Ammersbek. Campingplatz-Serie spielt am Plöner See, doch gedreht wird ganz woanders: Karla Nina Diedrich im Interview über ihre Liebe zum Norden.

Ammersbek. Das Leben ist ein Campingplatz: Karla Nina Diedrich spielt die Hauptrolle in der beliebten Fernsehserie „Malibu“. Auch die neuen Folgen der Familienserie um Krankenschwester Jantje und den geerbten Campingplatz wurden wieder größtenteils am Bredenbeker Teich in Ammersbek gedreht. In der „Herzkino“-Reihe zeigt das ZDF „Schwesterherzen“, „Küss den Frosch“ und „Mein Traum, dein Traum“ an den Sonntagen 15., 22. und 29. Oktober jeweils um 20.15 Uhr. Außerdem sind die Teile in der Mediathek verfügbar.

Im Interview spricht die 40 Jahre alte Karla Nina Diedrich, die in Ost-Berlin geboren wurde, über die Faszination des Campings, ihr Abitur in Schweden, ihre Schauspielausbildung in Dänemark und ihr 250 Jahre altes Bauernhaus auf der Insel Fünen. Auch äußerst sie sich offen über das Thema Burn-out, ihre eigene Neurodermitis-Erkrankung, die Liebe zur Natur und ihre Sorge um unsere Erde.

Hamburger Abendblatt: Frau Diedrich, die Quoten zeigen: „Malibu“ scheint einen Nerv zu treffen. Die erste Staffel hatte bei der Erstausstrahlung vier Millionen Zuschauer und bei der Wiederholung 3,3 Millionen. Was ist das Geheimnis des Erfolgs?

Ich denke, dass sich viele nach einem Ausstieg aus dem stressigen Arbeitsleben und einer Neuorientierung in ihrem Leben sehnen – raus aus dem Hamsterrad und rein in die Natur. Außerdem glaube ich, dass die meisten Menschen soziale Wesen sind und die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten genießen, auch weil wir ja alle noch ein wenig coronagebeutelt sind.

Haben Sie der Pandemie auch etwas Positives abgewinnen können?

Die Verbundenheit mit der Natur. Ich erinnere mich noch gut an diese belastende Isolation und daran, wie die Natur damals die große Rettung für mich war. Auch die Sehnsucht nach einem sinnhaften Leben ist mir aus dieser Zeit geblieben. Die Besinnung darauf, was die Seele und unser Körper wirklich brauchen. Ich denke, viele Menschen haben sich nach der Pandemie die Frage gestellt, ob es Möglichkeiten gibt, seinen Horizont zu öffnen, ohne dass man gleich seinen Job kündigen muss.

Eine Möglichkeit der Alltagsflucht ist Camping. Der Hype scheint ungebrochen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Vielleicht an diesem gewissen Gefühl von Freiheit und Abenteuer. Man kann relativ spontan reisen, ohne vorher einen Riesenaufwand zu betreiben. Einfach die Sachen packen und losfahren und dort bleiben, wo es einem gefällt. Und gleichzeitig reist man klimafreundlicher als mit dem Flugzeug oder Schiff. Auch hat man heute die Möglichkeit, seinen Campingurlaub luxuriös zu gestalten. Zum Beispiel beim Glamping in einem komfortablen Zelt.

Der wirkliche Drehort: Sven Götz, Vorsitzender des Campingplatzvereins Bredenbeker Teich in Ammersbek, steht am Badestrand.
Der wirkliche Drehort: Sven Götz, Vorsitzender des Campingplatzvereins Bredenbeker Teich in Ammersbek, steht am Badestrand. © Harald Klix | Harald Klix

In „Malibu“ spielen Sie die Campingplatz-Besitzerin Jantje. Schlägt in Ihnen ein Camper-Herz?

