sich wiederum direkt mit kürzeren Realisierungszeiträumen aus.
MetaWindow: Zusammenarbeit mit Hersteller startete 2020
Die Zusammenarbeit von Phononic Vibes und der DB Bahnbau Gruppe, einem Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, startete 2020. Das MetaWindow koste aufgrund der aufwendigeren Bauweise mehr als eine herkömmliche Lärmschutzwand. „Dies betrifft jedoch ausschließlich die reinen Materialkosten des Lärmschutzelementes und nicht die weiteren Kosten, die bei dem Bau einer Lärmschutzwand zum Tragen kommen wie beispielsweise Personal und Material für die Gründung und Montage.“ In Relation zu den gesamten Baukosten sowie in Anbetracht des Einsparpotenzials durch zügigere Planfeststellungsverfahren aufgrund höherer Akzeptanzquoten könne der Mehrwert durch den Einsatz des MetaWindow die Mehrkosten deutlich überwiegen.
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Für die neue S-Bahn-Strecke auf Stormarner Gebiet sei das ohnehin keine Frage. Bahnsprecher Peter Mantik bekräftigt: „Die Finanzierung für die S4 ist gesichert – ohne Mehrkosten für Ahrensburg.“ Die DB hat sich das Lärmschutz-Ziel gesetzt, bis 2050 alle und bis 2030 mehr als die Hälfte der betroffenen Anwohner zu entlasten. Unter anderem sollen bis 2030 circa 3250 Streckenkilometer und bis 2050 circa 6500 Streckenkilometer des Bestandsnetzes lärmsaniert werden.
S4: In Ahrensburg müssen zahlreiche Brücken erneuert werden
Die S4 soll Ende 2029 zwischen Bad Oldesloe, dem Hamburger Hauptbahnhof und Altona pendeln. Bis Rahlstedt könnte die Neubaustrecke schon Ende 2027 fertiggestellt sein. In der Hauptverkehrszeit ist ein Zehn-Minuten-Takt bis Ahrensburg vorgesehen. Die Bauarbeiten im ersten Abschnitt auf Hamburger Gebiet haben im Mai 2021 begonnen. In Ahrensburg werden sich über Jahre mehrere Großbaustellen aneinanderreihen. Unter anderem werden zusätzliche Gleise verlegt, etliche Brücken und die Haltestelle Ahrensburg West neu gebaut.
Die jüngste Schätzung der Gesamtkosten liegt bei 1,85 Milliarden Euro. Der Bund übernimmt mit circa 84 Prozent den Großteil der Kosten. Die restlichen rund 290 Millionen Euro teilen die Stadt Hamburg (70 Prozent) und das Bundesland Schleswig-Holstein (30 Prozent) unter sich auf.