Lübeck. 27-Jähriger soll für Raubserie in Stormarn und dem Herzogtum Lauenburg verantwortlich sein. Doch es gibt erhebliche Zweifel.

In dem Prozess um eine Serie von Überfällen auf Tankstellen und Spielhallen in Stormarn und dem Westen des Herzogtums Lauenburg hat das Landgericht Lübeck die Plädoyers erneut verschoben. Stattdessen soll ein Sachverständiger die Aufnahmen der Überwachungskameras von den Tatorten noch einmal genauer unter die Lupe nehmen.

Grund ist, dass es nach wie vor Zweifel daran gibt, ob diese tatsächlich den 27 Jahre alten Angeklagten zeigen. Ein Urteil wollen die Richter nicht vor Mitte Dezember verkünden. „Bei den einzuholenden Sachverständigengutachten geht es unter anderem um die Klärung von tatsächlichen Fragen, die im Zusammenhang mit der Auswertung von Video-Aufnahmen aufgetreten sind“, sagt Stephan Bahlmann, Sprecher des Landgerichts.

Tankstellenüberfälle in Stormarn und Lauenburg: Prozess zieht sich hin

Die Verteidigung habe entsprechende Beweisanträge gestellt, denen die Kammer nun nachgehe. Dazu seien zusätzliche Verhandlungstage anberaumt worden. „Derzeit, insbesondere vor Eingang der Gutachten, kann noch nicht vorhergesagt werden, wie lange genau dieser Strafprozess noch andauern wird“, so Bahlmann. Bislang sind vier weitere Termine bis einschließlich 12. Dezember angesetzt.

Seit Ende Juni steht ein 27-Jähriger in Lübeck wegen räuberischer Erpressung vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann zehn Taten vor. Er soll für Überfälle auf acht Tankstellen in Großhansdorf, Trittau, Glinde, Oststeinbek und Wentorf sowie zwei Spielhallen in Wentorf und Reinbek zwischen Januar und Dezember 2022 verantwortlich zu sein. Dabei soll er in mehreren Fällen dreistellige Bargeldbeträge erbeutet haben.

Die Anklage stützt sich vor allem auf Aufnahmen von Überwachungskameras

In der Reinbeker Spielhalle belief sich der Schaden sogar auf rund 5000 Euro. Eine Aushilfe hatte dem Eindringling eine Tasche mit Schlüsseln mitgegeben, in der dieser offenbar weiteres Geld vermutete. Der Geschäftsführer musste daraufhin alle Schlösser austauschen lassen.

Die Anklage stützt sich vor allem auf die Aufnahmen von Überwachungskameras. Eindeutig zu erkennen ist der Räuber darauf jedoch nicht. Auch Zeugen konnten den 27-Jährigen vor Gericht nicht zweifelsfrei identifizieren. Ihre Beschreibungen wichen stark voneinander ab.

Täterbeschreibungen von Zeugen weichen stark voneinander ab

Mal soll der Täter aggressiv gewesen sein, dann wieder zurückhaltend. Bei einem Überfall habe er die türkischen Wörter tamam (ok) und yalla (los) benutzt. Andere Zeugen berichteten wiederum von einem russischen Dialekt. Und wieder andere wollten sich erinnern, dass der Räuber akzentfrei Deutsch gesprochen habe. Die Aussagen zur Körpergröße schwanken von 1,70 bis 1,90 Meter. Verteidiger Andreas Mroß sagte nach der Sichtung des Videomaterials, aus seiner Sicht seien verschiedene Personen zu sehen.

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Allerdings gibt es auch Hinweise, dass es sich in allen Fällen um denselben Täter handelt. Die Person auf den Aufnahmen hat eine große, markante Nase – eine solche hat auch der Angeklagte. Auch die Beschreibungen mehrerer Zeugen zu Statur und Aussehen stimmen überein: groß, schlank, athletische Figur, helle Augen und blasses Gesicht.

Der 27-Jährige wurde nach Verfolgungsjagd in Glinde festgenommen

Zudem wurden in der Wohnung des 27-Jährigen laut Polizei Kleidungsstücke sichergestellt, die der Räuber nach Auffassung der Ermittler auf mehreren Videoaufnahmen trägt. Für Verteidiger Mroß ist hingegen nicht erwiesen, dass es sich um dieselben Kleidungsstücke handelt. Unter anderem diese Frage soll nun der Sachverständige klären. Auch soll er eine Einschätzung zu anderen körperlichen Merkmalen der Person in den Videos abgeben, etwa zur Körper- und Schuhgröße.

Der 27-Jährige war im Dezember 2022 nahe einer Tankstelle in Aumühle (Kreis Herzogtum Lauenburg) festgenommen worden. Zuvor hatte eine Spezialeinheit der Polizei den Mann beschattet. Die Beamten vermuteten, dass der Angeklagte einen Überfall auf die Tankstelle geplant hatte. Dazu kam es jedoch nicht, der 27-Jährige versuchte zu flüchten. Offenbar hatte er die Polizisten bemerkt. Diese konnten ihn erst nach einer Verfolgungsjagd mit dem Auto in Glinde stellen. Seitdem sitzt der Tatverdächtige in Untersuchungshaft.