Großhansdorf. Großhansdorf hat Konzept beschlossen und will fahrradfreundlicher werden. Bei Bürgerforum sorgen die Pläne für heftigen Widerstand.
Um mehr Menschen dazu zu bewegen, das Auto stehenzulassen, soll es in Großhansdorf mehr Fahrradstraßen geben. So empfehlen es Verkehrsplaner und so steht es in dem Radverkehrskonzept, das die Politiker der Waldgemeinde im Dezember beschlossen haben.
Wo Fahrradstraßen entstehen könnten und wie sie aussehen sollen, darum ging es jetzt bei einem Bürgerforum im Waldreitersaal. Knapp 50 Großhansdorfer waren der Einladung der Verwaltung gefolgt. Bei der Veranstaltung zeigte sich: Nicht alle finden die Idee gut. Insbesondere das Thema Parkplätze sorgte für eine kontroverse Diskussion.
Großhansdorf plant neue Fahrradstraßen: Anwohner fürchten um ihre Parkplätze
Bürgervorsteher Mathias Schwenck ahnte schon, dass die Pläne nicht bei allen auf Gegenliebe stoßen würden. „Wir wollen, dass Großhansdorf fahrradfreundlicher wird. Uns muss klar sein, dass die Maßnahmen, die wir dazu ergreifen, Konsequenzen haben, die nicht alle gut finden werden“, sagte der CDU-Politiker zu Beginn. „Genau deshalb reden wir.“
Verkehrsplaner Stefan Luft vom Büro Urbanus aus Lübeck, welches bereits das Radverkehrskonzept im Auftrag der Gemeinde erstellt hat, gab eingangs einen Überblick über die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen einer Fahrradstraße und hob die Vorteile hervor.
Fahrradstraßen sind deutlich günstiger als der Bau neuer Radwege
„Fahrradstraßen sind eine der sichersten und komfortabelsten Führungsformen für den Radverkehr“, so der Experte, der bereits zahlreiche Kommunen bei der Verbesserung ihrer Fahrradinfrastruktur beraten hat. Insbesondere für die Schulwegsicherung seien sie geeignet. „Fahrradstraßen dienen nicht dazu, Autos generell zu verbannen“, betonte Luft. „Das Ziel ist es, den Durchgangsverkehr zu minimieren, um eine sichere Koexistenz von Fahrradfahrern und Autofahrern zu fördern.“
Die Ausweisung von Fahrradstraßen sei eine vergleichsweise günstige Maßnahme zur Förderung des Radverkehrs. Außer einer entsprechenden Beschilderung und optional dem Aufbringen von Piktogrammen auf der Fahrbahn seien meist keine weiteren Umbauten notwendig. „Die Kosten für eine Fahrradstraße liegen bei 80 bis 100 Euro pro Meter. Für den Bau eines beidseitigen Radwegs rechnen wir mit dem Zehnfachen“, so Luft. Hinzu komme, dass die Straßen in Großhansdorf fast überall zu schmal seien, um neue Fahrradwege zu bauen.
Himmelshorst, Barkholt, Kortenkamp und Up de Worth sind als Fahrradstraßen im Gespräch
Anschließend stellte Luft drei Straßenzüge vor, deren Ausweisung als Fahrradstraßen aus Sicht der Verkehrsplaner Priorität hat. Dabei handelt es sich um die Straßen Himmelshorst, Barkholt/Kortenkamp sowie Up de Worth. Diese Straßen seien wichtige Routen für den Radverkehr und würden auch von vielen Kindern und Jugendlichen als Schulweg genutzt, so Luft. Das sei das Ergebnis einer Befragung der Schulen.
Es gebe verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten. „In der reinen Fahrradstraße ist die Durchfahrt für Kfz verboten“, führte der Verkehrsplaner aus. In der Regel seien die Straßen aber mit einem Zusatzzeichen gekennzeichnet, welches andere Verkehrsarten zulasse. „Es gibt die Option, lediglich Anliegern das Durchfahren zu erlauben oder auch, Kraftfahrzeuge grundsätzlich zuzulassen.“ Auch sei eine Einbahnstraßenregelung für Autos denkbar.
Für die Umgestaltung müsste ein Teil der parkenden Autos verschwinden
Generell gelte für alle Verkehrsteilnehmer Tempo 30. „Im Unterschied zur Tempo-30-Zone dürfen in einer Fahrradstraße Radfahrer aber auch nebeneinander auf der Fahrbahn fahren, was besonders Jugendliche gern nutzen“, so Luft.
