Reinbek. Verein ShakenKids bekommt Oldtimer, Baujahr 1964, geschenkt. Jetzt überlegt der Verein, wie er das Fahrzeug am besten einsetzen kann.
Davon träumen viele kleine Jungen und kleine Mädchen: ein eigenes Feuerwehrauto. Das gehört seit Dienstag, 23. April, dem Reinbeker Verein ShakenKids. Ein anderer Verein aus Northeim, der sich gerade auflöst, hat ihn für die Reinbeker Ehrenamtlichen, die sich für traumatisierte Kinder und ihre Familien einsetzen, gestiftet. Jetzt steht der Opel Blitz, Baujahr 1964, im Vorgarten des Vereinsvorsitzenden Patrick Kliefoth. Martinshorn und Blaulicht haben die Nerven der Nachbarn bereits strapaziert. „Jetzt haben wir eine Kinderschutz-Feuerwehr“, sagt Kliefoth und freut sich über die neuen Möglichkeiten.
„Im Grunde machen wir alle dasselbe, wir setzen uns für den Kinderschutz ein“, erklärt Dirk Reimering von den Heart Bikers Germany und Botschafter für ShakenKids. „Und wir sind alle vernetzt.“ Er ist extra aus Hameln angereist, um die Spende gebührend mit seinen Mitstreitern zu feiern. Denn Thomas Ziaja und Oliver Sierakowski hatten den Oldtimer aus Northeim überführt, fünf Stunden waren sie gefahren – auf den öffentlichen Straßen selbstverständlich mit den vorgeschriebenen Kappen auf den Blaulichtern.
ShakenKids: Kinderschutz-Feuerwehr für traumatisierte Mädchen und Jungen
Thomas Ziaja, ehemaliger Berufsfeuerwehrmann, hatte das Löschfahrzeug vor 14 Jahren für 2700 Euro von der Freiwilligen Feuerwehr Moringen erstanden. Er hatte den Neunsitzer für den Förderverein Europas Challenge genutzt, um die Sportler eines Feuerwehrwettkampfes zu unterstützen. „Aber den Wettkampf gibt es nicht mehr, deshalb löst sich jetzt auch unser Verein auf.“ Laut Satzung müsse das Vereinsvermögen an andere Vereine übertragen oder für sie verkauft werden. Sein Freund Oliver von Sierakowski schlug ihm vor, das Fahrzeug an den Kinderschutz gehen zu lassen und dachte dabei sofort an Patrick Kliefoth, mit dem er seit dem Treffen auf einer Motorradmesse vor drei Jahren befreundet ist.
Am Anfang von Patrick Kliefoths ehrenamtlichem Engagement stand ein Ereignis, das die gesamte Familie erschüttert hatte: Der erst vier Monate alte Sohn seiner Nichte wurde im Sommer 2019 von einem 19 Jahre alten Onkel, der unter Drogeneinfluss stand, zu Tode geschüttelt. Wie unter Schock verfolgten die Reinbeker Nadine und Patrick Kliefoth den Prozess. „Dadurch sind wir aber auch darauf aufmerksam geworden, wie groß die Not ist“, erzählt der 56 Jahre alte Reinbeker. „Jede Woche sterben in Deutschland drei Kinder durch Gewalt. Etwa 47 Kinder werden pro Woche angegriffen.“ Die Dunkelziffer, schätzt er, könnte dreimal so hoch sein.
Das Thema der Schüttelkinder hat sie nie losgelassen
Auch nach dem Prozess ließ sie das Thema nicht los, die Reinbeker haben das Bedürfnis, etwas zu tun. „Wir wollten etwas verändern“, sagt Patrick Kliefoth, selbst Familienvater. „Und wir wollen den Menschen helfen.“ Deshalb haben die Schulsekretärin und der Schulbegleiter, die mit dem Jüngsten ihrer Patchwork-Familie und vier Hunden in Prahlsdorf leben, vor fünf Jahren den Verein ShakenKids gegründet.
Sie helfen betroffenen Familien vorerst mit Aufklärung, Beratung, Vermittlung zu weiteren Beratungs- und Therapieangeboten, aber auch ganz praktisch mit einem Rückzugsort, dem ShakenKids-Haus in Niedersachsen. Dorthin können sich bis zu drei Familien, Eltern und ihre Kinder zurückziehen, auch überforderte Eltern, die einen Ort brauchen, um sich zu besinnen und wieder zu sich zu kommen.
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Bis zu elf Kinder würden sie pro Woche unterstützen, schätzt Patrick Kliefoth: „Einige von ihnen brauchen langfristig Unterstützung, manchmal sind das auch nur Telefonate oder Videocalls, geben Kontakte der richtigen Beratungsstellen weiter“, berichtet er. „In einem Fall vermitteln wir gerade zwischen Gericht und Jugendamt, weil das Gericht einem alkoholkranken Vater von vier Kindern nach einer Trennung das Sorgerecht zusprechen will.“
Feuerwehrauto wirbt um Spenden und Vertrauen
Seine Frau, Vereinsmitglied Ina Thiel und er selbst haben mittlerweile eine Weiterbildung zum Traumapädagogen und Seelsorger absolviert. Ina Thiel erzählt, wie ihre Hunde manchmal als Türöffner fungieren, um das Vertrauen der Kinder zu gewinnen. So ein Türöffner könne auch das Feuerwehrauto sein, sagt Dirk Reimering: „Wenn sie einmal am Steuer sitzen dürfen, auf Privatgelände sogar mit Blaulicht und Martinshorn, und vielleicht noch ein bisschen mit Wasser spritzen dürfen, haben wir gewonnen.“ Zur Nutzung des Fahrzeugs gebe es viele Ideen.
„Auf jeden Fall können wir damit werben und Sponsoren gewinnen, beispielsweise auf Feuerwehr- und auf Dorffesten“, sagt Patrick Kliefoth, der selbst einmal Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr war. Er hat lange überlegt, wie sie die Spende am besten einsetzen. „Wir können das Auto aber auch für Ausflüge für Kinder und Familien nutzen.“