Bergedorf. Stiftung „To Huus“ leistet vorbildliche Arbeit bei der Integration Geflüchteter. Warum es ohne Sprachkenntnisse nicht funktioniert.

Integration beschleunigen, Flüchtlinge in Arbeit bringen. So fordert es die Politik bundesweit. Doch was sich leicht sagt und logisch klingt, ist in der Realität schwer umsetzbar. Das zeigt sich am Beispiel der jungen Bergedorfer Stiftung „To Huus“. Ehemals an den Bergedorfer Verein für Völkerverständigung angedockt, vermittelte das Team sozial geförderten Wohnraum bisher hauptsächlich in Bergedorf.

Dank hoher Vermittlungsquote kooperieren inzwischen auch die Bezirke Wandsbek und Mitte mit der Stiftung. Das Problem: Finanziell wollen und können die Bezirke das Projekt nicht auf Dauer tragen. Auch die Bezirksversammlung Bergedorf hat den Zuwendungsantrag von „To Huus“ für 2024 angehalten.

Im jüngsten Hauptausschuss der Bezirksversammlung stellte Stiftungsgründerin und Geschäftsführerin Karina Korth das Projekt vor, um Detailfragen zu klären und Bedenken zu beseitigen. Auch Korth weiß, dass die dauerhafte Finanzierung vom Hamburger Senat und nicht aus den vergleichweise geringen Mitteln des Quartierfonds der Bezirks kommen muss.

Chronisch überfüllte Unterkünfte und zu wenig Personal für Vermittlungen bei den Behörden

„Die Vermittlung von Wohnungslosen aus Containern heraus ist eigentlich Aufgabe der Ämter. Aber bei der aktuell extrem angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt ist die Not groß“, weiß Karina Korth beim Blick auf überfüllte öffentliche Unterkünfte, aber auch die Verwaltung. „Die Fachstellen für Wohnungsnotfälle sind personell ausgezehrt, das Jobcenter überlastet. Auf dieser Basis kann die Verwaltung nicht mehr als Dringlichkeitsbescheinigungen ausstellen und kaum noch Wohnraum zuweisen.“

Genau da setzt die Arbeit der Stiftung „To Huus“ an.: „Wer ein Dringlichkeitspapier hat, kann sich bei uns melden“, erklärt Karina Korth. Die hohe Vermittlungsquote von „To Huus“ basiere dabei auf der engen Zusammenarbeit mit Wohnungsgesellschaften wie der Saga oder der Baugenossenschaften Bergedorf-Bille und Hansa. 2022 konnten laut Korth mithilfe der Stiftung allein in Bergedorf 89 Familien aus öffentlicher Unterbringung vermittelt werden. In diesem Jahr sind es bis jetzt 96 Haushalte, das entspricht 186 Personen.

Sechs Teilzeit-Mitarbeiterinnen sorgen für den Erfolg der Stiftung „To Huus“

Karina Kohrt kennt die Zahlen, die den Erfolg der Stiftung belegen. Sie kann auch aufzählen, wie viel Arbeit dahintersteckt. Sechs Teilzeit-Mitarbeiterinnen, zwei davon im Minijob, führen Vorgespräche mit Wohnungssuchenden, informieren in öffentlichen Sprechstunden über das Prozedere. Zudem leiten sie Seminare zum „Hamburger Mietführerschein“, schulen angehende Lotsinnen, koordinieren zwischen allen Beteiligten und entscheiden, wo das Sprach-Level ausreicht und wo ein echter Notfall vorliegt.

„Wir sind durchaus streng“, erläutert Karina Korth das Konzept. „Kein Deutsch, keine Wohnung“ lautet das Motto, nach dem Wohnungslose, darunter natürlich viele Migranten, gute Sprachkenntnisse vorweisen müssen. Denn in der Kooperation mit den Wohnungsgesellschaften gilt die Regel, dass der Hausmeister sich mit den Mietern verständigen können muss.

Gute Deutsch-Kenntnisse der Flüchtlinge sind Grundlage für jede erfolgversprechende Vermittlung

Außer der Sprachpraxis braucht es einwandfreie Schufa-Einträge – und den Mietführerschein. Den erhält, wer sich in einem fünfstündigen Workshop über das deutsche Mietrecht und alle Details von Haftpflicht über Rauchmelder bis hin zur Mülltrennung vertraut macht.

Den zweiten Schritt übernehmen ehrenamtliche Wohnungslotsen. Rund 35 von ihnen managen Besichtigungen und Wohnungsübergaben, kümmern sich um Anträge und helfen bei der Grundausstattung der Wohnung. Denn: Eine Sozialwohnung für Mieter mit Dringlichkeitsschein ist günstig, aber selten kuschelig. Viele gleichen einem Viereck aus Estrich und nacktem Beton. Die wenigsten haben eine Küche, nur die Anschlüsse schauen aus der Wand.

