Ahrensburg. In Stormarn profitieren nur 156 Familien von dem Kita-Paket der Landesregierung. Was die Liberalen und Elternvertreter jetzt fordern.

Vor einem Jahr hatte Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) vollmundig eine finanzielle Entlastung von Eltern mit geringen und mittleren Einkommen bei den Kita-Beiträgen angekündigt. Damit sollte auf die inflationär gestiegenen Lebenshaltungskosten reagiert werden, angesichts derer sich viele Familien eine Kindertagesbetreuung kaum noch leisten könnten. Zwölf Monate später ist die Ernüchterung in vielen Kreisen groß, auch in Stormarn. „Vor allem deshalb, weil nur ein verschwindend geringer Teil der Eltern von dem Hilfspaket profitiert“, sagt Thomas Bellizzi, Chef der FDP-Kreistagsfraktion und Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses.

Auf dessen jüngster Sitzung präsentierte die Kreisverwaltung jetzt aktuelle Zahlen zum Thema. Danach kommen gerade 156 Familien von mehr als 11.500 Kita-Kindern in Stormarn in den Genuss einer Entlastung von im Schnitt 20 Euro pro Monat. Angesichts deutlich gestiegener Preise für Energie, Sprit und den Alltagseinkäufen nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

Tourés Kita-Paket umfasst 20 Millionen Euro

„Die Sozialstaffelregelung der schwarz-grünen Landesregierung ist ein einziger Bluff“, kommentiert Bellizzi das Ergebnis der Abfrage. Mit dieser Art von Placebo-Politik zeige die Kieler Koalition, dass die Kita-Finanzierung für sie offensichtlich keine Priorität habe. Anstatt wirksame Entlastungen für Familien zu schaffen, halte sie stur an einer nachweislich ineffektiven Regelung fest und verschwende dabei Finanzmittel, die für echte Hilfe dringend benötigt werde.

Thomas Bellizzi, Fraktionsvorsitzender der FDP in Ahrensburg und im Kreistag Stormarn.
Thomas Bellizzi, Fraktionsvorsitzender der FDP in Ahrensburg und im Kreistag Stormarn. © FDP | FDP

Laut Aminata Touré sind für das Kita-Paket 20 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt worden. „Die werden absehbar in dieser Höhe aber niemals abgerufen werden, weil die Regelungen zur Inanspruchnahme der Ermäßigung für das Gros der Eltern absolut irrelevant sind“, so der Freidemokrat. Am Ende werde das Geld dazu genutzt, irgendwelche Haushaltslöcher zu stopfen, die mit der Kita-Finanzierung im engeren Sinn aber gar nichts mehr zu tun hätten.

Antworten aus Kiel blieben dürftig und nebulös

„Anstatt konsequent die Beitragsobergrenzen für alle Familien schrittweise zu senken und den Weg zur gebührenfreien Kita einzuschlagen, hält Ministerin Touré hartnäckig an einer nutzlosen Simulation fest“, moniert Bellizzi. Dabei habe die Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag selbst versprochen, die Elternbeiträge spürbar zu reduzieren. Angesichts der enorm gestiegenen, finanziellen Belastungen vieler Familien sei es nunmehr höchste Zeit für echte Veränderungen, von den deutlich mehr Familien profitieren, als das im Rahmen der „Alibi-Aktion“ aktuell der Fall sei.

Unterstützung erhält Bellizzi von Heiner Garg. Der FDP-Landtagsabgeordnete und ehemalige Sozialminister Schleswig-Holsteins hatte zum Thema zwei kleine Anfragen gestellt, um den Effekt des Kita-Pakets auf Landesebene in Erfahrung zu bringen. Die Antworten blieben aber so dürftig wie nebulös.

Prognose ging von 16.800 profitierenden Haushalten aus

Zahlreiche Eltern hätten erstmals Anträge auf geringere Kita-Beiträge gestellt und in den vergangenen Monaten auch einen positiven Bescheid erhalten, hieß es aus dem Sozialministerium. Von „Tausenden Familien“ war die Rede, die ohnehin schon von der Sozialermäßigung profitierten und nun zusätzlich automatisch entlastet würden, ohne dass dafür ein Antrag gestellt werden müsse.

Kerstin Hinsch, Kreiselternvertretung der Kitas in Stormarn.
Kerstin Hinsch, Kreiselternvertretung der Kitas in Stormarn. © Privat | Privat

Doch wie viele Familien es tatsächlich sind und wie viele zu Jahresbeginn einen Antrag auf Ermäßigung gestellt haben, dazu gab es keine Zahlen. Bei einer Prognose zum Kostenumfang für das Kita-Paket sei man aber von etwa 16.800 Haushalten und damit rund 25.000 Kindern ausgegangen, die möglicherweise profitieren könnten. Im Übrigens seien für Antragstellungen aber ohnehin die örtlichen Träger der Jugendhilfe und nicht das Ministerium in Kiel zuständig.

Regierung kann gefeierten Erfolg nicht nachweisen

Garg geht unterdessen davon aus, dass viele Familien, die vermeintlich von der Sozialstaffel profitieren sollen, es in Wahrheit gar nicht tun. Denn zum einen hätten einkommensschwache Familien jetzt Anspruch auf das neue Wohngeld-Plus, zum anderen müssten Wohngeldbezieher ohnehin keine Kita-Gebühren zahlen.

„Was die schwarz-grüne Koalition unter Ministerpräsident Daniel Günther da als einen großen sozialpolitischen Erfolg verkaufen will, ist allenfalls eine Simulation von Sozialpolitik, die offenbar nicht funktioniert“, sagt Heiner Garg. Die Regierung könne den von ihr öffentlich gepriesenen und gefeierten Erfolg jedenfalls nicht glaubhaft nachweisen.

Sozialstaffel bleibt hinter ihren Versprechen zurück

Dass die „verbesserte“ Sozialstaffel des Sozialministeriums unter Ministerin Touré einer kritischen Betrachtung nicht standhalte und die Maßnahme „weit hinter ihren Versprechen zurückbleibt“, konstatiert auch die Kreiselternvertretung (KEV) der Stormarner Kitas. Wenn nur 156 von insgesamt 11.500 Kita-Kindern im Kreis Nutznießer der neuen Sozialstaffel seien, entspreche das gerade einmal 1,35 Prozent der Familien, rechnet sie vor.

„Eine Entlastung von durchschnittlich 20 Euro monatlich mag zwar für die 156 Familien hilfreich sein. Doch mit Blick auf alle Familien stellt sich hier natürlich die Frage nach der Effektivität dieser Maßnahme“, sagt Kerstin Hinsch, KEV-Mitglied im Jugendhilfeausschuss. Die Zahlen würden unmissverständlich zeigen, dass es sich hier nur um „eine symbolische Geste statt einer substanziellen Hilfe“ handele.

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Dabei gebe es durchaus Alternativen. Eine generelle Absenkung der Elternbeiträge könnte eine weitaus größere und direkte Wirkung auf Familien mit Kita-Kindern im Kreis entfalten. So könnte sichergestellt werden, dass alle Kinder, unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund, gleiche Startchancen erhielten.

Die Priorität sollte darauf liegen, allen Kindern den Zugang zu Kitas so einfach und fair wie möglich zu gestalten. „Wenn wir echte soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit anstreben, brauchen wir umfassendere und effektivere Lösungen“, fordert Kerstin Hinsch. Eine flächendeckende Beitragsentlastung wäre nicht zuletzt auch administrativ sinnvoller.