Sogar ein sehr großes. Ich bin ein riesiger Campingfan. Auch, weil ich zwei Hunde habe und es damit nicht immer so einfach ist, ein Hotel oder eine Ferienwohnung zu finden. Schon als Kind habe ich mit meinen Eltern und meinem Bruder viel gecampt. Meine Eltern sind ja aus der DDR, und dort war Campen eine der beliebtesten Urlaubsarten. Und Gott sei Dank habe ich heute einen Partner, der die Natur und das Campen auch sehr liebt. Letztes Jahr waren wir auf dem Campingplatz in Südschweden, wo ich als 18-jähriges Mädchen gelebt und gearbeitet hatte.

Sie haben auf einem Campingplatz gelebt?

Zwei Monate lang, während der letzten Phase meines Abiturs in Karlskrona. Damals konnte ich mir von der Familie einer Freundin einen Campingwagen aus den Siebzigerjahren leihen, mit viel Charme und Rüschen. Darin habe ich ohne Strom und Wasseranschluss direkt an der Ostsee gewohnt und im Schein einer mit Teelichtern gefüllten Bratpfanne gelesen. Morgens bin ich in die Schule gegangen, nachmittags an die Rezeption, und abends hab ich die wunderschönen Sonnenuntergänge genossen. Das war eine ganz besondere, prägende Zeit.

Wie kam es dazu, dass Sie in Schweden Abitur gemacht haben?

Ich hatte als Zehntklässlerin ein Austauschjahr in Schweden absolviert, weil mich der Norden schon immer fasziniert hat. Während andere über den großen Teich nach Amerika gedüst sind, bin ich über die kleine Ostsee nach Schweden getuckert. Das Austauschjahr in Karlskrona hat mir dann so gut gefallen, dass ich mich entschied, dort Abitur zu machen. Und aus zwölf Monaten wurden schließlich drei Jahre. Zum Glück konnte ich vorher schon ein bisschen Schwedisch durch die Sommerurlaube mit meinen Eltern.

Und was hat Sie von Schweden schließlich nach Dänemark geführt?

Nach dem Abitur bin ich erst mal nach Berlin zurück und habe mich an einer dänischen Filmschule beworben, dem European Filmcollege in Ebelhoft. Das war total spannend, weil da junge Filmbegeisterte aus der ganzen Welt studieren. Dort habe ich dann Dänisch gelernt und wurde sogar für dänische Filme gecastet. Und heute habe ich einen dänischen Lebenspartner (lacht). Außerdem hat Dänemark den geografischen Vorteil, dass es näher an Deutschland liegt als Schweden.

Haben Sie sich inzwischen ein Wohnmobil zugelegt?

Wir campen tatsächlich immer noch am liebsten im Zelt. Meist in einem großen, schon mehrfach geflickten Siebzigerjahre-Hauszelt. Auf dem besagten Platz in Südschweden haben wir aber ein kleines Igluzelt in den Klippen aufgeschlagen. Und ich musste feststellen, dass sich der Campingplatz meiner Jugend inzwischen doch sehr verändert hat. Dass dort heute sehr viele Wohnmobile stehen und kaum noch Zelte zu finden sind. Das finde ich schade, denn ich bin ein absoluter Zelt-Fan. Weil das Zelten erdet. Man liegt ja direkt auf dem Erdboden und ist dadurch sehr mit der Natur verbunden.

Dann haben Sie die Naturverbundenheit Ihrer Filmfigur nicht nur gespielt?

(Lacht) Nein. Da überschneiden Jantje und ich uns wirklich sehr. In der Natur zu sein, macht mich sehr, sehr glücklich. Die Natur beruhigt mich, und in ihr sammele ich meine Kraft. Wie Jantje habe ich eine tiefe Verbindung zur Kraft der Natur.

Was verbindet Sie sonst noch mit Jantje?

Ich kann mich gut mit ihrer zupackenden Energie und ihrem Optimismus identifizieren. Ich habe sogar schon mal als Jantje geträumt. Sie ist ein toller Charakter: spontan, neugierig und fantasievoll. Im Herzen eher unkonventionell. Aber auch pflichtbewusst und mutig. Sie folgt ihrer Intuition. Ich selbst bin wohl etwas überlegter als Jantje und nicht ganz so impulsiv. Ich mag auch Jantjes Humor und finde lustig, dass sie sich manchmal ein wenig in ihre Ideen versteift. Ich fühle aber auch mit ihr, wenn sie sich mit der ganzen Arbeit auf dem Campingplatz etwas alleingelassen fühlt.

