Todendorf. Imker Philipp Lemke sieht Familienbetrieb in Gefahr, seit das Land seine Grundstückszufahrt gekappt hat. Nun plant er Großes.
Tag für Tag können Philipp Lemke und seine Familie die Baufortschritte am Ausbau der B404-Trasse zwischen dem Kreuz Bargteheide und der Anschlussstelle Lütjensee/Schönberg hautnah verfolgen. Weil ihr Bauernhof nur einen Steinwurf entfernt liegt, haben sie beste Sicht auf das Geschehen. „Kaum zu glauben, dass die Freigabe des Streckenabschnitts erst im Mai nächsten Jahres erfolgen soll“, sagt Lemke. Soweit das Auge reicht, trägt die nagelneue Fahrbahn bereits wieder eine frische Schwarzdecke. Und auch jene Nothaltebucht ist schon angelegt, wo es bisher einen Abzweig zum Gehöft der Familie gab. Dass dieser nun ersatzlos verschwunden ist, hat die Familie bis vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geführt.
Wie bereits berichtet, hatten die Lemkes gegen den Planfeststellungsbeschluss zum dreistreifigen Ausbau der B404 zwischen A1 und A24 geklagt. Seit fünf Jahren betreibt Philipp Lemke im ehemaligen Kuhstall des Hofs einen Fachhandel für Imkereibedarf mit mehr als 2000 Produkten und 4000 Produktvarianten, der zwei- bis dreimal pro Woche durch Transporter verschiedener Firmen beliefert wird. Dafür nutzten die Spediteure bisher den Wirtschaftsweg mit direktem Anschluss an die Bundesstraße.
Anspruch auf Grundbuchsicherung ist verjährt
Den Weg gab es bereits, lange bevor die B404 in den 1960er-Jahren gebaut worden ist. Als Philipp Lemkes Urgroßvater Heinrich Distel dafür Anfang 1961 mehrere Flurstücke aus seinem 16 Hektar umfassenden Acker- und Weideland abgetreten hatte, sollte er im Gegenzug ein grundbuchlich gesichertes Nutzungsrechtsrecht für den Anschluss an die B404 erhalten. Diese Eintragung ist durch das Land allerdings nie vorgenommen worden – und der Anspruch darauf inzwischen verjährt. Ein Versäumnis, das sich nun bitter rächt.
Zwar gibt es eine rückwärtige Umfahrung über einen nur teilweise ausgebauten Feldweg. Da dieser aber auf der gesamten Länge von rund 2,5 Kilometern nur einspurig und für Begegnungsverkehr nicht ausgelegt ist, haben bereits mehrere Lieferanten angekündigt, Lemke künftig auf diesem Weg nicht mehr beliefern zu wollen.
Familie Lemke will alle Rechtsmittel ausschöpfen
„Damit steht unser Familienbetrieb vor dem Aus. Wir wären faktisch gezwungen, ihn zu verlagern. Das ist für uns aber weder aus familiären noch aus finanziellen Gründen derzeit eine Option“, sagt Lemke. An der B404 befinde sich sein Fachhandel auf eigenem Grund und Boden. Woanders müsse er Gewerbefläche anmieten oder gar neu erwerben, das mache betriebswirtschaftlich gesehen überhaupt keinen Sinn.
Deshalb gibt sich der Vater dreier Kinder unverändert kämpferisch. „Dass unsere Rechtsauffassung von den Gerichten bislang nicht geteilt wurde, bedeutet für mich nicht, dass wir im Unrecht sind“, so Lemke. Solange nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft seien, würden er und seine Familie nicht aufgeben.
Eilantrag auf Ausbau-Stopp wurde abgewiesen
Dabei liegt schon ein langes juristisches Tauziehen hinter den Todendorfern. Anfang Juni hatte der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Schleswig den Eilantrag auf einen Ausbau-Stopp bereits abgewiesen. Weil es sich um ein „Infrastrukturvorhaben mit überregionaler Bedeutung“ handele, hätten die Richter keine Gründe für eine aufschiebende Wirkung der Klage erkennen können, hieß es seinerzeit in der Urteilsbegründung. Einen „Anspruch auf optimale Erreichbarkeit“ gebe es nicht, solange „andere zumutbare Alternativen“ existierten mit Umwegen von bis zu zweieinhalb Kilometern Länge.
