Bad Oldesloe. 46 Artikel erweitern das digitale Stormarn-Lexikon. Im Fokus standen häufig ambivalente Persönlichkeiten wie Rust und Schimmelmann.
An Menschen, die in der bewegten Geschichte des Landes höchst unterschiedlich gesehen und beurteilt wurden, besteht im Kreis Stormarn kein Mangel. Beispiele dafür sind die Künstlerin Else Wex-Cleemann, der Archäologe Alfred Rust und der Kaufmann Heinrich Carl von Schimmelmann. Sie alle haben jetzt Eingang in das Stormarn-Lexikon gefunden. „Im vergangenen Jahr sind 46 neue Artikel hinzugekommen“, sagt Stefan Watzlawzik, Leiter des Kreisarchivs. Insbesondere kritische Persönlichkeiten, die im Kreis omnipräsent sind, seien berücksichtigt worden. „Das schließt eine wichtige Lücke im Bestand“, so Watzlawzik.
Ein Porträt von Adolf Hitler als Schulgeschenk
Else Wex-Cleemann etwa malte zum 25. Jubiläum der heutigen Theodor-Mommsen-Schule als Geschenk im Auftrag der Stadt Bad Oldesloe ein Porträt von Adolf Hitler. Im selben Jahr wurde ein anderes Gemälde von ihr in Kiel indes als „entartete Kunst“ beschlagnahmt.
Positiv und negativ wird in der Rückschau auch das Schaffen von Alfred Rust interpretiert. Ohne Studium brachte es der gebürtige Hamburger zum Archäologen, der im Ahrensburger Tunneltal eine bis dahin unbekannte Kultur eiszeitlicher Rentierjäger entdeckte. Aus diesem Grund fand ein Rentiergeweih Aufnahme in das Ahrensburger Wappen.
Janusköpfige Persönlichkeiten nicht nur im Dritten Reich
Andererseits trat der Prähistoriker 1943 freiwillig der Waffen-SS bei und arbeitete mit dem „Deutschen Ahnenerbe“ zusammen, das 1935 von Heinrich Himmler gegründet worden war. Nach Bekanntwerden wurden im Jahr 2000 die Feierlichkeiten zu seinem 100. Geburtstag in Ahrensburg abgesagt, obwohl Rust 1965 noch zum Ehrenbürger der Schlossstadt ernannt worden war.
„Solcherart ambivalente, janusköpfige Persönlichkeiten hat es in Stormarn einige gegeben, nicht nur zur Zeit der Nationalsozialisten“, sagt Watzlawzik. Dazu zählt ebenfalls Heinrich Carl von Schimmelmann, dessen Name untrennbar mit dem Ahrensburger Schloss verbunden ist. Im Mai 1759 hatte der aus Vorpommern stammende Kaufmann das seinerzeit hochverschuldete Gut der Familie Rantzau für 180.000 Reichstaler gekauft und das darauf befindliche Herrenhaus in ein spätbarockes Landschlösschen umgebaut.
Kaufmann, Sklavenhändler und Plantagenbesitzer
Schimmelmann war 1756 im Siebenjährigen Krieg zum Getreidelieferanten des preußischen Heeres aufgestiegen und konnte durch glückliche Umstände einen Lagerbestand der Meißener Porzellanmanufaktur erwerben. Mit dem Weißen Gold – ein Teil des Porzellans ist noch heute im Schloss ausgestellt – erwarb er einen Teil seines beträchtlichen Vermögens.
Der wesentlich größere Anteil erwuchs derweil aus Schimmelmanns Aktivitäten als Sklavenhändler, Betreiber von Zuckerrohrplantagen in der Karibik und Manufakturbesitzer. So gehörte er bald zu den reichsten Männern seiner Zeit. Seine Fähigkeiten als Finanzjongleur sprachen sich bis zum dänischen Hof herum, wo er 1768 zum königlichen Schatzmeister gekürt worden ist.
Rolle Schimmelmanns wird kritisch beleuchtet
„Dirk Hempel hat einen sehr informativen Artikel zu Heinrich Carl von Schimmelmann beigetragen“, sagt Watzlawzik. Mit seinem Geld habe der Kaufmann fraglos viel zum Aufschwung der Stadt Ahrensburgs beigetragen. Dass sich sein immenser Reichtum allerdings auch auf den Handel mit Sklaven und deren Ausbeutung auf den Plantagen gründete, müsse aus heutiger Sicht kritisch beurteilt werden.
Neu im Stormarn-Lexikon sind außerdem Artikel zu Arthur Goldschmidt und seinem Sohn. Goldschmidt stammte aus einer jüdischen Familie, die zum Christentum konvertiert war. Er lebte in Reinbek, wo er sich politisch und kulturell engagierte. Nach dem Machtantritt Hitlers wurde er unterdessen zunehmend verfolgt und 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert.
Neue Artikel zu Flüssen und Kanälen in Kreis
Dort gründete Goldschmidt eine evangelische Gemeinde. Nach der Befreiung des Konzentrationslagers 1945 kehrte er nach Reinbek zurück, wo er 1947 verstarb. Sein Sohn Georges-Arthur Goldschmidt konnte nach Frankreich fliehen, wo er sich während der deutschen Besatzung zeitweise bei Bauern verstecken musste. Nach dem Ende des Krieges wurde er ein bekannter Übersetzer und Autor.
„Auch zu Naturthemen wie der Norderbeste und der Süderbeste gibt es jetzt Beiträge, zudem kann man sich über den Alster-Beste-Kanal informieren, der das wichtigste Infrastruktur-Projekt des 16. Jahrhunderts war“, berichtet Watzlawzik. Hinzugekommen seien überdies weitere Ortsbeschreibungen, etwa zu Sprenge, Mollhagen und Eichede.
Weit und breit einziges digitales Regionallexikon
„Das Stormarn-Lexikon ist weit und breit das einzige digitale Regionallexikon und wir leisten damit einen nachhaltigen Beitrag zur Identität des Kreises“, betont Landrat Dr. Henning Görtz. Er freue sich, dass die zahlreichen freiwilligen Autorinnen und Autoren gemeinsam seit 2018 mehrere hundert Beiträge verfasst hätten.
„Das Lexikon trägt somit dazu bei, dass Daten und Fakten über unseren Kreis in leicht zugänglicher Form online abrufbar sind“, erklärt Görtz. Beeindruckend sei insbesondere das breite Spektrum von Themen, angefangen von Biografien zu bemerkenswerten Menschen aus dem Kreis über Informationen zu zahlreichen Vereinen und Institutionen bis zu Einrichtungen wie der Walddörferbahn.
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Finanziell gefördert wird das Lexikon von Beginn an durch die Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn. Geschäftsführer Jörg Schumacher sieht in den neuen Artikeln auch einen Anstoß zur Auseinandersetzung mit aktuellen Themen. Dass inzwischen die Zahl von 400 Artikeln überschritten wurde, sei ein großer Erfolg. „Nun haben wir die 500 im Blick“, so Schumacher.
Seit fünf Jahren sammelt das Stormarn-Lexikon Artikel mit wissenswerten Informationen über den Kreis. Um es ständig erweitern zu können, werden weitere freie Autorinnen und Autoren gesucht, die in Schulungen auf ihre Aufgabe vorbereitet werden. „Das Stormarn-Lexikon bündelt das Wissen über den Kreis in einer einzigen Datenbank, die als langfristige und zugleich qualitativ hochwertige Quelle angelegt ist“, umreißt Stefan Watzlawzik die Bedeutung des Projekts. Deshalb freue er sich über jede Person, die Interesse habe, daran mitzuwirken.