Jantje hatte als Krankenschwester einen Burn-out und daraufhin die Weichen in ihrem Leben neu gestellt. Haben Sie auch schon mal eine ganz andere Richtung eingeschlagen?

Ich glaube, das ist sogar der rote Faden in meinem Leben. Ich bin häufig meinen Impulsen gefolgt. Zum Beispiel spontan nach Schweden ausgewandert. Um danach eine dänische Filmschule zu besuchen. Ich hab‘ in meinem Leben schon oft Entscheidungen getroffen, bei denen ich dachte, ich weiß nicht warum, aber es fühlt sich richtig an. Das Einzige, was ich stromlinienförmig durchgezogen habe, ist meine Schauspielerei. Da bin ich immer drangeblieben und hab‘ auch daran festgehalten, wenn manche gemeint haben, ob ich vielleicht zur Sicherheit nicht doch eine andere Ausbildung machen möchte.

Sie haben bisher nichts bereut?

Höchstens Kleinigkeiten. Die wichtigen Entscheidungen habe ich nie bereut – im Gegenteil. Manches, was auf den ersten Blick sinnbefreit erschien, hat im Nachhinein einen Sinn ergeben. Manchmal muss man einfach auf seine innere Stimme hören und Entscheidungen treffen, ohne zu wissen, wohin die Reise geht. Das ist ja das Spannende am Leben. Es passiert einfach – und hält genau dann die größten Überraschungen bereit, während man gerade damit beschäftigt ist, andere Pläne zu schmieden.

Und hatten Sie selbst schon mal einen Burn-out wie Jantje?

Gott sei Dank nicht. Aber ich kenne das aus Erzählungen von zwei engen Freundinnen – eine Krankenschwester und eine Altenpflegerin –, wie nah man da dran ist, wenn man sich in seinem Beruf völlig aufreibt. Nach intensiven Drehs habe ich manchmal auch solche Momente, in denen ich mich selbst erst wiederfinden muss. Ein schlimmes Tief hatte ich als junges Mädchen, als ich unter sehr starker Neurodermitis litt und und dachte, wie kann ich jemals Schauspielerin werden mit so vielen Ekzemen im Gesicht. Dann stieß ich aber auf ein Interview mit einer jungen Frau, die ebenfalls starke Neurodermitis hatte und trotzdem Modell geworden ist. Das hat mir damals Mut gemacht, und die Neurodermitis ist schon seit Langem komplett geheilt.

Sehen Sie sich heute als TV-Star in einer Vorbildfunktion?

Ich empfinde mich zwar selbst nicht als Vorbild, aber ich möchte gern andere junge Menschen dazu ermutigen, ihren Traum zu verfolgen und nicht aufzugeben – auch wenn viele Steine auf dem Weg liegen. Im neuen „Malibu“-Film „Schwesterherzen“ haben wir zum Beispiel eine kleinwüchsige Schauspielerin im Rollstuhl, die gerade ihren Lebenstraum verwirklicht und eine Ausbildung als Tänzerin macht. Sie hat gesagt: „Ich möchte, dass Menschen, die so sind wie ich, im Fernsehen Menschen sehen, die so sind wie ich.“ Diese Message finde ich ganz großartig und wichtig für uns alle.

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Für Jantje ist ein Bootssteg am See ein „magischer Ort“. Haben Sie auch so einen Rückzugsort?

