Todendorf. Familienbetrieb aus Todendorf sieht sich durch dreispurigen Ausbau der Bundesstraße 404 in seiner Existenz bedroht.
Es ist eine trügerische Ruhe, die auf dem Hof der Familie Lemke in Todendorf herrscht. Er liegt nur einen Steinwurf von der Bundesstraße 404 entfernt, die derzeit wegen des dreispurigen Ausbaus zwischen dem Kreuz Bargteheide und der Anschlussstelle Lütjensee/Schönberg voll gesperrt ist. Von der wichtigen Verbindung zwischen den Autobahnen A1 und A24 profitierten bislang auch die Lemkes, die im ehemaligen Kuhstall des alten Bauernhofs seit fünf Jahren ein Fachgeschäft für Imkereibedarf betreiben. Für die Belieferung nutzten die Spediteure bislang einen gepflasterten Wirtschaftsweg, mit direkter Anbindung an die B404. Die wird es nach Abschluss des Ausbaus aber nicht mehr geben. Weil das für die Zukunft des Unternehmens existenzbedrohend sei, hatte die Familie den Ausbau per Eilantrag stoppen wollen. Zu Unrecht, wie der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) jetzt unanfechtbar befand.
Gericht: Kein Anspruch auf optimale Erreichbarkeit
„Schon von Gesetzes wegen kommt der Klage keine aufschiebende Wirkung zu, weil es sich um ein Infrastrukturvorhaben mit überregionaler Bedeutung handelt“, heißt es in der Urteilsbegründung. Gründe zur ausnahmsweisen Anordnung einer aufschiebenden Wirkung der Klage habe das Gericht nicht erkennen können.
Die Einrichtung eines durchgehenden dritten Fahrstreifens als Überholspur erfordere nun mal die Anpassung oder Aufhebung bisheriger Auffahrten und Anschlussstellen sowie die Errichtung neuer Nothaltebuchten, so die OVG-Richter. Die Antragstellerin habe zwar vorgetragen, dass ihr nahe der B404 gelegenes Grundstück dadurch von der Außenwelt praktisch abgeschnitten sei. Dieser Ansicht habe man jedoch nicht folgen wollen.
Das von Artikel 14 des Grundgesetzes geschützte Anliegerrecht gewährleiste nicht die „Aufrechterhaltung einer bestimmten vorteilhaften Straßenverbindung“ oder gar einen „Anspruch auf optimale Erreichbarkeit“. Solange es andere zumutbare Alternativen gebe, seien Umwege bis zu 2,5 Kilometer in Kauf zu nehmen.
Feldweg ist für Begegnungsverkehr nicht ausgelegt
Tatsächlich gibt es östlich der Bundesstraße einen 2,5 Kilometer langen Feldweg. „Der ist aber zum einen nur teilweise ausgebaut, zum anderen auf der gesamten Länge einspurig und deshalb für Begegnungsverkehr nicht ausgelegt. Deshalb haben einige Spediteure bereits angekündigt, uns künftig nicht mehr beliefern zu wollen“, sagt Philipp Lemke, der gemeinsam mit seiner Mutter Inga als Grundstückseigentümerin bereits gegen den Planfeststellungsbeschluss des schleswig-holsteinischen Verkehrsministeriums vom 5. Juli 2021 geklagt hatte. Das Hauptsacheverfahren soll Ende Juli fortgesetzt werden.
Den Feldweg zu ertüchtigen, sei Teil der Verhandlungen mit dem federführenden Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV.SH) gewesen. Der habe sich aber nur mit einem „symbolischen Betrag“ an den Baumaßnahmen beteiligen wollen. Laut einem Gutachten sei der zusätzliche Finanzaufwand unverhältnismäßig und damit unwirtschaftlich, hieß es. Dabei belief sich die Gesamtkostenschätzung für den knapp fünf Kilometer langen dreispurigen B404-Ausbau ohnehin auf 19 Millionen Euro.
