Reinbek. Bernd Engel hat ein Lesebuch über die interessante Geschichte des Anwesens verfasst. Erste Erwähnung geht auf das Jahr 1224 zurück.

Selbst Stadtarchivar Carsten Walczok fehlt ein Foto von Sachsenwaldau, Reinbeks nordöstlichstem Zipfel. Vielen ist der beschauliche Flecken zwischen dem Stadtteil Ohe und dem Sachsenwald nicht einmal gegenwärtig, quasi noch ein weißer Fleck auf dem Stadtplan. Dabei ist er Reinbeks Keimzelle: Hier findet sich Reinbeks erste urkundliche Erwähnung im Jahr 1224. Das hat der Autor Bernd Engel aus Neuallermöhe in seinem Band „Historische Streiflichter aus Sachsenwaldau“ dargelegt.

Wenn Bernd Engel ein Thema recherchiert, dann gründlich. Das hat er jetzt bei der Geschichte Sachsenwaldaus gezeigt, der heutigen Einrichtung von Fördern und Wohnen (F&W) für Menschen mit Sucht- oder psychischen Erkrankungen. „Lange Zeit kannte ich das Gelände nur als Arbeitsplatz meiner Frau“, erzählt der 61 Jahre alte Autor. Sabine Engel leitet die Abteilung Arbeiten, die den Klientinnen und Klienten von F&W dabei hilft, ihren Alltag zu strukturieren.

Heimatgeschichte: Sachsenwaldau – wo die Wiege Reinbeks steht

Vor einigen Jahren jedoch hat er für die Zeitung der Kirchengemeinde St. Ansgar vier bis fünf Artikel für die Rubrik „Historische Streiflichter“ geschrieben. „Daraus entstand die Idee, ein Buch daraus zu machen“, erzählt Engel. „Das Grundgerüst hatte ich ja bereits.“

Bereits in der Jungsteinzeit siedelten in Sachsenwaldau erste bäuerliche Gemeinschaften. Sie hinterließen der Nachwelt ihre beeindruckenden Hünengräber im Sachsenwald auf der anderen Billeseite. Im Mittelalter, vor 800 Jahren, entstand dann an der Mündung des Baches Hoibeke in die Bille eine kleine Kapelle, geweiht der Maria Magdalena.

Schenkungsurkunde vom 12. November 1224

Sie war der Ursprung des späteren Nonnenklosters „Reinbek.“ Dessen erste Erwähnung findet sich auf einer Schenkungsurkunde vom 12. November 1224. Heute steht dort das einstige Gutshaus Sachsenwaldau, aktuell ein Verwaltungsgebäude von F&W.

Ansichtskarte Sachenwaldau: Das Gartenhaus stand zu der Zeit, als die Hapag Eigentümerin des Geländes war, dort, wo sich heute das öffentliche „Café InTakt“ befindet.
Ansichtskarte Sachenwaldau: Das Gartenhaus stand zu der Zeit, als die Hapag Eigentümerin des Geländes war, dort, wo sich heute das öffentliche „Café InTakt“ befindet. © Bernd Engel | historische Ansichtskarte – eigenes Werk; CC-BY SA 4.0

Bernd Engel, studierter Japanologe, versteht sich nicht als Historiker im eigentlichen Sinne. „Nicht ohne Grund habe ich den Band ‚Ein Lesebuch‘ genannt“, erläutert er. „Ich beziehe mich oft auf verlässliche Quellen, die ich auch benenne. Es ist schon komfortabel, dass heute beispielsweise viele alte Tageszeitungen digitalisiert sind.“

Dennoch habe er beim Lesen etwa des Altonaer Mercurius aus dem 19. Jahrhundert manchmal das Gefühl gehabt, als müsse er eine „Geheimschrift entziffern“. Der 61-Jährige hat jedoch alles zusammengetragen, die Quellen überprüft und eingeordnet.

Mitte des 18. Jahrhunderts wurde eine Papiermühle errichtet

Das Zisterzienserinnenkloster zog bald, in den 1230er-Jahren, weiter nach Köthel und schließlich dorthin, wo heute das Reinbeker Schloss steht. Den Namen Reinbek nahmen die Nonnen bei jedem Umzug mit. Das heutige Sachsenwaldau zwischen Bille und Hoibeke blieb beliebt und belebt. Am Standort des einstigen Klosters wurde etwa 500 Jahre später, Mitte des 18. Jahrhunderts, eine Papiermühle errichtet.

