Reinbek. Mit fünf Kindern auf Wohnungssuche im Raum Hamburg: Dank der Stiftung To Huus hat es für eine afghanische Familie jetzt geklappt.
Der Raum ist hell, großzügig und sauber, im Kaminofen flackert ein Feuer. Homa Khalili bittet mit einem Lächeln, auf der Couch der offenen Wohnküche Platz zu nehmen. Auch ihr Mann Wais Ahmad und die drei älteren Kinder setzen sich dazu, blicken ihren Besuch erwartungsvoll an. Die beiden Jungs Benjamin (9) und Amin (6) flitzen durch den Raum oder die Treppe hoch, spielen oder setzen sich zwischendurch dazu, schmiegen sich an die Eltern oder die älteren Geschwister.
Dank der Bergedorfer Stiftung To Huus hat die große Familie aus Afghanistan nach sieben Jahren in Deutschland endlich ein neues Zuhause im Reinbeker Stadtteil Schönningstedt gefunden.
Nach sieben Jahren Flüchtlingsheim: Familie findet Zuhause
Romal Khalili, mit 19 Jahren der älteste von fünf Geschwistern, war noch ein Kind, als er mit seiner Mutter in Deutschland ankam. Seitdem hat er nur Flüchtlingsunterkünfte kennengelernt. „Insbesondere die letzte war schrecklich“, erzählt er. Gerade macht der junge Mann eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, sein 16 Jahre alter Bruder Ramin hat einen Ausbildungsplatz als Elektriker und Gebäudetechniker.
Ihre Schwester Setayesh (13) besucht das Gymnasium Lohbrügge. Für die beiden Lütten steht am Nikolaustag noch das Gespräch mit der Grundschule Schönningstedt an, ob sie dort aufgenommen werden. Alle sind auf einem guten Weg.
Nach sieben Jahren endlich angekommen in Deutschland
Das war nicht immer so: 2015 begann ihre Odyssee, denn Vater Wais Ahmad Khalili hatte am Hindukusch als Polizist gearbeitet, dann kamen die Taliban. Khalili galt ihnen als Verräter und musste um sein Leben fürchten. Die Familie flüchtete über die Türkei nach Hamburg. Wais Ahmad Khalili wollte weiter nach Schweden.
Doch an der Grenze wurde er gestoppt, musste zu seiner Familie nach Hamburg zurückkehren. „Wir hatten von all diesen Regeln, wo wir Asyl beantragen mussten, Familienzusammenführung und so weiter, noch nie gehört“, erklärt Romal Khalili. „Wir wollten einfach in Sicherheit leben.“
In der Flüchtlingsunterkunft in Neu-Allermöhe war die Familie unglücklich. „Bis Mitternacht schrien die kleinen Kinder, ab Mitternacht die Jugendlichen herum“, erinnert sich Homa Khalili. „Die Jungs mochten wir nicht draußen spielen lassen und unserer 13-jährigen Tochter wurde Haschisch angeboten.“ Das habe eine Familie über ihnen verkauft. „Es war immer laut“, sagt die Mutter von fünf Kindern. „Hier ist es so schön ruhig, wir hören noch nicht einmal den Straßenverkehr.“ Ihr Ältester fügt hinzu: „Aber selbst Straßenlärm wäre uns recht, solange wir nur nicht mehr in der Unterkunft leben müssen.“
Frustrierend: Wohnungssuche für Flüchtlingsfamilie mit fünf Kindern
Für ihn steht auch außer Frage, dass er zu Hause bleiben möchte: „Erstens kann ich leider nicht kochen, zweitens – und das ist für mich ausschlaggebend – möchte ich bei meiner Familie sein“, sagt der 19-Jährige. „Warum sollte ich allein und einsam in einer Wohnung sitzen? Oder mit Fremden zusammenwohnen? Das bringt nur Stress.“ Seine Mutter freut es, ist ihre Familie beisammen, ist sie glücklich.
