Ahrensburg. Die politischen Ränkespiele in Kiel haben dem Ahrensburger mehr Freiräume verschafft. Wie er sie ausfüllt - und genießt.
Auf das Osterfest freut sich Bernd Buchholz schon seit 46 Tagen. Zu allererst natürlich, weil es für ihn wie für Millionen andere Menschen willkommene Feiertage sind – ohne Verpflichtungen, ohne Termine, ohne Stress. Stattdessen wird er sich viel Zeit für die Familie nehmen und die schönen Dinge des Lebens. Obendrein feiert er das Ende einer selbst auferlegten Enthaltsamkeit. „Seit einigen Jahren habe ich mir zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag meine eigene Fastenzeit verordnet. Das bedeutet für mich vor allem den bewussten Verzicht auf Alkohol. Auch die Leber verdient mal eine Auszeit“, erklärt der ehemalige Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, der seit vielen Jahren in Ahrensburg lebt.
Statt 80 nur noch 50 Wochenstunden
Nach der Landtagswahl im vergangenen Jahr hat es ihn unversehens als einfachen FDP-Abgeordneten auf die harte Oppositionsbank verschlagen. Kein schöner Platz für einen, der oft und lange im Rampenlicht gestanden hat. Aber weiß Gott auch kein Grund für Trübsal und Resignation. „Statt 80 Stunden pro Woche ist das Arbeitspensum jetzt auf 50 Stunden gesunken, das macht schon einen Unterschied“, sagt der 61-Jährige.
Ein langes Wochenende ohne Termine habe es für ihn zuvor viele Jahre nicht gegeben. Zu lange? „Das will ich so nicht sagen. Wenn man etwas mit Leidenschaft tut, dann bringt es auch Spaß. Ganz unabhängig davon, wie viel Zeit man letztlich investieren muss“, erwidert der agile Macher, der sich in seinen sechs bewegten Lebensjahrzehnten oft neu erfunden hat.
In den Ferien oft mitten im Gemüse
Als 18-Jähriger wollte er unbedingt Flugkapitän werden. Die Aufnahmeprüfung bei der Lufthansa wurde indes zur unüberwindbaren Hürde. Vater Herbert nahm es dankbar zu Kenntnis. Statt über den Wolken zu schweben, sollte sich der Filius lieber den Mühen der Ebene widmen und möglichst seinen Laden im Lebensmitteleinzelhandel übernehmen.
„In den Ferien musste ich mich immer um die Gemüseabteilung kümmern, das war einfach nicht meine Welt“, erinnert sich Buchholz. Jeden Morgen um sieben Uhr los und abends völlig erschöpft schon während der Tagesschau einschlafen wie sein Vater, da musste es noch attraktivere Alternativen geben, sagte sich der gebürtige Berliner. Und studierte Rechtswissenschaften.
Die schwarze Robe hing lange im Schrank
Dazu animiert hat ihn der Strafverteidiger Tony Petrocelli aus der gleichnamigen amerikanischen TV-Serie, gespielt von Barry Newman. „Petrocelli war eher der Gegenentwurf zum Staranwalt. Selbst aus eher bescheidenen Verhältnissen stammend, versuchte er durch großen persönlichen Einsatz das Maximale für seine Klienten herauszuholen. Das hat mir imponiert, so wollte ich auch sein“, erzählt Buchholz.
Dabei hing die schwarze Robe, die ihm sein Vater zum zweiten Staatsexamen geschenkt hatte, jahrelang unbenutzt im Schrank. Zur Jahrtausendwende hatte es den Jungjuristen nämlich ins Verlagswesen gezogen. Er war erst Geschäftsführer bei der „Hamburger Morgenpost“ und beim „Stern“ und stieg 2009 zum Vorstandsvorsitzenden bei Gruner + Jahr auf.
2012 Gruner + Jahr den Rücken gekehrt
Ist er froh, den aktuellen Kahlschlag in dem rumorenden Verlagshaus weder erklären noch verantworten zu müssen? „Ich hatte eine sensationell gute Zeit bei G+J. Ich mag aber nicht verhehlen, dass ich inzwischen froh bin über genügend Distanz“, sagt Buchholz. Mit dem Einstieg von Bertelsmann (RTL) habe sich die Verlagspolitik spürbar verändert. Wertschöpfung und Rendite hätten schon vor zehn Jahren eine zunehmend größere Rolle gespielt.
Für Buchholz, der eine von politischen Einflüssen unabhängige Medienlandschaft für ein unverzichtbares Korrektiv eines demokratischen Gemeinwesens hält, wurde diese geschäftliche Neuausrichtung zum Problem. Deshalb nahm er im August 2012 seinen Hut und beriet anschließend als Mitglied einer Anwaltskanzlei Unternehmensführer.