112 Meter lange Nothaltebucht verhindert Anschluss
Den Feldweg aufzurüsten, hält indes selbst Lemke für unnötig. Schließlich soll direkt auf Höhe des Hofes der Familie eine 112 Meter lange Nothaltebucht entstehen. „Bislang konnte mir aber niemand erklären, warum von dieser kein Anschluss an den dort seit Jahrzehnten bestehenden Wirtschaftsweg möglich sein soll. Die Verbindung würde ich sogar auf eigene Kosten pflastern lassen“, so der Unternehmer.
In seiner Not hatte sich der Vater dreier Kinder sogar an Landesvater Daniel Günther (CDU) gewandt. Der ließ zuletzt medienwirksam verkünden, Schleswig-Holstein wolle Vorreiter einer ökologisch orientierten Landwirtschaft sein. „Wenn es konkret wird, lässt Herr Günther aber lieber Gerichte entscheiden, wie aus einem Antwortschreiben aus dem Wirtschaftsministerium im Auftrag des Ministerpräsidenten vom 31. März dieses Jahres hervorgeht“, berichtet Lemke.
Bestäubungsleistung der Bienen zwei Milliarden Euro wert
Nicht nur, dass seine Imkerei mit 65 Völkern 1750 Kilogramm Honig produziere. Den volkswirtschaftlichen Nutzen der Unterstützung seines Fachbetriebs für 200 Imker und Landwirte hinsichtlich der Bestäubung durch etwa 2000 Bienenvölker beziffert der frühere Bürgermeister von Todendorf auf rund zwei Milliarden Euro. Durch den geplanten Bau einer weiteren Halle, um so bis zu 300 Bienenvölker halten zu können, sei allein auf seinem Hof eine Wertschöpfung von mehr als einer Million Euro möglich.
Fragwürdig findet Lemke, dass das Wirtschaftsministerium versucht habe, die Verantwortung auf die Gemeinde abzuwälzen. „Das hat die Gemeinde aus unserer Sicht aber vollkommen zurecht zurückgewiesen, da sie keinerlei Verantwortung für die Landesplanung der B404 trägt und demzufolge auch nicht für deren existenzielle Auswirkungen verantwortlich ist“, erklärt der 37-Jährige.
Warenvorrat reicht noch bis zum Frühjahr 2023
Unterdessen will Philipp Lemke weiter um die Zukunft seines Fachgeschäfts kämpfen. „Sollten unser Einwände auch im Hauptsacheverfahren ungewürdigt bleiben, werden wir auf jeden Fall in Revision gehen“, kündigt er an. Er habe vorsorglich so viel Ware seiner rund 2000 Einzelprodukte und 4000 Produktvarianten geordert, um damit durch den Herbst und das nächste Frühjahr kommen zu können. „Vielleicht auch etwas länger, so uns der LBV die Zufahrt über die 404 durch die Fortsetzung der Bauarbeiten nicht demnächst endgültig sperrt“, so Lemke.
Genau das droht nun aber. Auf Anfrage unserer Redaktion teilte der LBV jetzt mit, dass mit der kürzlich erfolgten Fertigstellung des Knotenpunkts Zum Mühlenteich/Kahlenredder die Nutzung der B404-Zufahrt am Hof Lemke „obsolet“ sei. Der Fortgang der Bauarbeiten in dem betreffenden Baufeld liege jedoch „in der Dispositionsfreiheit der ausführenden Baufirma“.
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Dass es in den Verhandlungen mit dem LBV und dem Wirtschaftsministerium so wenig Kompromissbereitschaft gegeben habe, könne der Unternehmer nicht nachvollziehen. Das gefährde die Existenz einer ganzen Familie, weil sein Betrieb ohne eine vernünftige Zuwegung nicht überlebensfähig sei.
„Wir können uns gar nicht vorstellen, dass dies der Wille der Landespolitik ist“, sagt Phillip Lemke. Zumal es nach der Energiekrise wohl zunehmend ein Problem mit bezahlbaren Lebensmitteln geben werde. „Die Eigenversorgung Deutschlands mit allen möglichen Gütern wieder zu stärken, um unabhängiger von Importen zu sein, wäre sicher im Interesse vieler Menschen“, ist Lemke überzeugt.