Bargteheide. Stehen Denkmalschutz und moderne Stadtplanung im Widerspruch? Noch ein Gebäude im Umfeld des Bahnhofs Bargteheide bereitet Probleme.
Wie schwierig es ist, eine gewachsene Siedlungsstruktur mit den Erfordernissen des modernen Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Einklang zu bringen, zeigt sich exemplarisch am Bahnhof Bargteheide. Die 1865 entstandene, antiquiert wirkende Anlage muss aufwendig modernisiert werden und wachsen. Doch dafür braucht es Platz – der im unmittelbaren Umfeld aber nur bedingt zur Verfügung steht. Die Bahnhofstraße ist insbesondere für die Busverkehre ohnehin nur unzureichend dimensioniert. Doch darüber hinaus nutzbare alternative Verkehrsflächen sind rar. Nicht zuletzt deshalb, weil der Denkmalschutz notwendigen Entwicklungsoptionen Grenzen setzt. Möglicherweise umziehen muss das historische Stellwerk.
„Es ist eine Tatsache, dass uns wichtige Flächenpotenziale nicht zur Verfügung stehen. Das nimmt uns Gestaltungsspielraum und macht eine Überplanung des Bahnhofsumfelds schwierig“, sagt Bürgermeisterin Gabriele Hettwer. Dieser Befund betrifft nicht nur die Ostseite mit dem seit dem Vorjahr denkmalgeschützten Wacker-Areal An den Stücken. Er betrifft in noch viel stärkerem Maße die Westseite. Und das stellt ein gewaltiges Problem dar.
S4 in Bargteheide: Muss historisches Stellwerk umziehen?
Wie bereits berichtet, hatte die Bahn ihre Um- und Ausbaupläne für den Bahnhof Bargteheide im Zusammenhang mit dem Neubau der S4 nach geharnischter Kritik der Stadt revidiert und überarbeitet. Sollte der Hauptfahrgastverkehr ursprünglich zu 80 Prozent über zwei neue Bahnsteige auf die Ostseite abgewickelt werden, so konzentriert er sich jetzt weiter auf die Westseite.
Geplant ist dort nun ein großer, von zwei Gleisen eingefasster Mittelbahnsteig. Der ist allerdings so dimensioniert, dass nicht nur ein Teil der Fahrradrampe überbaut werden muss. Zudem werden wohl bis zu 34 Park-and-ride-Parkplätze entfallen und ein Großteil der Fahrradabstellanlagen an der Bahnhofstraße, die aktuell für 90 Plätze ausgelegt sind.
Fachwerkbau als lebendiges Zeugnis der Kaiserzeit
Im Weg ist aber vor allem das alte Stellwerk südlich des Bahnhofsgebäudes. Einfach abreißen und entsorgen ist jedoch keine Option. Denn das Bauwerk steht seit November 2011 ebenso unter Denkmalschutz wie der Bahnhof selbst. Zwar taugte es nach dem Ausbau der Stellwerkstechnik 1983 nicht mehr zum technischen Denkmal. Laut Landesamt für Denkmalschutz aber allemal als Baudenkmal.
„Es handelt sich um einen älteren Stellwerkstypus in Fachwerkbauweise auf achteckigem Grundriss“, so die Behörde. Das allseitig abgewalmte und überkragende Dach ruhe im Bereich der Traufe auf hölzernen, profilierten Konsolen, die direkt an die Fachwerkpfosten anschlössen. Damit sei das Gebäude „ein Zeugnis für den hohen gestalterischen Anspruch und Aufwand während der Kaiserzeit“ selbst bei kleineren Funktionsbauten. Genau das begründe seinen „künstlerischen Wert“.
