Reinbek. Hermann Körner bekleidete das Amt von 1951 bis 1971. Recherche legt heute nahe, dass er nie im öffentlichen Dienst hätte sein dürfen.
Die Belege sind erdrückend, obschon Tomas Unglaube stets darauf hinweist, dass Reinbeks einstiger Bürgermeister Hermann Körner (1907–1977) sich nicht mehr verteidigen kann. Unglaube, Lehrer im Ruhestand und bis 2022 Stadtverordneter, erforscht sorgfältig Körners nationalsozialistische Vergangenheit, nachdem dessen Aktentasche 2017 samt Waffe und Ausweisen bei Ausgrabungen in Polen, seinerzeit das deutsche Küstrin, aufgetaucht war. Im Sommer hat Unglaube in einem zweiten Aufsatz seine Rechercheergebnisse zusammengetragen und jetzt veröffentlicht. Seine Quellen waren unter anderem lokale Tageszeitungen und zahlreiche Briefe aus der Zeit des Nationalsozialismus, aber auch die Akten der Entnazifizierungskommission von 1948.
Doch seit dem Sommer hat Unglaube neue Erkenntnisse über die Biografie Hermann Körners und seine Verbindungen zum Nationalsozialismus gewonnen: „Herr Körner war Mitglied der SA“, sagt Tomas Unglaube. „Es gibt eine Personalakte im Bundesarchiv in Berlin.“ Diese Sturmabteilung hat die NSDAP während ihres Aufstiegs eingesetzt, um ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen.
Enttarnt: Reinbeks angesehener Bürgermeister war SA-Mitglied
Wie Unglaubes Forschungen einmal mehr belegen, war Körner ein überzeugter Nationalsozialist. Tomas Unglaube kritisiert, dass „Körners eigenen Aussagen vertraut wurde, Widersprüche nicht hinterfragt wurden und eigenständige Recherchen, zum Beispiel in der zeitgenössischen Presse, nicht erfolgten.“ Er will seine Ergebnisse nun im März einem Arbeitskreis vorlegen. Denn er braucht noch Zeit für ein Quellenstudium in Koblenz.
Seine Recherche soll der Politik als Entscheidungshilfe dienen, ob die Hermann-Körner-Straße umbenannt werden soll oder nicht. Während Körners Amtszeit in Reinbek (1951 bis 1971) galt dieser als angesehener Bürgermeister. In diesen gut 20 Jahren stieg Reinbek zur Stadt auf, die Bahnstrecke wurde bis Reinbek elektrifiziert, Reinbek-West und die Siedlung Cronsberg wurden ebenso gebaut wie auch das gemeinsame Gewerbegebiet von Reinbek, Schönningstedt und Glinde.
Körner galt nach dem Krieg als angesehener Bürgermeister Reinbeks
So kam es dazu, dass Hermann Körner 1972 mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland geehrt wurde und dass eine Straße in Reinbek nach ihm benannt wurde – trotz seiner Vergangenheit. Entgegen seiner späteren Aussagen vor der Entnazifizierungskommission sei er schon früh – nämlich 1928 und nicht, wie er später behauptet habe, zwei Jahre später – in die NSDAP eingetreten. 1948 in Ratzeburg habe er ausgesagt, er sei mehr oder weniger arbeitslos geworden und habe sich als „tief fühlender Sozialist“ bei der NSDAP eine bessere Zukunft erhofft.
Unglaube erläutert mit zahlreichen Quellen, dass dies nicht der Realität entsprach. Als Hermann Körner 1933 zum Bürgermeister des brandenburgischen Werneuchen berufen wurde, damals der „jüngste Bürgermeister des Deutschen Reiches“, lobte ihn der NSDAP-Kreisleiter: „Körner ist alter Nationalsozialist, sodass gegen seine Berufung als Bürgermeister nichts einzuwenden ist.“
Körner wollte NS-Kritiker ins KZ schicken
In seine dortige Amtszeit (1933–1939) fallen Vorfälle, in denen Hermann Körner seine Macht als Bürgermeister missbraucht hat, wie Unglaube in seinem Aufsatz erläutert: Beispielsweise sein Vorgehen gegen den NS-Kritiker Karl Stroyek, über den er den übergeordneten Behörden meldete: „Meines Erachtens wäre es richtig, den Karl Stroyek für einige Zeit in ein Konzentrationslager einzuliefern.“ Entgegen dem Rat der Gestapo, Karl Stroyek zuerst dem zuständigen Amtsrichter vorzuführen, ließ Körner den Verhafteten sofort zur Gestapo nach Potsdam bringen.
Außerdem verwehrte er dem Werneuchener Arzt Dr. Albert Goetz die Anerkennung als Mischling 1. Grades nach dem Reichsbürgergesetz, um die dieser sich verzweifelt bemühte, um seine Existenz zu retten. Denn eigentlich hatte Goetz es nur versäumt, rechtzeitig aus der jüdischen Gemeinde auszutreten. Somit galt der Arzt als Volljude und durfte nicht mehr praktizieren, musste um sein Leben fürchten und flüchtete ins Ausland.
Reinbeks späterer Bürgermeister hat NS-Posten bekleidet
1939 bis 1945 war Hermann Körner Bürgermeister in Küstrin nahe der Oder, heute Polen. Gegenüber der Entnazifizierungskommission habe der Verwaltungsmann seinen Lebenslauf immer wieder beschönigt, schildert Unglaube in seinem Aufsatz. Und sagt dazu: „Er war NSDAP-Kreisleiter bis zum bitteren Ende. Die Aussagen vor der Kommission waren eidesstattliche Erklärungen. Da er die Unwahrheit gesagt hatte, hätte er niemals im öffentlichen Dienst aufgenommen werden dürfen.“
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Körner habe hingegen 1948 ausgesagt, er sei vielleicht zwei Jahre stellvertretender Kreisleiter gewesen. Stattdessen aber habe er bis zum Schluss die Durchhalteparolen der Nationalsozialisten von sich gegeben. Er rühmte sich zwar, im Februar 1945 zum Ende des Krieges Tausende Menschen aus dem Kessel Küstrin gerettet zu haben, doch gleichzeitig berichten seine Informationsblätter über die Erschießungen von 19 Menschen wegen Plünderns, Desertierens und Ähnlichem – ohne Untersuchung oder Urteil. Die Rolle, die Körner bei diesen Morden gespielt habe, sei unklar, sagt Unglaube. Strafrechtliche Ermittlungen aber seien gegen ihn nicht geführt worden, er habe lediglich als Zeuge ausgesagt.
Im November 1950 hat die Entnazifizierungskommission Hermann Körner als entlastet eingestuft. Tomas Unglaubes Aufsatz ist im Bad Freienwalder Heimatkalender nachzulesen. Das Jahrbuch ist über die Albert-Heyde-Stiftung erhältlich.