Auch Renovierungshelfer werden vermittelt

Mit einem Netzwerk von Renovierungshelfern und einer Möbelbörse versucht „To Huus“ Neumieter auch da zu unterstützen. Im ersten Jahr bleibt die Stiftung Ansprechpartner bei allen Fragen rund um die Anmietung. Dazu gehört auch die Beratung bei allen Integrationsfragen.

„Wichtig ist zu wissen, wie unfassbar anders das in den Ländern läuft, aus denen Geflüchtete zu uns kommen“, sagt Korth. Oft kennen sie keine Geldinstitute, keine Konten, keine übergeordneten Institutionen. Der Vermieter kam an den Arbeitsplatz und kassierte die Miete. „Wer jetzt einfach fragt, ob der glückliche Neumieter per Dauerauftrag oder lieber per Lastschrift zahlen will, blickt erstmal in ratlose Gesichter. Und dann muss man auch noch verstehen, wie der Darlehensabtretungsvertrag vom Jobcenter funktioniert.“

Eigene Wohnung als Chance, Ruhe für eine erfolgreiche Fortbildung oder Lehre zu finden

Fazit: Die Anmietung einer Wohnung kann schon Muttersprachler erschlagen. Für Migranten ist sie ohne Hilfe kaum machbar. Dabei sind die eigenen vier Wände entscheidend, um sich für den Job fortzubilden oder eine Ausbildung zu beginnen: „Jetzt kann ich endlich in Ruhe lernen“, hören Lotsen oft, wenn die Enge und der ständigen Lärmpegel der öffentlichen Container-Unterkünfte endlich verlassen werden konnte.

Tatsächlich hängen aber viele längst anerkannte Flüchtlinge in den Containern fest. Die durchschnittliche Verweildauer liegt in Hamburg mittlerweile bei über vier Jahren. Und das heißt vier Jahre Doppelstockbett, Gemeinschaftsküche, Licht, das an den Bewegungsmelder gekoppelt ist, und Kakerlaken, deren Augen im Dunkeln funkeln. Kein Rückzugsort, keine Privatsphäre, kein WLAN, keine Ruhe. Nach Meinung der „To Huus“-Mitarbeiterinnen, die das alles mit eigenen Augen gesehen haben, müssen Menschen mit Bleiberecht oder Arbeitsgenehmigung so schnell wie möglich da raus.

In Bergedorfs Containern leben studierte Ingenieure, ausgebildete Pfleger und Handwerker

Auch in Bergedorfs Containerdörfern warten studierte Ingenieure, ausgebildete Altenpfleger und Handwerker. Die nächsten Schritte sieht die Stiftung deshalb auch in der Vernetzung mit jenen Branchen, die händeringend nach Arbeitskräften suchen: Transport und Verkehr, Gesundheitswesen, Gastronomie. Die ersten Kontakte sind auch da gemacht.

Die Politiker im Hauptausschuss der Bezirksversammlung konnten die Philosophie und der Erfolg von „To Huus“ am Ende überzeugen. Auch dank einer Gegenrechnung. Nachdem Sonja Jacobsen (FDP) Skepsis über die Höhe der für 2024 anvisierten Zuwendungssumme von 137.352 Euro (gegenüber 131.000 im Vorjahr) äußerte, erläuterte Karina Korth, was es kostet, wenn Wohnungen nicht vermittelt werden. In öffentlicher Unterkunft kostet ein Bett pro Monat inzwischen rund 733 Euro.

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Dagegen kann eine vierköpfige Familie in einer Saga- oder Bergedorf-Bille-Wohnung für 600 Euro im Monat leben. „Wenn wir das für die Personen, die wir bis jetzt vermittelt haben, mal gegenrechnen, ergibt sich eine enorme Ersparnis für Bezirk und Senat.“ Hinzu kommen die Menschen, die bereits Arbeit haben und als Selbstzahler nach dem Umzug nicht mehr auf öffentliche Zuwendung angewiesen sind. In ihrem Fall ist der Wechsel in die eigene Wohnung für beide Seiten der letzte Schritt in die Unabhängigkeit.

Endgültig grünes Licht für die Förderung und damit für die Zukunft von „To Huus“ will die Bezirksversammlung am 30. November geben. Bis dahin kann man die Stiftung aber auch auf anderer Ebene unterstützen, denn das Leuchtturmprojekt aus Bergedorf ist in der Branche inzwischen über Stadt- und Landesgrenze hinaus bekannt. Das Magazin „Immobilienmanager“ hat die Stiftung gerade als einen von fünf Kandidaten für ihren Publikumspreis 2024 vorgeschlagen. Wer auf der Internetseite https://www.immobilienmanager.de/publikumspreis-0908022 die meisten Stimmen bekommt, wird unterstützt. Die Abstimmung läuft noch bis zum 6. März 2024.