Die Wohnungssuche war für die geflüchtete Familie mit fünf Kindern schwierig, zumal die Eltern noch Probleme mit der deutschen Sprache haben. „Ich habe erst im Deutschkursus das Schreiben gelernt, das war für mich sehr schwer“, sagt die 35 Jahre alte Mutter. Denn in Afghanistan habe sie keine Schule besuchen dürfen. „In meinem Deutschkursus war ich mit einer Ärztin, Journalistin, lauter Studierten zusammen und ich konnte weder schreiben noch lesen. Ich hatte mir vor der Einstufung nur einiges aus den Hausaufgaben meiner Kinder abgeguckt.“ Oft sei sie fast verzweifelt, aber ihre Lehrerin habe sie immer wieder motiviert, erzählt sie dankbar: „Das werde ich ihr nie vergessen.“
Homa Khalili hat sich nicht getraut, sich zu freuen
Dankbar sind die Khalilis auch der Stiftung To Huus, die ihr nach einigen erfolglosen Anfragen bei der Saga und verschiedenen Maklern das ersehnte neue Zuhause vermitteln konnte. „Ich fand die Wohnung gleich sehr schön, aber ich habe doch wieder nur eine Absage befürchtet und mich nicht getraut, mich zu freuen“, sagt die 35-Jährige. Jetzt teilen sich die Eltern in der Vierzimmerwohnung ihr Schlafzimmer mit ihrem Zehnjährigen, der Jüngste schläft bei seiner Schwester im Zimmer, und die beiden älteren Brüder teilen sich den dritten Raum. Im Erdgeschoss gibt es eine große Wohnküche. „Außerdem haben wir sogar einen Garten“, schwärmt Homa Khalili.
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Es ist das erste Mal, dass Karina Korth mit ihrer Bergedorfer Stiftung To Huus Mieter über die Landesgrenze hinweg vermittelt hat. „Wir helfen bei Wohnungsnotfällen“, sagt sie. „Derartige Notfälle erhalten in Hamburg ein Dokument, das ist bei uns Bedingung, bevor wir aktiv werden“, erläutert die Stiftungsvorsitzende. „Wir vermitteln nur Mieter, an die auch wir vermieten würden.“ Gewöhnlich sind die Kandidaten allerdings Familien mit bis zu vier Mitgliedern.
Für den Vermieter war es der einfachste Weg
Deshalb werden die künftigen Mieter mit dem „Hamburger Mietführerschein“ eingehend auf ihre Pflichten vorbereitet, ob auf Mietvertrag, das richtige Lüften oder die Mülltrennung. Dafür müssen die Wohnungssuchenden einen Test bestehen. Außerdem begleiten die 35 ehrenamtlichen Wohnungslotsen die Mieter ein Jahr weiter durch die deutschen Regeln für ein Mietverhältnis: die Wartung der Rauchmelder, das Ablesen der Heizung und Ähnliches. „Danach können sie es allein“, versichert Karina Korth. 189 Personen haben so 2023 bisher ein neues Zuhause gefunden.
Den neuen Vermieter der Familie Khalili hat diese Betreuung überzeugt. „Wir brauchten schnell einen neuen Mieter“, erzählt der Reinbeker. „Für uns war dies zu diesem Zeitpunkt der einfachste Weg. Deshalb haben wir uns an die Stiftung gewandt, auf die ich zufällig bei Facebook gestoßen war.“ In diesem Fall verlief das Procedere genau umgekehrt und an allen Ämtern in Reinbek vorbei: „Der Vermieter hat uns die Miete genannt, die er braucht, und wir haben geschaut, wie viele Personen in der Wohnung leben müssten, um diese zu finanzieren“, berichtet Korth. „Daher haben wir die Behörde nach Familien mit sieben Personen gefragt.“ Zwei Familien hätten die Wohnung besichtigt, und die Familie Khalili habe schließlich das große Los gezogen.