Wegen dieses Bauwerks wurde aus Hoibeke damals Mühlenbek. Die Papiermühle wechselte mehrfach den Besitzer. Interessante Aufzeichnungen gab es zurzeit der wohlhabenden Reeder-Familie Willinck, die ursprünglich aus Amsterdam stammte. Denn ein Neffe der Familie, der Kaufmann Heinrich Witt, führte nicht nur ein detailliertes Tagebuch, sondern war als Kind auch oft in Mühlenbeck zu Gast. „Eine sehr gute Quelle für Sachsenwaldaus Geschichte“, stellt Bernd Engel fest.

Ernst Merck, ein „Hansdampf in allen Gassen“

Der Name Sachsenwaldau sei erst Mitte des 19. Jahrhunderts durch den Eigentümer Major von Krieger geprägt worden. „Dabei ist es dann geblieben“, sagt Bernd Engel. Auch als sich das Gut Sachsenwaldau in ein herrschaftliches Haus der Familie des Barons Carl Heinrich Johann Freiherr von Merck verwandelte.

Während sein Vater Ernst Merck eher ein „Hansdampf in allen Gassen“ gewesen sei, sei sein Sohn, der mit Gewürzen und Kaffee gehandelt habe, eher hanseatisch ruhig gewesen. Seine feingeistige Frau Evelyn, einerseits leidenschaftliche Jägerin und Fischzüchterin, andererseits kunstsinniger Lyrik-Fan und Fotografin, war mit der Fürstin Bismarck eng befreundet und daher häufig in Sachsenwaldau.

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Ihr Sohn Ernesto schließlich verkaufte das Anwesen in den 1920er-Jahren an die Hapag, die daraus ein Erholungsheim für ihre Mitarbeiter machte. „Während der NS- und der Kriegszeit brach das Geschäft der Hapag zusammen“, erklärt Bernd Engel. Die Schiffe, die im Ausland lagen, wurden konfisziert, das Auswanderer-Geschäft nach Übersee hatte sich erledigt.

„Nach dem Krieg war die Hapag am Ende“, sagt der Autor. Zuerst durften sich noch verdiente Frauen aus der Rüstungsindustrie sowie treue Mitglieder der Jugendorganisationen in Sachsenwaldau erholen.

Sachsenwaldau wurde zur „Trinkerheilanstalt“

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Sachsenwaldau an die Stadt Hamburg verkauft, wurde zur „Trinkerheilanstalt“ und nach dem damaligen Sozialsenator Heinrich Eisenbarth benannt. „Damals gab es nicht viele Einrichtungen dieser Art in Hamburg“, berichtet Bernd Engel. „In der berüchtigten Einrichtung in Farmsen wurden suchtkranke Frauen, in Sachsenwaldau suchtkranke Männer behandelt.“

Wobei es eher wie in einem Arbeitslager zuging. Erst in den 1960er-Jahren habe die Weltgesundheitsorganisation Alkoholismus als Erkrankung anerkannt. Erst danach seien professionelle Therapie-Angebote entwickelt worden.

Das Buch hat rund 100 Seiten und kostet 11 Euro

Sein Blick auf Sachsenwaldau habe sich durch seine Forschungen sicherlich verändert, sagt Bernd Engel. „Vorher habe ich es vor allem als Arbeitsplatz meiner Frau wahrgenommen. Obschon ich hier schon immer sehr interessante Typen kennengelernt habe.“ Vor der Veröffentlichung hat er auch den Bewohner-Beirat um seine Einschätzung gebeten. Der hat seine Recherchen und ihre Veröffentlichung ausdrücklich befürwortet.

„Es gibt sicherlich noch mehr zu erforschen, etwa das 19. Jahrhundert aus landwirtschaftlicher Sicht, aber auch einiges aus den 1920er-, 30er- und 40er-Jahren“, räumt er ein. Doch dann müsse man mehr Zeit aufwenden und tiefer in die Archive einsteigen. Engels etwa 100 Seiten starker Band gibt einen gründlichen Überblick über Reinbeks Keimzelle. Der Band kostet 11 Euro, ist im Eigenverlag erschienen und online über www.tredition.de oder auch über den Kiosk „Kiek in“ (Große Straße 37a) in Ohe erhältlich.