Glinde. Eines der letzten erhaltenen historischen Gebäude Glindes wird saniert. Der Turm ist fast fertig. Richtig teuer wird es kommendes Jahr.
Noch ist der Turm des Glinder Gutshauses an der Möllner Landstraße von einem Gerüst ummantelt. In wenigen Tagen wird es abgebaut. Der Gebäudeteil wurde saniert, laut Bürgermeister Rainhard Zug sind nur noch restliche Malerarbeiten zu erledigen. Rund 250.000 Euro kostet das Projekt. Damit ist die unter Denkmalschutz stehende Immobilie aber längst nicht auf Vordermann gebracht. Es wird richtig teuer. Im kommenden Jahr steht die Erneuerung der Balkone sowie der Elektrik an. Die Stadt rechnet mit Investitionen von mehr als 900.000 Euro. „Das ist viel Geld, aber wenn wir es nicht machen, verfällt das Gutshaus“, sagt der Verwaltungschef.
Die Politik sieht das genauso. Vor Kurzem hat der Sozialausschuss einstimmig beschlossen, einen Zuschuss zu gewähren als Vollfinanzierung mit Begrenzung auf einen Höchstbetrag von 929.000 Euro. Die Bestätigung im Finanzausschuss am 6. November und in der Stadtvertretung am 30. jenes Monats ist nur eine Formalie. Eigentümer des 134 Jahre alten Komplexes ist die Sönke-Nissen-Park-Stiftung, deren Träger wiederum die Stadt. „Wir geben pro Jahr allgemein einen Zuschuss von 95.000 Euro, das beinhaltet auch zwei Personalstellen“, sagt Zug. Die Kommune hat einen Kontrakt unterschrieben mit der Verpflichtung, das Haus zu erhalten. „Die Stiftung hat keinen Kapitalstock“, erklärt der Bürgermeister.
Stahlträger im Gutshausturm waren verrostet
Eigentlich sollten die Balkone schon angefasst sein. Mehr als 200.000 Euro hatten die Parteienvertreter 2022 dafür bewilligt. Dann wurden die zur Verfügung gestellten Mittel jedoch umgewidmet für den markanten Turm, der aus dem Jahr 1912 stammt. „Wir haben Probeöffnungen gemacht und erhebliche Mängel festgestellt. Er hat eine innenliegende Entwässerung, die Stahlkonstruktion war verrostet“, sagt Zug. Jetzt sei alles wie neu inklusive der Holztreppe. Betreut wurde das Projekt von der Architektin Pia Enders-Ahlers aus Wentorf. Sie ist spezialisiert auf die Sanierung von Altbauten.
Der Aufwand für die Instandhaltung des Gebäudes und der Außenanlagen ist seit vielen Jahren kontinuierlich hoch. Nach der letzten abgeschlossenen Grundsanierung und Restaurierung zwischen 1987 und 1993 waren seit 2011 immer wieder große Aktionen nötig. Fassaden und Räume im Erdgeschoss wurden renoviert und das Dachgeschoss energetisch fit gemacht. Von 2014 bis 2019 war der Schwerpunkt der Arbeiten im Keller, der von Feuchteschäden befreit wurde. Bei den Balkonen will man laut Zug Holz statt Beton verwenden zwecks Entlastung. Soll heißen: Das Gewicht wird reduziert. „Die Systematik, wie man es genau macht, ist mit der Denkmalschutzbehörde abgestimmt“, so der Bürgermeister.
Glindes Bürgermeister ist Stiftungsvorsitzender
Allein für die Balkone sind 850.000 Euro veranschlagt, 55.000 weitere für die Elektrik. Zug bezeichnete die Immobilie jüngst als das schönste Haus Glindes. Es ist eines der wenigen verbliebenen historischen Gebäude. Wie berichtet, war die Suck‘sche Kate an der Dorfstraße, ein Kulturdenkmal, in diesem Sommer abgebrannt. Und die 1887 erbaute Villa Bode am Mühlenteich, außerhalb der Stadt vor allem bekannt als italienisches Nobel-Restaurant San Lorenzo, wurde im September abgerissen. Sie wird durch einen Komplex mit acht Luxus-Mietwohnungen ersetzt.
Das Gutshaus aus dem Jahr 1889 hatte mehrere Besitzer. 1901 erwarb es der Ökonomierat Franz Rudorff, der das Gut zu einem Musterbetrieb der Milchwirtschaft machte. Aus wirtschaftlichen Gründen veräußerte er elf Jahre später an den Bauingenieur Sönke Nissen. Dieser ließ das Gebäude im Stil eines nordelbischen Herrenhauses umbauen. Ein Nachfahre brachte die Immobilie in den 70er-Jahren per Schenkung in die neugegründete Stiftung ein. Vorstandsvorsitzender ist Glindes Bürgermeister, sein Stellvertreter Volker Müller aus Reinbek. Der Rentner leitete früher hauptberuflich die Stiftung und engagiert sich nun ausschließlich ehrenamtlich.
Bürger können Räume für Festivitäten mieten
Er initiierte zahlreiche Projekte für Jugendliche: unter anderem den Bauspielplatz, die Betreuung von Straffälligen und Nachhilfe für Lernschwache. Die Sönke-Nissen-Park-Stiftung hat drei Grundpfeiler. Das sind neben der Gemeinwesenarbeit die Schuldner- und Insolvenzberatung sowie das Kultur- und Bildungswerk, in dem die Volkshochschule integriert ist. Im Gutshaus gibt es zum Beispiel einen Miniclub mit Angeboten wie Eltern-Kind- und Krabbelgruppe, Alleinerziehendentreff und Hausaufgabenhilfe für Erst- und Zweitklässler.
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Ein Pflegestützpunkt, die Arbeitsgemeinschaft Senioren, Arbeiterwohlfahrt und eine Reparaturwerkstatt sind ebenfalls in dem Gebäude zu finden. Nicht zu vergessen die Glinder Tafel mit ihrer Lebensmittelausgabe immer donnerstags ab 13.30 Uhr. Auf deren Homepage ist zu lesen, dass derzeit keine neuen Kunden aufgenommen werden. Die Kapazitätsgrenze für das Pesonal sei erreicht.
Das Gutshaus hat eine facettenreiche Nutzung, Räume können auch für Hochzeitsfeiern und andere Festivitäten gemietet werden – Geschirr und Besteck inbegriffen. Das komplette Erdgeschoss samt Wintergarten kostet zum Beispiel 600 Euro. Die Kammerkonzerte im Kaminzimmer sind beliebt bei Klassikfreunden weit über die Grenzen der Stadt hinaus. Kunstausstellungen, Kinoabende und Flohmärkte runden das Programm ab. Dass die Stadt keine Investitionen in das Gebäude scheut und die Parteien eine gemeinsame Linie verfolgen, ist daher nicht überraschend.