Oststeinbek. Vermieter von Elektrorollern zieht Flotte aus Stormarns Süden ab und schließt eine Rückkehr kategorisch aus – mit dieser Begründung.

Neue Mobilitätsangebote bereitstellen, um die Verkehrswende zu schaffen und damit einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten: Der rund 9000 Einwohner zählenden Gemeinde Oststeinbek ist das gelungen. Sie gewann den E-Scooter-Anbieter Lime. Rund 100 Elektroroller konnten sich Menschen dort ausleihen, die Politik als Wegbereiter war glücklich genauso wie Bürgermeister Jürgen Hettwer. Das hat sich inzwischen geändert. Man ist frustriert. Denn das Unternehmen hat seine Aktivitäten in der Stormarner Kommune nach kurzer Zeit beendet. Die Verwaltung will diese bittere Pille nicht so einfach schlucken und kämpft um eine Wiederaufnahme des Betriebs.

„Wir haben einiges an Arbeit in das Projekt gesteckt“, sagt Hettwer. Und damit meint er nicht nur personelle Ressourcen im Rathaus, die für den Abstimmungsprozess mit Lime eingesetzt wurden. „Wenn Meldungen von Rollstuhlfahrern kamen, dass die Scooter auf dem Gehweg liegen und ein Hindernis waren, sind Kollegen vom Bauhof vorbeigefahren und haben sie zur Seite gestellt.“ Das sei eigentlich nicht Aufgabe der Gemeinde. Man war also bemüht, eine möglichst hohe Akzeptanz zu erreichen bei der Bevölkerung. Die Geräte sollten nicht als störend empfunden werden auch von jenen, die sie nicht nutzen. Es waren keine zentralen Abstellorte festgelegt. Nutzer konnten die Tretroller überall parken. Mitunter standen gleich mehrere in Seitenstraßen aneinandergereiht vor Einfamilienhäusern.

Lime war 2023 mit Elektro-Rollern nur vier Monate in Oststeinbek

Das E-Scooter-Aus für Oststeinbek kommt dennoch nicht völlig überraschend. Zuletzt ruhte der Geschäftsbetrieb. Im September hatte Lime die Flotte abgezogen. Damals war die Rede von einer Winterpause. Manch einer ahnte nichts Gutes. Der Bürgermeister erklärte jedoch seinerzeit, dass er die Zusage erhalten habe für eine Rückkehr im Frühjahr dieses Jahres. Daran hat sich Lime nicht gehalten und dem Verwaltungschef vor Kurzem seinen Entschluss mitgeteilt. Die Auslastung war für die Firma alles andere als zufriedenstellend. Bekannt sind folgende Zahlen: Im Juni und Juli 2023 lagen die Ausleihen bei 511 sowie 998. Umgerechnet auf den sogenannten TVD-Wert (Trips vehicle day) sind das 0.31 und 0.37. Nach Angaben des Sharing-Anbieters muss dieser bei mindestens 0.5 liegen, damit ein Standort wirtschaftlich ist. Für August und September will Lime dieser Redaktion keine Daten nennen.

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Doch muss man wirklich so schnell das Handtuch werfen? Lime war erst im Juni in Oststeinbek an den Start gegangen. Die Gemeinde spricht von einer ohnehin verkürzten Saison und führt zudem eine Regenzeit in der ersten Auswertungsphase ins Feld. „Wir wünschen uns eine zweite Periode, um einen Vergleichswert herzustellen“, sagt Damian Schwichtenberg, Fachbereichsleiter Bürgerservice. Er hat das Unternehmen vor zwei Wochen angeschrieben, bittet um Verlängerung des Probebetriebs. Die Rückmeldung steht aus.

Unternehmen nimmt Abstand von Engagement in Reinbek

Eine Kehrtwende scheint jedoch ausgeschlossen. Eine Anfrage zur Situation in der Gemeinde beantwortet Lime so: „Der Markt wandelt sich ständig, und als privatwirtschaftliches Unternehmen, das im Gegensatz zu anderen öffentlichen Mobilitätsformen frei von staatlichen Subventionen ist, evaluieren wir regelmäßig unser Angebot je Stadt. Dabei achten wir vor allem darauf, dass ein in der Langfristigkeit nachhaltiger, effizienter und wirtschaftlich sinnvoller Betrieb gewährleistet ist, dies sahen wir zuletzt in Oststeinbek leider nicht.“ Genauso fällt das Urteil über Reinbek aus. Dort sprach auf Initiative der Verwaltung ein Vertreter im April vor Politikern im Ausschuss für Umwelt und Verkehrsplanung. Er erklärte zum Beispiel die Funktionalitäten der App, beantwortete diverse Fragen. Von einem Engagement in Stormarns zweitgrößter Stadt nimmt der E-Scooter-Anbieter aber Abstand.

Beim Nachbarn Glinde wird es auch nichts, obwohl Lime dort Ambitionen hatte. „Das Unternehmen wäre auf unsere Forderung mit festen Stellplätzen eingegangen“, sagt Bürgermeister Rainhard Zug. Eine politische Mehrheit für die Roller sei im vergangenen Herbst jedoch nicht absehbar gewesen. Deshalb hat Zug keine weiteren Verhandlungen geführt. Der Rathauschef: „Ich habe es sehr positiv gesehen. Die E-Scooter wären für unsere Stadt ein Gewinn gewesen.“

Autovermieter Miles will Verkehrswende in der Region voranbringen

Lime mit Hauptsitz im kalifornischen San Mateo ist nach eigenen Angaben in fast 30 Ländern auf fünf Kontinenten aktiv und inzwischen profitabel, verleiht auch Elektro-Fahrräder. 2023 verbuchte die Firma 150 Millionen Fahrten, steigerte den Umsatz auf 616 Millionen Dollar. Der bereinigte Ebitda-Gewinn betrug 90 Millionen Dollar.

Der Süden Stormarns ist für Lime aus unterschiedlichen Gründen kein gutes Terrain. Die Verkehrswende in der Region könnte jedoch ein anderes Mobilitätsangebot vorantreiben. Wie berichtet, will das Carsharing-Unternehmen Miles weiter ins Hamburger Umland expandieren. Im März wurde Wentorf im Kreis Herzogtum Lauenburg in das Geschäftsgebiet aufgenommen. Nach rund zwei Monaten sind laut dem Anbieter mehr als zehn Prozent der dortigen Bevölkerung angemeldet, bis zu 40 Fahrzeuge stehen zur Vermietung bereit. Vor eineinhalb Wochen überraschte Miles bei einr Videokonferenz Bürgermeister mit einer Absichtserklärung. Reinbek soll zuerst angebunden werden, dazu Glinde, Oststeinbek und Barsbüttel. Bevor man Starttermine kommuniziert, müssen mit den Kommunen Gebiete für das Abstellen der Autos definiert werden. Miles ist wichtig, dass in den Bereichen Parkzeitbegrenzungen wegfallen.