Bargteheide. Christdemokraten hebeln umstrittene Wahlrechtsnovelle der schwarz-grünen Landesregierung aus. Aktion löst heftige Debatte aus.

Auf Landesebene sind die ehemaligen Koalitionspartner CDU und FDP inzwischen beste Feinde. Die Liberalen lassen jedenfalls keine Gelegenheit aus, den nun mit den Grünen regierenden Christdemokraten Fehler und Versäumnisse vorzuhalten. Ganz anders stellt sich die Situation indes in der Stormarner Kleinstadt Bargteheide dar. Hier will die CDU den Freidemokraten freiwillig Sitze in sämtlichen sechs Fachausschüssen der Stadtvertretung überlassen. Ein bemerkenswerter Vorstoß, der erwartbar eine heftige Debatte in dem Gremium ausgelöst hat.

„Nachdem die Liberalen im Zuge der jüngsten Kommunalwahl Mitte Mai ihren Fraktionsstatus verloren haben, waren sie in den Ausschüssen praktisch zum Zuschauen verurteilt. Genau dort vollzieht sich aber das Gros der kommunalpolitischen Arbeit. Bei der die FDP-Abgeordneten zwar noch mitreden, aber nicht mehr mitentscheiden durften. Insofern ging es uns vor allem darum, deren Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen und die Mitarbeit von bürgerlichen Mitgliedern wieder zu ermöglichen“, erklärt CDU-Fraktionschef Mathias Steinbuck.

FDP braucht nicht wie die CDU abzustimmen

So beurteilte das auch die Wählergemeinschaft WfB. „Da die Kommunalaufsicht eine Zählgemeinschaft mit uns ablehnte, blieb noch die Option, die Zahl der Ausschusssitze von zwölf auf 13 zu erhöhen“, erläuterte WfB-Fraktionschef Norbert Muras. Diese Zahl bilde das Wahlergebnis ohnehin besser ab und sei daher deutlich demokratischer.

Zwar würde der 13. Sitz in allen sechs Fachausschüssen der CDU zustehen. Die ist aber bereit, sie an die FDP abzutreten. „Ohne jede Gegenleistung und ohne die Verpflichtung für die Liberalen, sich bei Abstimmungen dem Votum der Christdemokraten anzuschließen“, wie Mathias Steinbuck ausdrücklich betont.

Streit darüber, ob 13 Ausschusssitze rechtens sind

Mit diesem Winkelzug hebelt die Bargteheider CDU durch die Hintertür pikanterweise aus, was die schwarz-grüne Landesregierung mit ihrer umstrittenen Wahlrechtsnovelle im März dieses Jahres noch vor den Kommunalwahlen trotz aller Anfeindungen durchgepeitscht hatte. Fortan sollen nämlich nur noch jene Parteien und Wählergemeinschaften in Kommunalparlamenten ab 31 Sitzen aufwärts Fraktionsstatus erhalten, die dort mit mindestens drei Abgeordneten vertreten sind.

7,9 Prozent aller gültigen Stimmen hatten für Bargteheides Liberale indes nur für zwei Mandate gereicht. Schuld war vor allem die Übermacht der CDU, die alle Direktmandate in der Stadt geholt hatte, was letztlich die Stadtvertretung auf 38 Sitze anwachsen ließ. Genau diese Zahl lässt nun aber zu, die Fachausschüsse mit 13 statt zwölf Abgeordneten zu besetzen. So jedenfalls hat es die Kommunalaufsicht der Stadtverwaltung auf Nachfrage avisiert.

SPD: „Ein kurios anmutender Schulterschluss“

SPD und Grüne haben den Antrag auf Vergrößerung der Ausschüsse unterdessen vehement kritisiert. „Wollte die FDP nicht den Ausgang ihrer eigenen Normenkontrollklage gegen die Wahlrechtsnovelle vor dem Landesverfassungsgericht abwarten“, fragte SPD-Fraktionschef Mehmet Dalkilinc spitz nach. Stattdessen vollziehe sich auf kommunaler Ebene nun ein kurios anmutender Schulterschluss mit CDU und WfB.