Lieber nach Kiel als in den Bundestag
Als Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther nach der Landtagswahl 2017 eine Jamaika-Koalition mit Grünen und der FDP schmiedete, kehrte Buchholz auf die „große Bühne“ zurück. Dafür hat er sogar ein Mandat im Bundestag sausen lassen. „Es war eine Entscheidung, die ich mit voller Überzeugung getroffen und nicht einen Augenblick bereut habe“, versichert er. Weil sich ihm als Minister schlicht ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten geboten hätten.
Als prägnantes Beispiel nennt er den von ihm initiierten Innovation Hub in Lübeck. Im Silicon Valley hat er eine enge Kooperation mit dem US-Accelerator Plug and Play Tech Center auf den Weg gebracht, um für Schleswig-Holstein eine moderne Gründerszene mit vielen kreativen Start-ups zu etablieren. In seiner Amtszeit konnte sich das Land im bundesweiten Gründungsmonitor so von Rang zehn auf den dritten Platz hinter Hamburg und Berlin vorarbeiten.
Gemeinsamer Spatenstich mit Nachfolger Madsen
Doch nicht für alle Vorhaben hat die eine Legislaturperiode an der Spitze des Wirtschaftsministerium gereicht. „Dass wir die Naturschutzverbände für den Ausbau der Autobahn 20 nicht an einen Tisch bekommen haben, enttäuscht mich bis heute“, gesteht der ambitionierte Macher. Insofern sehe er sich an dieser Stelle durchaus als Unvollendeten.
Dass er mit seinen Initiativen gleichwohl Spuren hinterlassen hat, mag man auch daran ablesen, dass er noch immer gern eingeladen wird, wenn irgendwo im echten Norden ein neues Bauprojekt in Angriff genommen wird. Am vergangenen Mittwoch hat er gerade erst gemeinsam mit seinem Nachfolger Claus Ruhe Madsen an der Autobahn 7 den symbolischen ersten Spatenstich für den Bau der neuen Rader Hochbrücke vollzogen.
Endlich wieder Zeit für Golf und Tanzen
Wie sehr sich sein Leben seit der Demission als Minister verändert hat, ist ihm im Sommer des vergangenen Jahres bewusst geworden. „Ich war endlich mal wieder auf dem Golfplatz und nehme mit meiner Frau regelmäßig Tanzstunden bei Isabell Edvardsson („Let’s dance“), wo wir von Standard bis Latein alles auffrischen, was uns Spaß macht“, verrät Buchholz.
Innerhalb kurzer Zeit habe er zudem fünf Bücher gelesen, das sei ihm zuvor eine halbe Ewigkeit nicht gelungen. Neben zwei Romanen von Juli Zeh waren es auch Werke von Bernhard Schlink, Ferdinand von Schirach und Fridolin Schley, in denen es oft um grundlegende moralische Fragen von Gut und Böse, Schuld und Sühne geht.
Hund Hope ist zum Friedensstifter geworden
Rechtsfragen werden in der Familie des promovierten Juristen ohnehin oft diskutiert. Ehefrau Inga ist Richterin am Amtsgericht Ahrensburg, der ältere Sohn Lennart (29) ebenfalls Jurist, der jüngere Sohn Morten (25) Wirtschaftsprüfer.
Komplettiert wird die Familie durch den sechsjährigen Hope, einen Australian Shepherd Mini. Lange hatte sich Buchholz gegen einen Vierbeiner im Haus gewehrt. Und dabei auch schon mal halbherzig mit Trennung gedroht. Worauf ihn seine Frau freundlich daran erinnerte, dass sie als versierte Familienrechtlerin alle Tricks und Kniffe in solchen Verfahren kenne: „Eine Scheidung kannst du dir gar nicht leisten, mein Lieber.“ So wurde Hope letztlich Teil eines friedlich ausgehandelten Deals: Sie bekam den Hund, er durfte im Gegenzug als Minister nach Kiel.
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Am 17. April sind die beiden 30 Jahre verheiratet. An diesem Wochenende trifft sich die ganze Familie samt Freundinnen der Söhne aber erst einmal in Bosau am Ostufer des Plöner Sees. Dort haben sie ein Refugium direkt am Wasser. Und dort steht auch die BMW R 100 R, Baujahr 1994, des leidenschaftlichen Bikers. „Das Motorrad wird über Ostern aus dem Winterschlaf geholt, so viel ist sicher“, sagt Buchholz. Dann will er ganz entspannt durch die malerische Hügellandschaft des Naturparks Holsteinische Schweiz cruisen. Und abends auf der Terrasse einen kühlen Pfälzer Grauburgunder genießen.
Dass ihm die politischen Ränkespiele in Kiel nach Jahren des permanenten Sturms und Drangs mehr Freiräume verschafft haben, genießt der Mensch Bernd Buchholz durchaus. Könnte er sich trotzdem vorstellen, bei einer anderen Machtkonstellation noch mal ein Comeback zu wagen? „Ich habe mir abgewöhnt, mir etwas nicht vorzustellen zu können“, sagt er. Fürs Altenteil ist der Mann offenbar noch zu jung.