Reinbek/Barsbüttel. Vom Schmerz zur Mitteldistanz: Eine Extremsportlerin aus Reinbek bereitet sich auf einen ganz besonderen Triathlon vor.

Der Sonntag ist fest getaktet: morgens eineinhalb Stunden joggen, mittags 2000 Meter schwimmen und abends 90 Minuten mit dem Rad auf der Rolle fahren. An weiteren fünf Tagen in der Woche stehen mindestens zwei Trainingseinheiten auf dem Programm. Verena Godersky spult ein gewaltiges Pensum ab, bringt sich in Form für den Viking-Triathlon am 23. Juni in Schleswig. Dort geht sie erstmals über die Mitteldistanz an den Start, schwimmt 1,9 Kilometer im Wasser, fährt 90 Kilometer mit dem Rad und läuft dann einen Halbmarathon über 21,1 Kilometer.

Das ist außergewöhnlich. Denn bei der Reinbekerin wurde vor 18 Jahren rheumatoide Arthritis diagnostiziert. Bei der Autoimmunerkrankung greift das körpereigene Abwehrsystem die Innenhaut der Gelenke an. Die Beschwerden waren erheblich. 2017 begann sie mit dem Extremsport und ist momentan schmerzfrei.

Wegen Rheuma hat sie auch die Ernährung umgestellt

Dabei hatten ihr Ärzte lange davon abgeraten, so viel Sport zu treiben. Dass ihr Wohlfühlfaktor jetzt stimmt, liegt auch an der Ernährung. Diese hat Godersky umgestellt, lebt nahezu vegan mit Ausnahme von Eiern. Sie verzichtet auf Lebensmittel mit schlechten Kohlenhydraten. Dazu gehören Weißbrot, weißer Reis und Nudeln aus Weizengrieß. Fleisch war schon davor tabu.

Vegetarierin ist die 43-Jährige seit der Jugend. Ihr klassisches Frühstück sieht so aus: warme Haferflocken mit Früchten, Nüssen und Sojajoghurt. Bis zu fünf Mahlzeiten nimmt die Frau täglich zu sich. Schließlich verbrennt sie durchschnittlich rund 3000 Kalorien. Die Speicher müssen aufgefüllt werden. Der Verzicht auf alte Gewohnheiten fällt ihr nicht schwer. Wobei sie Ausnahmen macht. „Gelegentlich esse ich eine Pizza“, sagt sie. „Süßigkeiten gehören Weihnachten und Ostern dazu.“

Früher spielte die Reinbekerin Eishockey in einem Männerteam

Zu einem angepassten Ernährungsplan in Kombination mit Extremsport hatte eine Medizinerin aus Reinbek ermutigt. Ihr Konzept fruchtete, Godersky wiegt jetzt 60 Kilogramm bei einer Größe von 1,69 Meter, ist durchtrainiert und von den Qualen erlöst. Bevor sie mit Triathlon begann, waren es 73 Kilo. Ganz ohne Medikamente geht es allerdings nicht. Die Mutter eines vierjährigen Sohnes nimmt den Wirkstoff Hydroxychloroquin, der auch zur Prophylaxe und Behandlung von Malaria verwendet wird. Den verträgt sie im Gegensatz zu Methotrexat, bekannt aus der Chemotherapie. Ein Rheumatologe hatte versucht, ihr damit zu helfen. „Die Folgen waren Müdig- und Übelkeit“, sagt Godersky.

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Sport bedeutet ihr viel. Reiten und Ballett waren Hobbys in der Kindheit. Sie spielte Fußball, mit der Tennismannschaft höherklassig und bis zum Beginn des kunsthistorischen Studiums Eishockey: als einzige Frau in einem Herrenteam in der Hobbyliga. Godersky liebt den Wettkampf. „Im Alter von 25 Jahren war ich plötzlich ständig erkältet, der linke Zeh begann zu schmerzen und das Handgelenk. Es kam immer schubweise.“ Der Verdacht auf Gicht erhärtete sich nicht. Stattdessen kam heraus: Es ist Rheuma. Bereits ihre Mutter und die Oma schlugen sich damit herum. In Deutschland haben rund ein Prozent aller Erwachsenen die Autoimmunerkrankung, meist entwickelt sie sich nach dem 50. Lebensjahr.

Ständige Schmerzen führten zu depressiven Verstimmungen

Für Godersky, bei der Gemeinde Barsbüttel angestellt als Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, begann eine lange Leidenszeit. Sie schluckte Ibuprofen und nahm Kortison, das linderte die Schmerzen teilweise. Von einem normalen Leben war sie weit weg. Und der Zustand verschlimmerte sich. Sie konnte mitunter nicht mehr auftreten, Handgelenke und Ellbogen schwollen an, dazu kamen depressive Verstimmungen – damit ist es nun vorbei.

Die Idee, sich auf Triathlon zu fokussieren, entstand bei einem Pina-Colada-Cocktail mit ihrem Lebensgefährten auf der heimischen Couch. Sechs Monate Training, dann der erste Wettkampf in Hamburg 2017: die sogenannte Sprintdistanz, 500 Meter schwimmen, 20 Kilometer auf dem Rad und fünf Kilometer laufen. Das war der Appetitanreger. Wegen eines Bänderrisses sowie der Schwangerschaft war aber erst mal eine längere Pause angesagt. 2021 ging es wieder los mit den Übungseinheiten. In jenem Jahr stellte sie auch die Ernährung um. Godersky bewältigte die olympische Distanz. Ihre Bestzeit für 1,5 Kilometer im Wasser, 40 Kiloeter auf dem Rad und zehn Kilometer Laufstrecke liegt bei drei Stunden und zwei Minuten.

Ziel ist die Teilnahme an einer Weltmeisterschaft

Unter der Woche schwingt sie sich schon um 5 Uhr morgens auf den Sattel oder schwimmt vor der Arbeit im Tonteich sowie im Reinbeker Freizeitbad, um das Rheuma in Schach zu halten und ihre Ziele zu verwirklichen. „In den nächsten zehn Jahren möchte ich mich für eine Weltmeisterschaft über die Mitteldistanz qualifizieren“, sagt Godersky. Das gelingt mit guten Ergebnissen bei sogenannten Ironman-Wettbewerben. Die Athletin der TSV Reinbek plant, ab 2025 zwei Ironman jährlich zu absolvieren, hat dabei die Veranstaltungen in Estland und Polen im Blick.

Das Radfahren ist ihre schwächste Disziplin, Schwimmen hingegen die Stärke. Im kommenden Jahr will sich Godersky ein neues Rennrad für rund 5000 Euro zulegen, das aktuelle hat sie für 550 über Ebay erworben. Es ist gerade in der Werkstatt gewesen. Diesmal konnte sie nicht selbst reparieren, „obwohl ich langsam zur Zweiradmechanikerin werde“. Sie hat oft an dem Gerät geschraubt.

Über ihr Triathlontraining berichtet Godersky auf Instagram, gibt dort auch Ernährungstipps: „Ich will Mut machen, neue Wege zu gehen, Bewegung trotz Einschränkungen zu versuchen und ein positives Lebensgefühl vermitteln.“ Andere Menschen macht sie auch bei der TSV Reinbek fit. Die Powerfrau ist Medizinische Trainerin und Gesundheitscoach mit A-Lizenz, gibt Yoga - und Seniorensportkurse.