Kunstkreis beobachtet Entwicklung besonders aufmerksam
Insbesondere der Kunstkreis Bargteheide, dessen Domizil das Stellwerk seit 40 Jahren ist, beruhigt der Denkmalschutz-Status ungemein. „Wir waren sehr überrascht, als wir vom Sinneswandel der Bahn erfahren haben, waren die Planungen zuvor doch gänzlich anders ausgerichtet“, sagt Uwe Schildmeier, erster Vorsitzender des Vereins. Nun sehe man der weiteren Entwicklung gespannt entgegen.
Für 16 Künstler sei das Fachwerkgebäude, das 2009 für 51.000 Euro aufwendig saniert worden ist, immerhin regelmäßiger Treffpunkt und Ausstellungsraum. Hier würden zudem Seminare und Fortbildungen stattfinden, wie auch regelmäßige Kurse, etwa im Aktzeichnen. Am 24. Mai beginnt die nächste Jahresschau, deren Werke aus den Bereichen Malerei, Grafik, Zeichnungen, Keramik und Skulpturen diesmal unter dem Motto „Übergänge“ stehen.
Versetzung des Stellwerks ist aufwendig und kostspielig
Durchaus ein passendes Motto angesichts des Umstands, dass das Stellwerk offenbar nicht bleiben kann, wo es sich momentan noch befindet. „Eine Verlagerung ist gemäß den aktuellen Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren unausweichlich“, bestätigte die Bürgermeisterin. Doch wohin mit dem Bau?
Erste Überlegungen für einen neuen Standort nahe der Brücke nach Tremsbüttel wurden schnell wieder verworfen. Zum einen muss laut Denkmalschutzbehörde die Sichtbeziehung zum Bahnhofsgebäude erhalten bleiben. Zum anderen ist die sogenannte Translozierung, also die Versetzung eines Bauwerks, eine kostspielige Angelegenheit. „Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass das Stellwerk nur um so viele Meter verschoben wird, wie für den Bau des S4-Bahnsteigs unbedingt nötig“, so Gabriele Hettwer.
Pavillon verhindert Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes
Auch die Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes verhindert ein denkmalgeschütztes Bauwerk. In diesem Fall handelt es sich um den Pavillon, der heute den Efes Grill beherbergt. Er wurde am 10. April 2019 in die Liste der Kulturdenkmale des Landes Schleswig-Holstein aufgenommen. Was seinerzeit für ebenso viel Verwunderung sorgte wie der Denkmalschutz für das Landhaus Lüneburg, aka Villa Wacker auf der anderen Seite des Bahnhofs.
Der 1968/69 nach Plänen des Hamburger Architekten Peter Rosentreter erbaute Pavillon mit dem Schmetterlingsdach gilt als „seltener Vertreter dieser Baugattung“. Durch seine bodentiefen Glasflächen zeige sich eine besondere gestalterische Qualität, die Leichtigkeit und Transparenz vermittle. Damit sei er „ein charakteristisches Zeugnis moderner Kleinarchitektur seiner Zeit“ und in seiner Art „stadtbildprägend“, heißt es in der Begründung.
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„Das hat sogar die Fachleute in der Bauabteilung im Rathaus überrascht. Offenbar soll jetzt der Charme der 1960er-Jahre konserviert werden“, hatte die damalige Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht den Akt sarkastisch kommentiert. Nachdem sich etliche Pächter erfolglos als Nachfolger des ehemaligen Fischrestaurants Seeteufel versucht hatten, wirkte das Lokal lange Zeit trostlos und vernachlässigt.
In einschlägigen Internetforen kursierten deshalb Vorschläge, das Gebäude abzureißen und mehr Parkplätze für den Bahnhof einzurichten. Die entstanden schließlich im Vorjahr hinter dem heutigen Efes Grill. Allerdings auch nur als Ersatz für jene, die den Haltestellen der Stadtbuslinien zum Opfer gefallen waren. Dass dieser Bereich des Bahnhofsumfelds durch ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept zukunftsträchtig modernisiert werden kann, erscheint momentan so gut wie ausgeschlossen.