Barsbüttel. Willinghusener starten Petition und werfen dem Bürgermeister vor, nicht zu seinem Wort zu stehen. Doch der will nie etwas versprochen haben.
An den 16. März 2022 kann Andrea Boldt sich noch gut erinnern. Knapp einen Monat zuvor war der Krieg gegen die Ukraine ausgebrochen – und absehbar, dass in naher Zukunft viele Menschen Schutz in Deutschland suchen würden. Auch Barsbüttel, so viel war klar, würde Flüchtlinge unterbringen müssen.
Die Gemeinde beabsichtigte seinerzeit, auf einem Grundstück an der Ecke Feldweg/Barsbütteler Landstraße in Willinghusen ein temporäres Flüchtlingsheim für etwa fünf Jahre zu errichten. Das sorgte für Aufruhr. Aus diesem Grund hatte Bürgermeister Thomas Schreitmüller für besagten 16. März zu einer Informationsveranstaltung geladen. Andrea Boldt und viele andere Bürgerinnen und Bürger hatten teilgenommen.
Flüchtlingsheim in Willinghusen: Bürgermeister Schreitmüller in der Kritik
„Der Bürgermeister hat uns die Situation erklärt und gesagt, dass es sich um eine Übergangslösung handelt“, so Boldt. Zudem habe Schreitmüller zugesagt, dass die Unterkunft nicht aufgestockt werden wird. Damit haben die Anwohner leben können. „Wir haben uns nicht dagegen gesträubt und die Menschen, die gekommen sind, willkommen geheißen“, sagt Boldt.
Mittlerweile wurde der Plan umgesetzt. Seit Sommer 2023 stehen an dem Standort Container, die Platz für rund 30 Menschen bieten. Doch nun forciert die Gemeinde, wie berichtet, die Unterkunft zu erweitern. Es soll ein zusätzliches Geschoss gebaut und so weitere 30 Plätze geschaffen werden, sofern kein ausreichender Wohnraum angemietet werden kann. Die Errichtung kostet 100.000 Euro. Die monatliche Miete beträgt 13.000 Euro.
Unterstützer der Petition kritisieren, dass der Bürgermeister sein Versprechen gebrochen habe
Damit sind die Bürgerinnen und Bürger in Willinghusen aber nicht einverstanden. Andrea Boldt und Yvonne Hasenjaeger haben deshalb eine Petition ins Leben gerufen, die bislang rund 220 Unterstützer gefunden hat, fast alle sind Willinghusener. Die Anwohner kritisieren, dass der Bürgermeister sein Versprechen gebrochen habe. Sie fordern, dass die Geflüchteten in Barsbüttel gerechter verteilt werden.
Würden die bestehenden Container wie geplant mit einer weiteren Etage aufgestockt werden, konzentriere sich eine große Anzahl von Flüchtlingen auf einem kleinen Raum, was sowohl für die Bewohner als auch für das soziale Gefüge der Umgebung problematisch sei, heißt es in der Beschreibung der Petition.
Willinghusener fordern eine gerechtere Verteilung auf die Ortsteile
Und weiter: „Laut einer Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration führt eine solche Konzentration oft zu sozialer Isolation und erschwert den Integrationsprozess. Es ist wichtig, dass wir diese Situation vermeiden und stattdessen ein Umfeld schaffen, das zur Eingliederung unserer neuen Mitbürger beiträgt.“
Den Verantwortlichen ist wichtig zu betonen, dass sich die Petition nicht gegen die schutzsuchenden Menschen richtet. „Wir Willinghusener haben nichts gegen die Aufnahme von Flüchtlingen oder Obdachlosen und möchten unseren Beitrag leisten“, sagt Yvonne Hasenjaeger. Die großflächige Unterbringung an einem Standort aber sei nicht nachvollziehbar.
