Großensee/Reinbek. Schrecklicher Unfall in Großensee: Im Juni 2022 wurden ein Vater und seine kleine Tochter lebensgefährlich verletzt. Wie es ihnen heute geht.

Donnerstagnachmittag, der 23. Juni 2022: Diana-Isabel Freytag und ihr Lebensgefährte Gordon Mohr sind mit ihrer damals zweijährigen Tochter Anouk mit dem Fahrrad unterwegs, wollen an diesem warmen Sommertag den Reiterhof Pferdeglück bei Großensee besuchen. Doch der Familienausflug wird zum Albtraum. Als sie auf dem Gehweg gegenüber des Hofes an der Sieker Straße halten, erfasst sie völlig aus dem Nichts ein Auto.

Ein heute 50 Jahre alter Mann aus Lübeck kommt mit seinem Ford Galaxy von der Straße ab und rast ungebremst in die junge Familie aus Hoisdorf. Er überrollt den Fahrradanhänger, in dem die Tochter sitzt, durchbricht einen Zaun und kommt erst auf einem angrenzenden Feld zum Stehen. Der damals 34 Jahre alte Vater und seine Tochter werden bei dem schweren Unfalllebensgefährlich verletzt und mit Rettungshubschraubern ins Krankenhaus gebracht. Die Mutter, damals 32, wird schwer verletzt.

Für die Hoisdorfer Familie wurde der Ausflug zum Albtraum

Dieser Tag vor rund eineinhalb Jahren hat das Leben der Familie für immer verändert. Im Gespräch mit unserer Redaktion berichtete Diana-Isabel Freytag damals, dass ihre Tochter schwere neurologische Schäden davongetragen hat. Die Tochter erlitt ein offenes Schädel-Hirn-Trauma, hat in der Zeit nach dem Unfall nicht mehr gesprochen.

Gordon Mohr hatte schwere innere Blutungen, unter anderem Becken, Oberschenkel und Schulterblatt waren gebrochen. Seinerzeit war unklar, ob er je wieder berufstätig sein kann. Diana-Isabel Freytag hat einen Sprunggelenkbruch und ein Mittelfußknochenbruch davongetragen. Zum Zeitpunkt des Unfalls war sie mit ihrem zweiten Kind schwanger.

Das Amtsgericht Reinbek sprach den Unfallfahrer frei

Wie es zu dem verheerenden Unfall kommen konnte, war zunächst unklar. Die Polizei ermittelte in alle Richtungen. Ein vorsätzliches Handeln wurde schnell ausgeschlossen, Hinweise auf Alkohol- oder Drogenkonsum gab es laut Polizei keine. Einen medizinischen Notfall oder einen technischen Defekt am Wagen hielt die Polizei für möglich.

Nun wurde vor dem Amtsgericht Reinbek das Urteil über den Unfallfahrer gesprochen, das da lautet: Freispruch. Der 50 Jahre alte Familienvater musste sich wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung verantworten. Freigesprochen wurde er, weil nicht ausgeschlossen werden konnte, dass er während der Fahrt einen Blackout erlitt.

Der Mann sagte, ihm sei während der Fahrt plötzlich schwarz vor Augen geworden

So ist es nämlich laut Aussage des 50-Jährigen gewesen. Ihm sei an diesem heißen Tag plötzlich schwarz vor Augen geworden. Laut Ulrich Fieber, Direktor des Amtsgerichts, wurde dem Angeklagten ursprünglich vorgeworfen, „dass der Blackout sich in irgendeiner Weise angekündigt hat, woraufhin der Angeklagte das Auto hätte anhalten können und müssen.“ Dies sei im Laufe der Verhandlung nicht nachgewiesen worden.

Eine medizinische Sachverständige bestätigte vor Gericht, dass Blackouts plötzlich und ohne vorherige Anzeichen auftreten können. Untersucht worden war auch, ob ein Medikament für den Blackout verantwortlich gewesen sein könnte. Der Mann hatte wegen Rückenschmerzen Gabapentin eingenommen, das Benommenheit und Schwindel verursachen kann. Die Sachverständige ging aber nicht davon aus, dass Nebenwirkungen des Medikaments zu einem Blackout geführt haben.