Für Unmut bei vielen Anwesenden sorgte ein anderer Punkt: Im Zuge der Umwandlung zur Fahrradstraße müsste laut Luft das Parken auf der Fahrbahn deutlich eingeschränkt werden. Besonders am Barkholt stehen derzeit fast durchgehend Autos, neben Anwohnern auch Pendler, die am Bahnhof Kiekut in die U1 steigen. Das stelle eine Gefahr für Radfahrer dar, gerade weil die Straße ohnehin sehr schmal sei, so Luft. An den Straßen Up de Worth und Himmelshorst sei die Situation ähnlich, allerdings parkten dort weniger Fahrzeuge.
Anwohner der betroffenen Straßen äußern Kritik und befürchten Verkehrschaos
Das Thema Parken wurde anschließend Hauptgegenstand der Diskussion, in der es eigentlich auch um Vorschläge zur Gestaltung der Fahrradstraßen und um weitere mögliche Trassen gehen sollte. Besonders Anwohner der betroffenen Straßen äußerten Kritik.
„Wo bleiben all die Autos?“, wollte eine Frau wissen, die am Barkholt wohnt. „Fast jeder Haushalt hat heutzutage mindestens zwei Autos, die können nicht alle auf den Grundstücken parken.“ Eine andere Großhansdorferin befürchtete, dass es zu Verlagerungseffekten kommt. „Die Autofahrer werden zum Parken in die Nebenstraßen ausweichen“, sagte sie und warnte vor einem Verkehrschaos.
Die Gemeinde setzte öffentliche Mittel ein, um Anwohner zu schikanieren
Es gab aber auch Befürworter. „Parkende Autos auf der Fahrbahn sind ein Problem, besonders für Kinder auf dem Weg zur Schule“, sagte ein Herr. Eine Frau, die an der Straße Up de Worth wohnt, warf ein, dass weniger Verkehr auch eine Aufwertung der Wohnlage bedeute.
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„Hier werden öffentliche Mittel eingesetzt, um die Anwohner zu schikanieren und ihnen das Leben zu erschweren“, empörte sich hingegen ein Mann, der nach eigenen Angaben vor drei Jahren aus Hamburg zugezogen ist. Er sehe beim Radverkehr überhaupt keinen Handlungsdruck. „Großhansdorf ist im Vergleich ein Paradies für Radfahrer“, sagte er. Die geplanten Maßnahmen seien unverhältnismäßig.
Befürworterin beschwert sich über das Verhalten der Fahrradstraßen-Kritiker
Ein Großhansdorfer forderte, die Anwohner sollten entscheiden dürfen, ob sie eine Fahrradstraße wollten und erntete dafür Widerspruch. Es handele sich um öffentliche Verkehrswege, die alle Einwohner gemeinsam nutzten, betonten mehrere Anwesende. Überhaupt gebe es kein Recht, sein privates Auto auf der Straße abstellen zu können. „Menschen, die klimafreundlich mit dem Fahrrad fahren, werden weniger Rechte eingeräumt als Leuten mit zwei Autos“, beklagte eine Frau.
Eine andere Großhansdorferin kritisierte das Vorgehen der Fahrradstraßen-Gegner. „Während der Erarbeitung des Radverkehrskonzeptes gab es viele Beteiligungsmöglichkeiten“, sagte sie. Diejenigen, die sich jetzt beschwerten, seien nie zu den Workshops gekommen. „Erst jetzt, wo es um das Auto vor ihrer Haustür geht, interessieren sie sich plötzlich.“
Die Gemeindevertreter entscheiden über die Beantragung der Fahrradstraßen
Verkehrsplaner Luft versuchte schließlich, die Debatte wieder einzufangen. Er habe eine kontroverse Diskussion erwartet, das sei auch andernorts so gewesen. „Es muss überhaupt kein durchgehendes Parkverbot geben“, beruhigte er. Parkende Autos seien kein Ausschlusskriterium für eine Fahrradstraße.
Nach zwei Stunden schloss Bürgervorsteher Mathias Schwenck die Veranstaltung. Er kündigte an, dass die Gemeindevertreter sich mit den Vorschlägen und Argumenten befassen werden, ehe sie über die Beantragung von Fahrradstraßen entscheiden. Genehmigen muss sie letztlich die Verkehrsaufsichtsbehörde beim Kreis Stormarn.