Stemwarde und Stellau nehmen weniger Geflüchtete auf, als sie eigentlich sollten
Vor allem kritisieren die Verantwortlichen der Petition die Ungleichheit in den verschiedenen Ortsteilen. „Wir verstehen nicht, warum nicht andere Möglichkeiten in Stemwarde oder Stellau in Betracht gezogen werden“, sagt Andrea Boldt. Eigentlich strebt die Gemeinde, so wurde es politisch beschlossen, eine gleichmäßige Verteilung auf die Ortsteile an.
Eine Verteilungsquote, die in mehreren Gremien Thema war, zeigt, dass die Realität anders aussieht. Stemwarde und Stellau nehmen aktuell weniger Geflüchtete auf, als sie laut Verteilungsschlüssel eigentlich müssten. „Dabei gebe es auch dort Möglichkeiten“, sagt Boldt. Sie kritisiert, dass diese von der Gemeinde nicht ausreichend in Betracht gezogen würden. Auch die Integration würde in beiden Ortsteilen durch das Vorhandensein eines Dorfgemeinschaftshauses erleichtert werden. Denkbar sei laut Boldt auch, leer stehende Gebäude im Industriegebiet für die Unterbringung zu nutzen.
Das Zusammenleben mit Geflüchteten sei bislang unproblematisch
Das Zusammenleben mit den bislang an der Barsbütteler Landstraße untergebrachten Flüchtlingen sei weitgehend unproblematisch, berichten die Anwohner. „Wir haben aber auch noch keinen richtigen Sommer mit ihnen erlebt“, sagt Boldt. „In der Unterkunft leben recht viele junge Männer. Wir wissen nicht, wie es wird, wenn sie auch mal Party machen wollen.“
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Dennoch: „Wir möchten natürlich nicht, dass die Menschen auf der Straße leben“, sagt Andrea Boldt. „Man sieht aber auch, dass die Anlage sehr provisorisch errichtet ist.“ Auch für die Geflüchteten sei es belastend, auf Dauer dort wohnen zu müssen – erst recht, wenn doppelt so viele Menschen wie jetzt auf engem Raum leben müssen. Boldt: „Es müssen andere Lösungen gefunden werden.“
Bürgermeister bestreitet vehement, ein Versprechen abgegeben zu haben
Bei Bürgermeister Thomas Schreitmüller nachgefragt, bestreitet dieser, bei der Bürgerveranstaltung jemals etwas versprochen zu haben. „Nein, das stimmt nicht“, sagt er. „So etwas kann ich auch gar nicht versprechen.“ Barsbüttel sei wie auch andere Kommunen verpflichtet, Geflüchtete aufzunehmen. Diese Entscheidung liege nicht bei ihm. Schreitmüller: „Ich verspreche nichts, was ich nicht zu entscheiden habe.“ Er betont auch, dass die Aufstockung noch nicht beschlossene Sache sei. Am Donnerstagabend, 11. April, werden die Unterschriften an den Bürgermeister übergeben. „Wir gucken uns die Petition an und prüfen, welche Argumente gegen die Fläche sprechen“, sagt Schreitmüller.
Zudem sei die Gemeinde weiterhin dabei zu überlegen, an welchen anderen Stellen Flüchtlinge untergebracht werden könnten. „Wir sind auf der Suche und wir sind sehr bemüht“, so der Bürgermeister. Das Gebäudemanagement sei dabei, Wohnungen anzugucken und gegebenenfalls anzumieten. Nach dem bislang verfehlten Ziel der gerechten Verteilung auf die Ortsteile gefragt, sagt Schreitmüller: „Auch in Stemwarde und Stellau prüfen wir Möglichkeiten, die aber bislang nicht als besser empfunden wurden.“ Zudem seien die Verantwortlichen aktuell intensiv im Gewerbegebiet unterwegs, um möglicherweise eine Fläche anzumieten, die ab Sommer leer stehen wird. Schreitmüller: „Es ist nicht so, dass wir es uns einfach machen.“