Ein Medikament war vermutlich nicht für den Blackout verantwortlich

„Die Nebenwirkungen treten bei dem Medikament typischerweise zu Beginn der Einnahme auf. Diese lag aber schon mehrere Monate zurück. Nach der ersten Einnahme sind laut Arzt keine Nebenwirkungen aufgetreten“ so Fieber. Zudem habe er es schon abgesetzt, bevor der Unfall sich ereignete. Fieber: „Die festgestellte Menge im Blut lag unterhalb eines therapeutisch relevanten Wertes.“

So glücklich war die Familie vor dem Unfall: Diana-Isabel Freytag mit ihrem Lebensgefährten Gordon Mohr und Tochter Anouk.
So glücklich war die Familie vor dem Unfall: Diana-Isabel Freytag mit ihrem Lebensgefährten Gordon Mohr und Tochter Anouk. © Stormarn | Privat

Hinweise darauf, dass der Mann mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen ist, habe es laut Fieber nicht gegeben. Weil sämtliche Beweise für fahrlässiges Handeln fehlten, plädierten letztlich sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft auf Freispruch. Der 50-Jährige arbeitet für die Post. „Er befindet sich seit dem Unfall in psychologischer Behandlung und fing erst vor kurzem wieder an zu arbeiten“, so Fieber.

Für die Familie hat der Schicksalsschlag verheerende Folgen

Für die geschädigte Familie war bereits kurz nach dem Schicksalsschlag klar, dass der Unfall nicht nur gesundheitlich und emotional, sondern auch finanziell schwere Folgen nach sich ziehen wird. Damals war unklar, ob und in welcher Höhe die Krankenkasse für die Reha aufkommt, ob Gordon Mohr seinen Beruf als selbstständiger Betreiber eines Hausmeisterservice aufgeben muss. Klar war indes, dass sich die Wohnsituation ändern muss. Die damalige Bleibe war nicht barrierefrei. Um die Kosten zu stemmen, hat die Familie auf der Internetseite gofund.me/ccb5190a eine Spendenaktion ins Leben gerufen.

Knapp 100.000 Euro sind laut aktuellem Stand dort bis jetzt zusammengekommen. Zuletzt verkündete Diana-Isabel Freytag dort Ende Februar ein Update. „Wir sind nun seit zwei Monaten aus der Klinik entlassen. Ein klein wenig haben wir uns in unserer neuen Wohnung einleben können, es ist aber immer noch viel zu tun“, heißt es in dem Beitrag. „Nach wie vor sind wir auf sehr viel Hilfe angewiesen und so ganz nach Zuhause wird es sich wohl noch eine ganze Weile nicht anfühlen.“

Anfang des Jahres brachte Diana-Isabel Freytag einen Sohn zur Welt

Auf sie und ihren Mann, berichtete Freytag, warten Operationen. Beide seien in psychotherapeutischer Behandlung. „Unsere Tochter ist eine kleine Heldin. Es ist unglaublich, was dieses kleine Mädchen schon geschafft hat und wie sie jeden Tag wieder und weiter dazu lernt. Sie läuft und rennt wieder. Sie spielt, spricht und singt. Obwohl diverse Therapieformen angeraten sind, ist es leider schwierig Plätze zu finden, sodass sie im Moment nur ergotherapeutisch begleitet wird.“

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Und: „Seit einigen Tagen sind wir zu viert und unser kleiner Sohn vervollständigt unsere Familie. Es ist alles gut gegangenen, er ist gesund und stark“, schreibt die Mutter. Für die überwältigende Spendenbereitschaft bedankte Freytag sich. Bereits im Februar hatten mehr als 2300 Menschen die Familie finanziell unterstützt.

Mutter findet auf Spendenplattform emotionale Worte

Sie sei sicher, dass sie alle früher oder später wieder auf die Beine kommen werden. „Wir werden als Eltern unser Bestes geben, um für unsere Kinder da zu sein und als Paar, um füreinander da zu sein. An vielen Tagen wechseln wir uns mit dem Starksein ab, weil wir es oft nicht beide schaffen.“ Dass es ihrer Tochter gut gehe und sie alle vier noch da sind, sei das größte Geschenk.

Freytag: „Dieser Unfall ist ein Kapitel in unserem Leben und wir sind fest entschlossen, dass er genau das sein soll. Ein Kapitel. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Es werden noch viele weitere Kapitel folgen und wir sind so dankbar, dass unser Buch noch lange, lange nicht fertig geschrieben ist.“