Reinbek. Kurioser Grundstücksstreit in Reinbek schlägt Wellen. Politiker wollen Bebauungsplan ändern, Grüne halten gar Enteignung für möglich.

Es ist nur ein kurzes Stück, keine 30 Meter – und doch ist es entscheidend für die Bewohner des Reinbeker Stadtteils Krabbenkamp. Um schnell zu Fuß oder mit dem Rad nach Wohltorf oder Aumühle zu kommen, nutzen die Krabbenkamper seit Jahrzehnten den Billewanderweg.

Doch ein kurioser, bereits Monate andauernder Grundstücksstreit bremst die Anwohner seit Längerem aus. Die Strecke nach Wohltorf oder Aumühle auf dem Billewanderweg endet jetzt an einem Zaun. Den hat ein Grundstückseigentümer an der Straße Krummwisch gesetzt – und das vollkommen zu Recht. Denn der Weg ist an dieser Stelle nicht öffentlich, sondern Teil seines Grundstücks. Als Eigentümer habe er das Recht, sein Grundstück einzufrieden, bestätigt Bauamtsleiter Sven Nötzel.

Im Reinbeker Stadtteil Krabbenkamp droht Zwangsenteignung

Den Anwohnern, Hundespaziergängern und Schulkindern, die den Weg als autofreie Alternative nutzten, um zur Grundschule nach Wohltorf zu kommen, hilft diese Einschätzung wenig. Verständnis für das plötzliche Abschneiden eines öffentlich geglaubten Weges bringen sie auch nicht auf.

„Diesen Weg gibt es seit mehr als 40 Jahren. Wieso kann ein Anlieger ihn einfach absperren, gilt da nicht ein Gewohnheitsrecht?“, fragt Anwohner Gerd Becker bei einem ersten Vorort-Termin mit unserer Zeitung. Wer kann, weicht derzeit auf einen schmalen und matschigen Trampelpfad aus. Für mobilitätseingeschränkte Senioren mit Rollatoren und Familien mit Kinderkarren eignet sich der aber nicht.

Stadt war selbst überrascht und hat Weg immer gepflegt

Die Frage des Anwohners findet Reinbeks Grünen-Chef Günter Herder-Alpen durchaus nachvollziehbar. Aber er musste auch lernen, dass das Gewohnheitsrecht nur da greift, wo es keine geltende Rechtsprechung gibt. Zufriedenstellend findet der Reinbeker das aber nicht: „Es kann doch nicht sein, dass einer den Weg für alle abschneidet, nur weil in der Vergangenheit etwas versäumt wurde“, sagt Herder-Alpen.

Bebauungsplan soll nachträglich „geheilt“ werden

Versäumt wurde vor 44 Jahren, als der Stadtteil neu entstanden ist und die Grundstücke den Besitzer wechselten, an dieser Stelle ein Wegerecht ins Grundbuch einzutragen. Das müssen seine Vorgänger übersehen haben, bestätigt Sven Nötzel. Bis dato, bis die Grundstücke neu vermessen wurden, ging das Bauamt selbst davon aus, dass der Weg öffentliche Fläche ist und hat die Pflege übernommen.

Das Wegerecht nachträglich einzutragen, sei möglich, genauso wie den Besitzern die wenigen Meter abzukaufen. Der Bürgermeister persönlich hat bereits mehrfach das Gespräch mit den betroffenen drei Anliegern gesucht, doch nicht alle sind bereit, zugunsten der Allgemeinheit eine Lösung zu finden.

Oberstes Ziel sollte es sein, eine langfristige Lösung zu finden

Damit aber wollen sich die Grünen nicht zufriedengeben. „Nur weil ein Fehler in der Vergangenheit passiert ist, kann doch nicht die ganze Allgemeinheit Jahrzehnte später darunter leiden“, sagt Herder-Alpen. Deshalb hat sich seine Fraktion nun mit Unterstützung der CDU und SPD im jüngsten Umweltausschuss dafür eingesetzt, dass der Bebauungsplan für das Gebiet entsprechend geändert, nachträglich „geheilt“ und eine „öffentliche Wegeverbindung ausgewiesen wird“. Ein entsprechender Antrag wurde mehrheitlich beschlossen.

Wie diese Änderung konkret aussehen soll, das steht noch nicht fest und muss nun weiter im Bauausschuss beraten werden. „Eine Änderung der Eigentumsverhältnisse muss damit nicht zwangsläufig verbunden sein“, sagt Nötzel. Oberstes Ziel sollte es sein, eine langfristige Lösung zu finden.

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Wenn sich die Anlieger aber weiter quer stellen, könnte ihnen mit der B-Planänderung im letzten Schritt auch eine Zwangsenteignung drohen – ähnlich wie beim Bau einer Autobahn. „Das ist keineswegs ein Selbstgänger und kein Standardverfahren. In meiner beruflichen Laufbahn habe ich das noch nicht erlebt“, gibt Nötzel zu bedenken.

Zumal das Verfahren eine lange, womöglich Jahre andauernde juristische Auseinandersetzung nach sich ziehen könnte – auch weil die gesetzliche Entschädigung in diesem Fall für die Anlieger meist nicht hoch ist. Den Grünen sei es aber wichtig, auch diese letzte Option ins Kalkül zu ziehen. Insbesondere, um künftigen Verhandlungen Nachdruck zu verleihen. Eine friedliche Einigung sei weiterhin der beste Weg, sagt Herder-Alpen.