So urteilte der 4. Senat des OVG Schleswig Ende September nun auch im Hauptsacheverfahren und wies sowohl eine Anbindung über die neugeschaffene Nothaltebucht als auch den Bau einer alternativen Straßenanbindung parallel zur B404 sowie aktiven Schallschutz in Form einer Lärmschutzwand oder eines Lärmschutzwalls erneut ab.
Alternativer Parallelweg als unverhältnismäßig abgelehnt
Laut ausführlicher Urteilsbegründung erhöhe der dreispurige Ausbau der B404 die Verkehrssicherheit. Eine Beibehaltung der Zufahrt, die bislang schon eine Gefahrenquelle dargestellt habe, würde die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen. Ferner bringe sie auch keinen Vorteil mehr, da nach dem Ausbau ein Kreuzen der Fahrbahnen Richtung Süden nicht mehr möglich sei.
Dass die Nutzung einer Zuwegung über die Gemeindestraße Zum Mühlenteich grundsätzlich nicht möglich sein soll, sei nach Ansicht des Gerichts weder ersichtlich noch hinreichend substanziiert vorgetragen. Die Errichtung eines Parallelwegs zur B404 in Richtung L296 wurde mit der Begründung abgelehnt, der Ausbau würde zusätzliche Kosten von bis zu 665.000 Euro und Eingriffe in ein wertvolles Biotop bedeuten. All das sei hinsichtlich Aufwands und Nutzens unverhältnismäßig.
Lärmschutzwall hätte 85.000 Euro mehr gekostet
Ebenso wie die Forderung der Familie nach aktivem Lärmschutz. Für eine Unterschreitung der Immissionsgrenzwerte im Wohngebäude der Lemkes müsse entweder eine 120 Meter lange und 2,50 Meter hohe Lärmschutzwand oder ein 100 Meter langer Wall mit einer Höhe von 3,50 Metern errichtet werden. Im Vergleich zu passivem Lärmschutz (Spezialfenster) entstünden dabei aber Mehrkosten von rund 85.000 Euro. Außerdem würde der Wall, zu dessen Herstellung etwa 3600 Kubikmeter Boden bewegt werden müssten, letztlich eine Fläche von circa 2000 Quadratmetern in Anspruch nehmen.
Den Verweis auf aktiven Lärmschutz für ein ähnlich weit entferntes Gehöft im Bauabschnitt 2 wiesen die Richter mit der Begründung ab, dass die Grenzwerte dort nachts an sechs Stellen um 1,0 bis 5,7 Dezibel überschritten würden. An zwei Punkten lägen die Werte sogar an der Grenze der Gesundheitsgefährdung von 60 Dezibel und damit höher als am Hof der Lemkes.
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Bestätigt wurde vom Gericht zudem die Verjährung der unterlassenen grundbuchlichen Sicherung des Zugangs zur B404. Die Familie habe schlicht „über Jahre versäumt“, ihren Anspruch durchzusetzen. Letztlich beurteilte das OVG Schleswig den Abwägungsvorgang zum Planfeststellungsbeschluss als fehlerfrei und konnte eine Verletzung subjektiver Rechte nicht feststellen. Sowohl die Positionierung der Nothaltebucht als auch das Entfallen der Zufahrt zur B404 seien rechtmäßig. Eine Revision gegen das Urteil werde nicht zugelassen.
Dagegen wollen die Lemkes nun bis zum 16. Dezember Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, der höchsten und letzten Instanz, einlegen. „Wir haben bereits einen dort akkreditierten Anwalt mit der Wahrung unserer Interessen beauftragt und sehen uns nicht chancenlos“, sagt Philipp Lemke. Zwar habe der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV.SH) mit einem „beeindruckend zügigen Ausbau“ der B404 vor dem Grundstück der Familie Tatsachen geschaffen. Die Hoffnung auf ein Urteil, das auch ihre Interessen berücksichtigt, will er deshalb aber nicht aufgeben.