Bad Oldesloe/Kiel. Land will Kapazitäten in Erstaufnahmen aufstocken. Wie Kommunen bei Errichtung neuer Flüchtlingsunterkünfte unterstützt werden sollen

Nur drei Wochen nach dem Brandbrief von Landräten und Oberbürgermeistern kreisfreier Städte sowie Vorständen des Gemeindetags, des Landkreistags und des Städteverbands Schleswig-Holsteins zur Unterbringung und Integration Geflüchteter an Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) ist es Anfang dieser Woche zu einem Migrationsgipfel in der Landeshauptstadt Kiel gekommen. „Es herrschte eine sehr gute und konstruktive Gesprächsatmosphäre“, sagt Stormarns Landrat Henning Görtz. Er war von Touré ebenso eingeladen worden, wie die anderen Unterzeichner der „Überlastungsanzeige“. Es sei zu spüren gewesen, dass sich die Haltung der Landesregierung, die mit fünf Ministern vertreten war, spürbar verändert habe, so Görtz.

Problemdruck in Städten und Gemeinden wächst stetig

Wie bereits berichtet, war in besagtem Schreiben zum Ausdruck gekommen, dass viele Kommunen hinsichtlich der Unterbringung, Versorgung und Integration Geflüchteter am Limit seien und sich vom Land nur unzureichend unterstützt fühlen. Der Problemdruck vor Ort wachse stetig ebenso wie die Sorge um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Akzeptanz für die Aufnahme von Geflüchteten.

Bei dem Migrationsgipfel hat sich die Landesregierung mit den kommunalen Landesverbänden, Landräten und Oberbürgermeistern nunmehr auf ein umfangreiches Maßnahmenpaket verständigt. „Land und Kommunen ziehen an einem Strang, sie stehen in gemeinsamer Verantwortung und handeln geschlossen“, erklärte Sozialministerin Touré nach dem Treffen.

Kommunen hoffen auf mehr Planungssicherheit

Das Land wird die Kapazität seiner Erstaufnahmen von derzeit 7800 auf 10.000 Plätze erhöhen. In Kiel soll eine weitere Landesunterkunft mit 800 Plätzen entstehen. Weitere 1400 Plätze sind durch Verdichtung über das Aufstellen von Wohncontainern vornehmlich in Neumünster vorgesehen.

„Auf diese Weise sollen Geflüchtete ohne Bleibeperspektive ab sofort erst gar nicht mehr auf die Kreise verteilt werden, wie es in den vergangenen Wochen durch fehlende Kapazitäten in Landesunterkünften sehr oft der Fall war“, sagt Görtz. Kurzfristigen „Druck vom Kessel“ werde das zwar kaum nehmen. Es gebe jetzt aber zumindest mehr Planungssicherheit für die Kreise und Kommunen. Ab Dezember soll die Ankündigungsfrist für Zuweisungen wieder vier statt drei Wochen betragen.

Görtz rechnet mit 400 Geflüchteten bis Jahresende

Ausgehend von den Migrationszahlen des Bundes und der Verteilung Geflüchteter nach dem Königsteiner Schlüssel werde der Kreis Stormarn bis zum Jahresende noch bis zu 400 Geflüchtete (acht Prozent der Landeszuweisungen) aufnehmen müssen. „Es wird jetzt zwar jahreszeitbedingt mit einer Abnahme der Flüchtlingszahlen gerechnet. Doch wie sich die Lage im nächsten Jahr entwickelt, ist momentan vollkommen unklar“, so der Landrat.

Positiv sei unterdessen, dass sich die Landesregierung zu einer stärkeren logistischen und finanziellen Unterstützung der Städte und Gemeinden verpflichtet habe. Laut einer neuen Richtlinie für die Herrichtung temporärer Gemeinschaftsunterkünfte will das Land künftig 90 Prozent der Kosten für den Bau von Flüchtlingsunterkünften und deren Betrieb übernehmen.

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Zudem soll bis zum Frühjahr 2024 eine Integrationsstrategie im Hinblick auf die Bereiche Wohnen, Bildung, Kita, Arbeit und Gesundheit entwickelt werden. „Dass hier weitere Treffen von speziellen Arbeitsgruppen geplant sind, ist sehr zu begrüßen, kommt aber eigentlich viel zu spät“, moniert Henning Görtz. Denn selbst in diesen für die Integration eminent wichtigen Sektoren seien die Kapazitäten vieler Kommunen bereits jetzt weitgehend ausgereizt – räumlich wie personell.

„Plätze in Schulen und Kitas, in Sprachkursen und Sprachklassen sind ebenso nicht beliebig steigerbar – vom grassierenden Fachkräftemangel mal ganz abgesehen“, erklärt Stormarns Landrat. Für mehr Hilfe zur Selbsthilfe könne im Übrigen eine schnellere und unbürokratischere Anerkennung von Schulabschlüssen Geflüchteter sorgen. „Auch das dauert noch immer viel zu lange. Und kostet Zeit, die wir eigentlich nicht haben“, so Görtz.