Reinbek. Der Ministerpräsident plauscht beim Reinbeker Kamingespräch entspannt mit Björn Warmer, schneidet dabei aber auch ernste Themen an
Volles Haus in der Aula des Sachsenwald-Gymnasiums in Reinbek. Aus Termingründen vom Schloss in die Schule verlegt, knackte das 77. Kamingespräch den bisherigen Besucherrekord. Mit-Organisator Rudolf Zahn freut sich: Um die 250 Gäste füllen am Donnerstagabend die Aula des Reinbeker Gymnasiums. Auf dem Podium nehmen zwei Herren Platz, die – sieht man von der jugendlichen Zuhörerschaft auf der Empore ab – den Altersdurchschnitt im Saal eher senken. Das Kaminfeuer ist künstlich, das Lachen der beiden Gesprächspartner echt.
In einem launigen Schlagabtausch versucht Reinbeks Bürgermeister Björn Warmer (SPD) den Menschen Daniel Günther (CDU) aus dem Ministerpräsidenten herauszukitzeln. Der erweist sich als Profi, beantwortet zwanzig Fragen zu seiner Person und verlässt sich, wo es brenzlig wird, auf die norddeutsche Art: Knappe Wortwahl und ein vielsagendes Lächeln dazu. Wer ist der nervigste Grünen-Politiker in seinem Umfeld? „Och, das sind viele“, sagt Günther. Ob ihn schon mal jemand mit Günther Daniel angesprochen habe? Sicher, seitdem spreche er die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz konsequent mit „Hallo Dreyer“ an. Und ja, für eine Woche würde er gern mal die Kieler Staatskanzlei gegen das Hamburger Rathaus tauschen. Dann müssten endlich die anderen, so wie er jetzt, erst 85 Stufen hoch, um beim Pressefoto atemlos und schwitzend neben dem oben residierenden und wie aus dem Ei gepellten Bürgermeister der Hansestadt stehen.
Ministerpräsident Daniel Günther plaudert aus dem Nähkästchen
Das Publikum in Reinbek amüsiert sich bestens. „Politik ist einfach meine Leidenschaft“, antwortet Günther auf die Frage, warum er nie etwas anderes gemacht und das Politikersein von der Pike auf gelernt und praktiziert habe. Dabei verstehe Günther sein Amt nicht als „hier lang und alle mir nach“, sondern als eine Mischung aus Vermitteln, Überzeugen, Zuhören und Zusammenbringen verschiedener Interessen.
Moderator Björn Warmer nimmt seinen Gast beim Wort und schwenkt nach einer halben Stunde auf ernstere Themen um. Am Beispiel des Baus der A 20 spricht Günther über die Langwierigkeit politischer Prozesse, am Beispiel der Mehrheitsfindung über das Wesen der Demokratie, am Beispiel seines viel diskutierten „Layla“-Gastspiels auf einer Bühne der Kieler Woche über Fluch und Segen der sozialen Medien. Peinlich sei ihm das nicht, bekennt er. Gleichzeitig erinnere er sich gern an Zeiten, auf denen kein Partygänger ein Handy dabeihatte. Ihm ist klar, dass er als Ministerpräsident nie unbeobachtet ist. Er mag nur nicht nein sagen, wenn er in einem Bayernzelt der Kieler Woche als Gegenstück zu Markus Söder auf die Bühne gebeten wird. Nicht umsonst belegten die Schleswig-Holsteiner seit 17 Jahren Platz eins auf dem Glücksbarometer. In dieser Tradition sieht sich Günther nicht als Party-Löwe, wohl aber als Botschafter norddeutscher Gelassenheit.
Günther äußert sich zum Krieg in der Ukraine
Im dritten Teil des Reinbeker Kamingesprächs bleibt die Stimmung nicht immer gelassen. Besonders Günthers Zustimmung zu Waffenlieferungen an die Ukraine sorgt für Kritik. „Wenn die Ukraine fällt, kann keiner garantieren, wo und wann Russland aufhört“, ist seine Antwort. Der Applaus signalisiert Zustimmung. Und Günther legt nach. Er unterstreicht, dass Demokratie kein Geschenk sei und der europäische Zusammenhalt jeden Tag neu gefestigt werden müsse.
Der Ampelregierung stellt der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins in diesem Zusammenhang kein gutes Zeugnis aus. Als Politiker wie als Wähler wünscht er sich eine bessere Kommunikation und zupackende Politik statt drei Parteien, die ungeachtet der aktuellen Krisen nur ihre eigene Klientel im Auge haben. Dem Vorschlag aus dem Publikum, es als Bundeskanzler von morgen besser zu machen, erteilt Günther an diesem Abend noch eine Absage. Der in Berlin herrschende Regierungsstil entspreche nicht seiner Art, Politik zu machen. Es gebe zu viel Transparenz, wo sie nicht hilft und zu wenig Vertrauen untereinander.
Neuen Besuch zugesagt, ein Versprechen eingelöst
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Dem dezenten Wink von Schulleiter Sebastian Stemmler folgt Daniel Günther gern. Einem erneuten Reinbek-Besuch zum 100. Jubiläum der Sachsenwaldschule im November steht „nach wohlwollender Prüfung“ sicher nichts im Wege. Wenig sei ihm so wichtig, wie der nächsten Generation demokratische Tugenden und Eigenverantwortung ans Herz zu legen. Zum Ende seines Besuchs findet Günther über diesen Aspekt auch einen Weg, die wuchernde und von allen Seiten beklagte Bürokratie im Land zu erklären. Die sei auch durch schwindende Eigenverantwortung des Einzelnen entstanden. Auf norddeutsch-präsidial gesagt: „Wenn im Kieler Hafenbecken einer ins Wasser fällt, fragt heute keiner mehr, warum der so nah am Rand ging. Stattdessen fragen alle, warum da kein Geländer ist.“
Vor dem Kamingespräch hat Daniel Günther noch ein Versprechen aus dem Wahlkampf eingelöst und die Schwestern und die Krankenhausleitung des St.-Adolf-Stifts besucht. Besonders für die Notfallversorgung im Südosten Schleswig-Holsteins sei das Krankenhaus Reinbek unverzichtbar, sagte der Landesvater in seinem Grußwort. Das Land fördert den anstehenden Neubau des Integrierten Notfallzentrums, der Bettenerweiterung und der neuen Berufsfachschule für Gesundheit mit insgesamt 40 Millionen Euro. Diese modernen Strukturen seien wichtig, damit das St.-Adolf-Stift seine Bedeutung in der Versorgung auch künftig gerecht werden könne.