Wir restaurieren seit ein paar Jahren einen 251 Jahre alten Bauernhof, einen sogenannten Vierseithof, auf der dänischen Insel Fünen. Deshalb bin ich oft vor Ort und pendle zwischen Hamburg und Dänemark. Dort genieße ich als Kontrast zur pulsierenden Großstadt das ruhige Landleben. Wir halten auch ein paar Hühner und haben ein paar Apfelbäume. Alte Bauernhöfe sind meine große Leidenschaft, die hatten für mich als Kind schon etwas Magisches. Auch die alte Bauweise – mit Lehm und Kalk – fasziniert mich. Und mit eigenen Händen zu erleben, wie man ein Haus aus historischer Sicht restaurieren kann. Für mich ist dieser Bauernhof tatsächlich ein magischer Ort. Außerdem liebe ich es, mit Bauern in der Umgebung über alte Apfelsorten zu plaudern.

Sie sind in Berlin geboren. Wann wurden Sie vom Großstadtgewächs zur Landpflanze?

Seit ich meine Leidenschaft für den Norden entdeckt habe, also seit meiner Jugend. Das Landleben hier im Norden macht mich einfach glücklich. Durch die „Malibu“-Dreharbeiten habe ich auch das Hamburger Umland näher kennengelernt: die alten Fachwerkhäuser, die Seen in der Holsteinischen Schweiz. Der Norden und ich, das ist schon eine große Liebe. Vielleicht auch, weil ich als Kind mit den Büchern von Astrid Lindgren aufgewachsen bin und seitdem mein verklärt-romantisches Bild vom Norden habe – von einer Welt, wo die Natur noch im Fokus steht und wilde Waldbeeren wachsen. Ich mag auch, dass man nicht so viele Worte benutzt, sondern dem anderen durch Blicke zu verstehen gibt, was Sache ist.

Wie waren die Dreharbeiten für die neuen Folgen?

Sehr schön, aber auch sehr kalt (lacht). Wir haben ja wieder im April begonnen, und da war es dieses Jahr noch kälter als letztes Jahr. Aber wir sind ein tolles Team, es herrscht immer eine gewisse Ferienstimmung, und unser Filmset – der Bredenbeker Teich – ist einfach fantastisch. Dieses Fleckchen Erde hat ein ganz besonderes Flair. Wir drehen dort quasi mitten in der Wildnis an einem Ort, an dem die Natur noch intakt ist – inklusive Frösche, Libellen und Schlangen.

Schlangen?

Ja wirklich. Am alten Bootssteg, wo sich Jantje sammelt, war ein Schlangennest. Das war natürlich abgesperrt, aber ich musste in vielen Takes immer wieder daran vorbeigehen, um auf diesen Steg zu kommen. Und während der diesjährigen Dreharbeiten hatte ich eine Szene mit meiner Schauspielkollegin Dennenesch Zoudé, in der wir über Kröten und Amphibien reden, und genau einen Meter von uns entfernt war eine Schlange im Wasser und hat uns beim Drehen zugeschaut. Auch das war irgendwie magisch.

Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft?

Ich hoffe einfach, dass ich auch weiterhin tolle Geschichten erzählen darf, die Menschen positiv stimmen und dazu motivieren, ihren eigenen Weg zu gehen. Vor allem aber hoffe ich, dass unsere Erde durchhält und dass wir Menschen uns künftig wieder mehr darauf fokussieren, wo wir eigentlich herkommen. Denn ohne die Natur sind wir alle nichts. Und ohne die Erde würde es uns Menschen nicht geben.

Durch ihre Hauptrolle in der ZDF-Filmreihe „Malibu“ ist Karla Nina Diedrich einem Millionenpublikum bekannt geworden. Schon als Grundschülerin hatte die gebürtige Ost-Berlinerin ihre erste Filmrolle und spielte im Kinderensemble vom Friedrichstadtpalast in mehreren Musicals mit. Nach dem Abitur in Schweden absolvierte sie in Dänemark das „European Filmcollege“. Seitdem wirkte die 40-Jährige in diversen Theaterstücken, preisgekrönten Kurzfilmen und in deutschen und dänischen TV-Produktionen mit, unter anderem in „Sløborn“, „Zurück ans Meer“ und „Tatort – Borowski und die große Wut“.