Todendorf/Schleswig. Mit dem Ausbau der Bundesstraße verschwindet für Imkerfachhandel wichtige Anbindung. OVG urteilt, Familie habe keinen Anspruch darauf.

Aus und vorbei! Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht (OVG) hat jüngst den Planfeststellungsbeschluss zum Bau von Überholfahrstreifen im Bauabschnitt 1 der Bundesstraße 404 zwischen der A1 und der A24 bestätigt und die Klage eines Anrainers auf Anbindung über eine Nothaltebucht abgewiesen. „Ich bin noch immer fassungslos. Dieses Urteil kennt keine Gewinner, sondern nur Verlierer, nämlich meine Familie“, sagt Phillip Lemke. Es sei schlicht frustrierend, wie das Land mit seinen Bürgern umgehe und anscheinend die Gefahr der Vernichtung von Existenzen billigend in Kauf nehme. Mit der Entscheidung des OVG stehe sein Fachgeschäft für Imkereibedarf nunmehr vor dem Aus.

OVG: Eilantrag auf Ausbau-Stopp wurde abgewiesen

Wie bereits berichtet, soll mit dem dreistreifigen Ausbau der B404 zwischen dem Kreuz Bargteheide und der Anschlussstelle Todendorf/Sprenge eine Nothaltebucht auf Höhe des Hofes Lemke entstehen. Dadurch entfällt aber zugleich ein Wirtschaftsweg, den es seit dem Bau der Bundesstraße in den 1960er-Jahren immer gegeben hat und für die Handelstätigkeit des Familienbetriebs unverzichtbar ist.

Anfang Juni hatte der 4. Senat des OVG Schleswig den Eilantrag auf einen Ausbau-Stopp bereits abgewiesen. Weil es sich um ein „Infrastrukturvorhaben mit überregionaler Bedeutung“ handele, hätten die Richter keine Gründe für eine aufschiebende Wirkung der Klage erkennen können, hieß es seinerzeit in der Urteilsbegründung. Einen „Anspruch auf optimale Erreichbarkeit“ gebe es nicht, solange „andere zumutbare Alternativen“ existierten mit Umwegen von bis zu zweieinhalb Kilometern Länge.

Gericht sieht keine Verletzung subjektiver Rechte

Solch eine Ausweichmöglichkeit gibt es im konkreten Fall tatsächlich. Die Straße Zum Mühlenteich östlich der Bundesstraße ist allerdings über weite Abschnitte ein teilweise unbefestigter Feldweg sowie auf gesamter Länge von 2,5 Kilometern nur einspurig. Weil bei Begegnungsverkehr im Ernstfall viele Hundert Meter zurückgesetzt werden müsste, hatten zwei Speditionen angekündigt, Lemke künftig nicht mehr zu beliefern, sollte eine direkte Zufahrt über die B404 nicht mehr möglich sein.

Das Oberverwaltungsgericht beurteilte den Abwägungsvorgang zum Planfeststellungsbeschluss im Hinblick auf die mit der Klage angegriffenen Punkte nun aber als fehlerfrei und konnte eine Verletzung subjektiver Rechte nicht feststellen. Sowohl die Positionierung der Nothaltebucht als auch das Entfallen der Zufahrt zur B404 wurden für rechtmäßig erachtet.

Auch aktiver Lärmschutz wird der Familie verwehrt

Eine detaillierte Urteilsbegründung liegt zwar noch nicht vor. Eine Revision wird jedoch nicht zugelassen. Damit zeichnet sich für die Familie Lemke, zu der außerdem Ehefrau Claudia sowie die Kinder Max (9), Laura (6) und Nesthäkchen Sofie (4) gehören, eine juristische Niederlage auf ganzer Linie ab. Denn auch die Gewährung auf aktiven Lärmschutz in Form einer Lärmschutzwand ist von den Richtern abgewiesen worden.

Dabei hatten sich die Lemkes zu keinem Zeitpunkt gegen den Ausbau der B404 ausgesprochen. „Unsere Familie hat dieses wichtige Infrastrukturprojekt von Beginn an unterstützt“, sagt Phillip Lemke. Das sei schon beim Bau der B404 so gewesen und daran habe sich auch in der Gegenwart nichts geändert. „Sie durch die Überholspuren sicherer zu machen, begrüßen wir ausdrücklich“, so Lemke. Deshalb sei es umso unverständlicher, wie nun mit ihnen und ihrem berechtigten Interesse umgegangen werde.

Grundbucheintragung ist vom Land versäumt worden

Zumal bei demselben Bauprojekt nur wenige Kilometer südlich gänzlich anders verfahren worden ist. Im Bauabschnitt 2 zwischen den Anschlussstellen Lütjensee/Schönberg und Lütjensee/Grönwohld wird es für Holztransporte eine Zufahrt über eine Nothaltebucht nämlich ebenso geben, wie eine 185 Meter lange Lärmschutzwand für ein Wohngebäude westlich der B404, das exakt die gleiche Entfernung zur Trasse hat wie der Hof Lemke.

Ein Entgegenkommen ist schon deshalb erwartet worden, als das Land auf diese Weise einen gravierenden Formfehler hätte wiedergutmachen können. Nachdem Phillip Lemkes Urgroßvater Heinrich Distel Anfang 1961 für den Bau der Bundesstraße mehrere Flurstücke aus seinem Grundbesitz abgetreten hatte, sollte er im Gegenzug ein grundbuchlich gesichertes Nutzungsrechtsrecht für den Anschluss an die B404 erhalten. Diese Eintragung ist durch das Land allerdings nie vorgenommen worden – und der Anspruch darauf inzwischen verjährt.

Warenbestand reicht bis ins nächste Frühjahr

„Damit sind wir im Grunde genommen ein zweites Mal deutlich benachteiligt worden. Das können wir nicht nachvollziehen und werden deshalb in die nächste Instanz gehen“, kündigt Phillip Lemke an. Nach Abendblatt-Informationen ist eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung einer Revision nach Paragraf 133 Verwaltungsgerichtsordnung zwar prinzipiell möglich, die Aussicht auf Erfolg jedoch gering.

Dessen ungeachtet hoffen die Lemkes mit dem bereits gelieferten und noch georderten Warenbestand bis ins nächste Frühjahr zu kommen. „Zum Glück ist die Bienensaison jetzt ja erst einmal vorbei. Wenn sich an der momentanen Situation mit der entfallenen Direktzufahrt zur B404 aber nichts ändern sollte, werden wir den Laden wohl dichtmachen müssen“, fürchtet der 36-Jährige.

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Eine Verlagerung des Geschäfts sei aus familiären und finanziellen Gründen derzeit keine Option. „Hier an der B404 sind wir auf unserem eigenen Land. Woanders müssten wir Gewerbefläche anmieten oder gar neu erwerben, das macht betriebswirtschaftlich überhaupt keinen Sinn“, erklärt Lemke und schaut in eine ungewisse Zukunft.

Unterdessen hat sich Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen vom Ausgang des Verfahrens erfreut gezeigt. „Die Entscheidung stellt einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auf dieser Strecke dar. Mit dem jetzt bestehenden Baurecht können die laufenden Bauarbeiten weitergehen“, so der Minister. Ein Bezug zu den Konsequenzen für die Familie Lemke kam in seinem Statement nicht vor.