Die Grünen verwiesen darauf, dass bei einer interfraktionellen Sitzung nach den Kommunalwahlen Einigkeit darüber bestanden habe, die Ausschussgröße bei zwölf Sitzen zu belassen. „Insofern ist der plötzliche Sinneswandel bei CDU, WfB und FDP schon bemerkenswert“, kommentierte Grünen-Chef Matthias Leidner die neue Situation.

Antrag war im Hauptausschuss bereits abgelehnt worden

Seine Fraktion hätte sich einen interfraktionellen Austausch vor dem gemeinsamen Antrag von CDU, WfB und FDP gewünscht. Stattdessen sei der im Hauptausschuss bereits abgelehnte Antrag der Stadtvertretung erneut zur Abstimmung vorgelegt worden. „Wir stellen uns deshalb die Frage, wie es um die Beständigkeit der zukünftigen interfraktionellen Zusammenarbeit bestellt ist“, so Leidner.

Sein Fraktionskollege Michael Schröer hatte den beiden FDP-Abgeordneten sogar eine gewisse Unlust an einer kommunalpolitischen Mitarbeit unterstellt. „Zuletzt haben sie jedenfalls mehrfach durch Abwesenheit geglänzt“, untermauerte Schröer seinen persönlichen Eindruck.

SPD hat von Vergrößerung der Ausschüsse auch schon profitiert

Das wollte Andreas Samtleben nicht unwidersprochen lassen. „Ich war sowohl für den Hauptausschuss als auch den Finanz- und Wirtschaftsausschuss ordnungsgemäß entschuldigt“, verteidigte sich der FDP-Stadtvertreter. Einmal sei er erkrankt gewesen, das andere Mal habe er ein anderes Ehrenamt wahrgenommen. „Ich habe in der zurückliegenden Wahlperiode nur ein einziges Mal gefehlt. Es spricht für sich, dass die Grünen nun zu solchen Mitteln greifen, um uns zu diskreditieren und ihr Nein zu einer Aufstockung der Ausschusssitze zu rechtfertigen“, so Samtleben.

Die WfB erinnerte daran, dass in der Wahlperiode ab 2013 die Ausschüsse bei 31 Stadtvertretern von elf auf zwölf Sitze zugunsten der SPD vergrößert worden seien, was einer Steigerung von 35,5 auf 38,7 Prozent in Relation zur Größe der Stadtvertretung entsprochen habe. „Eine Erhöhung der Ausschusssitze von zwölf auf 13 entspricht jetzt 34,2 Prozent. Was dem angestrebten Drittel-Verhältnis deutlich näherkommt als 38,7. Dass ausgerechnet die SPD die Erhöhung verhindern wollte, ist so gesehen schon erstaunlich“, kommentierte Norbert Muras die Faktenlage.

Mehr zum Thema

Im Übrigen sei auch der Einwand eines erhöhten Verwaltungsaufwands nicht stichhaltig, da inzwischen alle Sitzungsunterlagen ohnehin digital verschickt würden. Und die Mehrkosten für anfallende Sitzungsgelder bewegten sich im Bereich von 1000 Euro pro Jahr. „Das sollte uns die Einbeziehung der gewählten Stadtvertreter der FDP und deren bürgerlicher Mitglieder in die Ausschussarbeit wahrlich Wert sein. Für mich ist das ein Akt gelebter Demokratie“, befand die WfB-Abgeordnete Marion Luig-Wölffel.

Das beurteilte das Gros der Stadtvertreter offenbar ebenso. Mit 19 Ja-Stimmen wurde der Antrag auf Erhöhung der Ausschusssitze am Ende gegen die 15 Stimmen von SPD und Grünen angenommen.