Reinbek. In ganz Reinbek wurden die Nager gesichtet. Jetzt scheint sich die Situation zu entspannen. Was ist passiert?

Die öffentliche Diskussion zeigt offenbar Wirkung. Die Müllberge sind vielerorts in der Stadt verschwunden, und gleichzeitig wurden in den vergangenen Wochen kaum noch Ratten in Reinbeks Straßen gesichtet.

Vor allem die Anwohner der Wohnblöcke rund um den Täbyplatz atmen auf. Monatelang mussten sie sich mit den Ekel hervorrufenden Nagern herumschlagen, sprachen einige von einer regelrechten Plage. „Die Tiere waren tagsüber ständig an den überfüllten Mülltonnen zu sehen, liefen unter den geparkten Autos hindurch, über die Gehwege und verschwanden in der Kanalisation“, hat Anwohner Rolf Woyde beobachtet und dem Ordnungsamt der Stadt gemeldet.

Rattenplage vorerst vorbei: Müllberge und Nager verschwunden

Laut Infektionsgesetz des Landes Schleswig-Holstein sind Bürger dazu verpflichtet, denn die Tiere gelten als Nahrungsmittelschädlinge und verbreiten Krankheitserreger. „Wir nehmen jede Meldung sehr ernst“, sagt die zuständige Mitarbeiterin. Meldungen von Rattensichtungen gehen immer mal wieder im Rathaus ein, „aus allen Teilen der Stadt, einen Hotspot gibt es in Reinbek aber nicht“, sagt sie.

Die Stadt versuche, die Population der Nager zu begrenzen, und reagiere umgehend, wenn sie darf. Denn wenn die Tiere auf Privatgrund gesehen wurden, sind der Stadt die Hände gebunden. Dann müssten sich die Eigentümer selbst kümmern und einen Kammerjäger rufen – wie im Fall der Wohnblöcke am Dithmarscher Weg.

Eigentümer gibt es hier viele. Die Verwaltung der Wohnungen hat die Industria mit Sitz in Frankfurt übernommen. Doch da ist nur schwer jemand erreichbar – auch für die Mitarbeiter des Ordnungsamtes nicht.

Illegale Sperrmüllhaufen in den Wohnstraßen ziehen Ratten an

Es tat sich also zu wenig in Sachen Rattenbekämpfung in den vergangenen Monaten rund um die Wohnstraßen am Täbyplatz. Bis der 79-jährige Rolf Woyde die ekeligen Zustände nicht mehr aushielt und Ende September unsere Redaktion einschaltete. „Wenig später war das Müllproblem gelöst, und wir haben seitdem keine Ratte mehr gesehen“, sagt der Rentner erleichtert.

Rolf Woyde, Anwohner der Bogenstraße, ist froh, dass das Rattenproblem in seinem Viertel vorerst gelöst zu sein scheint.
Rolf Woyde, Anwohner der Bogenstraße, ist froh, dass das Rattenproblem in seinem Viertel vorerst gelöst zu sein scheint. © Gerullis | Undine Gerullis

Wie das Müllproblem angegangen wurde, erklärt Industria-Sprecher Daniel Sohler, der sich nach Erscheinen der Artikel in der Redaktion gemeldet hat. „Wir haben mehrsprachige Flyer zur Mülltrennung an die Bewohner verteilt und setzen nun darauf, dass die Bewohner auch mitwirken.“ Sohler verheimlicht im Gespräch nicht, dass es in der Straße immer wieder zur illegalen Entsorgung von Sperrmüll komme. „Wir sind dem auf dem Grund, konnten den Verursacher aber nicht ausfindig machen. Auf den Kosten für die Entsorgung ist die Eigentümergemeinschaft sitzen geblieben.“

Durchgelegene Matratzen, kaputte Lattenroste, halbe Schranktüren – wochenlang waren die zu einem illegal Sperrmüllhaufen am Angeliter Weg aufgetürmt. Zur Freude der Ratten und zum Leidwesen der Anwohner. Am Freitag wurde der Sperrmüll endlich entsorgt. „Stehen geblieben ist nur ein alter Kühlschrank“, sagt Woyde, der hofft, dass die Ordnung in seinem Viertel nun etwas länger Bestand hat.

Politik setzt auf Aufklärung: Stadt erstellt Info-Flyer

„Das war hier mal ein Vorzeigeviertel“, sagt Matthias Ahrens, Anwohner des Eichenbusch ein paar Straßen weiter. Das sei es schon lange nicht mehr, aber auch bei ihm hat sich seit der Berichterstattung das Blatt zum Positiven gewendet. „Zuerst wurden im Hausflur Infoblätter zur Mülltrennung aufgehängt. Seitdem werden die Tonnen wieder regelmäßig geleert“, sagt Ahrens.

Illegaler Hausrat entsorgt. Gestern wurde der Sperrmüll am Angeliter Weg endlich nach Wochen abgeholt.
Illegaler Hausrat entsorgt. Gestern wurde der Sperrmüll am Angeliter Weg endlich nach Wochen abgeholt. © Gerullis | Undine Gerullis

Auf Aufklärung setzt auch Reinbeks Politik, die in dieser Woche dem Antrag der SPD zum Thema Rattenbekämpfung gefolgt ist. „Es soll insbesondere eine Sensibilisierung in Bezug auf den Umgang mit Essensresten und anderem Abfall erreicht werden“, sagt Philipp Quast, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD. „Wir sind bereits dabei, einen Info-Flyer zu erstellen“, sagt Jürgen Vogt-Zembol, Leiter des Fachbereichs Umwelt der Stadt Reinbek. Auch er betont, dass bei Rattensichtungen in öffentlichen Parkanlagen sofort der Schädlingsbekämpfer eingeschaltet wird.

Wetter spielt bei Rattenbekämpfung in die Karten

Der Flyer soll möglichst noch in diesem Jahr gedruckt werden und in den Einrichtungen der Stadt ausgelegt, in den sozialen Medien beworben und womöglich auch an die Haushalte verteilt werden. Dass das dreiseitige Infoblatt in jedem Fall mehrsprachig ist, darauf hat Günter Herder-Alpen, Fraktionsvorsitzender der Grünen und Ausschussvorsitzender, gedrungen.

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Unwissenheit sei eine Hürde bei der richtigen Befüllung der Tonne. Weitere seien Anonymität und die mangelnde soziale Kontrolle in großen Wohnanlagen sowie oft zu kleine Mülltonnen für zu große Müllmengen, weiß Jens Göhner, Geschäftsführer der Firma Willi Damm, die im Auftrag der Abfallwirtschaft Südholstein die Entsorgung in Reinbek übernommen hat. Zwischen zehn und 30 Prozent der Müllmengen landen in der falschen Tonne. Signifikant gestiegen ist der Anteil an Fehlbefüllungen in den vergangenen Jahren aber nicht.

Neben dem womöglich geänderten Verhalten beim Müllwegräumen spielt bei der Bekämpfung der Ratten sicher auch das Wetter in die Karten. Laut Ordnungsamt häufen sich die Meldungen an Rattensichtungen im Frühjahr und Sommer und nehmen im Herbst und Winter ab. Das kann der professionelle Schädlingsbekämpfer Torsten Kindschuh bestätigen. Er vermutet, dass häufiges Grillen im Sommer die Tiere quasi anziehe.