Glinde. Der kleine Laden an der historischen Dorfstraße in Glinde schließt. Das sagt die 75-jährige Inhaberin Inge Funk über die Gründe.

Vielen Kunden gilt die Dorfstraße als schönste Einkaufstraße Glindes. Die kleinen Häuser wurden zwischen 1912 und 1920 als Wohnhäuser für die Landarbeiter des Gutes Glinde errichtet. Doch die kleine Straße wird zum Jahreswechsel um eine Attraktion ärmer. Denn Inge Funk schließt nach 19 Jahren ihr Geschenkestübchen – und ist dabei voller Wehmut: „Am liebsten würde ich auch mit 80 Jahren noch in meinem Laden stehen“, sagt die 75 Jahre alte Vollblutgeschäftsfrau. „Unsere Straße ist schon sehr heimelig und gemütlich. Und ich liebe es, den Menschen Freude zu bereiten.“

„Erstmal gucken“ lautet meist die Devise in ihrem kleinen Laden mit knapp 30 Quadratmeter Verkaufsfläche. Noch sind die Regale voll: viele bunte Figuren, Etageren, Leuchter für Kerzen, Tischlampen, Modeschmuck, Schlüsselanhänger und Weihnachtsschmuck hängen von der Decke herab. „Ich habe auch noch einen tollen Notenständer, viele Tücher oder Modeschmuck“, zählt Inge Funk auf. Die Weihnachtsartikel sind um 50 Prozent reduziert, die meisten anderen Artikel um 35 bis 40 Prozent.

Glinde: Inge‘s Geschenkestübchen schließt zum Jahresende

Denn am 31. Dezember ist endgültig Schluss, der Räumungsverkauf läuft. Auch die Möbel, vorwiegend Holz- und Metallregale, verkauft Inge Funk. Sie gibt auf, weil sich der Verkauf von Geschenk- und Dekorations-Artikeln zurzeit nicht mehr wirklich lohnt. Seit der Pandemie gehe dies so – nicht allein deshalb, weil sie die Corona-Hilfen zurückzahlen musste. Es gab auch einen Einbruch bei den Einnahmen.

Die historische Dorfstraße gilt vielen Glindern als schönste Straße in ihrer Stadt.
Die historische Dorfstraße gilt vielen Glindern als schönste Straße in ihrer Stadt. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

„Seit der Corona-Zeit ist die Kaufzurückhaltung deutlich zu spüren“, hat die Glinderin beobachtet. „Seitdem gibt es eine Krise nach de r anderen: der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise, jetzt die Terrorangriffe in Israel. Das schlägt aufs Gemüt, lässt die Leute vorsichtiger werden und spiegelt sich auf die Kauflust wider.“ Auch als Gast eine Kleinigkeit mitzubringen, werde von der jungen Generation heute oft anders gesehen. „Ich selbst schenke sehr gern“, erzählt Inge Funk. „Mir macht das einfach Spaß.“

Der Markt wird für kleine Geschäfte immer schwieriger

Ganz abgesehen von weiteren Umständen, die den kleinen Einzelhändlern ihre Geschäfte erschweren würden. So werde es für sie immer schwieriger, geeignete Lieferanten zu finden. „Viele schreiben Mindestbestellmengen vor, die kleinere Geschäfte einfach überfordern.“ Außerdem erwartet sie, dass es auch für kleinere Firmen künftig technische Mindestanforderungen geben werde, die sie nicht mehr erfüllen will. „Bei mir läuft noch alles analog“, sagt sie, als sie einer Kundin ihren handgeschriebenen Beleg gibt, den sie selbst als Durchschlag behält.

Seit sechs Jahren keinen Urlaub, jeden Tag außer sonntags ab 9.30 Uhr im Laden stehen, die Verkaufsräume bei laufendem Betrieb nach Feierabend neu streichen, Buchhaltung, Bestellungen und Einkauf abends erledigen und möglichst niemals krank werden – all dies habe Inge Funk in ihrem Berufsleben nicht gestört. Sie hat noch zusätzlich auf dem Weihnachtsmarkt in Basthorst verkauft. „Ich bin gern meine eigene Chefin und bediene meine Kunden so, wie ich selbst bedient werden möchte“, erklärt die 75-Jährige. „So bin ich aufgewachsen, ich stamme aus einer Kaufmannsfamilie.“

Auch interessant:

Inge Funk ist Geschäftsfrau mit Herz und Seele

Schon nach ihrer Lehre im Verkauf bei Penndorf Bergedorf habe man ihr dort sogleich eine Abteilungsleitung angeboten. Dann wurde sie schwanger und blieb zuerst für ihre heute 54 Jahre alte Tochter zu Hause. Später kehrte sie nach und nach wieder in das Berufsleben zurück: Erst in ein Orthopädietechnikgeschäft ihrer Schwägerin, dann ergab sich zufällig die Gelegenheit in das damalige Gardinengeschäft an der Dorfstraße einzusteigen. „Zuerst war das eine Shop-in-Shop-Lösung“, erinnert sich Inge Funk. „Aber nach einem Jahr hat sich die Inhaberin aus dem Berufsleben zurückgezogen, und ich habe das Geschäft allein übernommen.“ Damals habe sie sogar noch im ersten Stock verkauft.

Ihre Kundschaft bedauert, dass Inge Funk sich aus Glindes Geschäftswelt zurückzieht. „Das ist schon schade, dass es diesen Laden nicht mehr geben wird“, stellt ihre Kundin Dagmar Svensson fest. „Wenn ich keine Lust habe, in die Innenstadt hineinzufahren, komme ich hierher.“ Die Verbindung von Glinde nach Bergedorf sei unzureichend, deshalb kaufe sie dort nicht ein. Doch unter den Interessenten für die Immobilie sei niemand gewesen, der ein neues Geschäft gründen will, weiß Funk. Überrascht hat sie dies unter den genannten Umständen allerdings nicht.

Geschäftsfrau engagiert sich in der Kommunalpolitik

Sie selbst kann es jedoch noch nicht so ganz lassen: „Vielleicht werde ich künftig noch auf Märkten verkaufen“, überlegt sie laut. Dafür habe sie noch genug Energie. „Ich bin sportlich“, erklärt sie. Und die 75-Jährige engagiert sich als CDU-Mitglied im Bau- und im Finanzausschuss. „Man lernt so viel dazu, das liebe ich“, sagt Inge Funk.