Todendorf. Im Zuge des dreistreifigen Ausbaus der B 404 südlich des Bargteheider Kreuzes soll der Anschluss eines Wirtschaftwegs ersatzlos entfallen.

Auf einer Koppel unweit des Autobahnkreuzes Bargteheide liegen neun Gallowayrinder in der Sonne und käuen gemächlich vor sich hin. Jenseits des Zauns streitet eine Schar Hühner um die beste Pfründe am Rande des Wirtschaftswegs, der zum Todendorfer Hof der Familie Lemke führt. Astrid Lindgrens Bullerbü lässt grüßen. Doch es ist eine trügerische Idylle.

Seit der Vollsperrung der Bundesstraße 404 zwischen Kreuz Bargteheide und der Anschlussstelle Lütjensee/Schönberg Anfang Mai herrscht ungewohnte Stille an diesem Abschnitt der wichtigen Nord-Süd-Achse durch Stormarn. Das ist auch auf dem Hof der Lemkes spürbar, der nur einen Steinwurf von der sonst umtosten Trasse entfernt liegt. Wo sonst bis zu 21.000 Fahrzeuge pro Tag unterwegs sind, darunter 3000 Lastwagen, tummeln sich jetzt wieder Fuchs, Igel und Rebhuhn.

Auf- und Abfahrtsrecht war festgeschrieben

Das war bis in die 1960er-Jahre völlig normal. Doch dann begann der Lückenschluss des früheren Kieler Schnellwegs zwischen den Autobahnen 1 und 24. Er durchschnitt plötzlich das 16 Hektar umfassende Acker- und Weideland der Familie. „Meinem Urgroßvater Heinrich Diestel war bewusst, dass er sich nicht gegen solch ein bedeutendes Verkehrsprojekt stellen konnte“, berichtet Philipp Lemke. Andererseits sei der Altvordere aber darauf bedacht gewesen, den Hof, auf dem er geboren wurde, für seine Nachfahren zu sichern.

„Also hat er im Kaufvertrag mit dem Land ein Auf- und Abfahrtsrecht für den Wirtschaftsweg zwischen Hof und Bundesstraße festschreiben lassen“, so Lemke. Leider sei dann aber versäumt worden, den Passus auch ins Grundbuch einzutragen. Ein Versäumnis, das sich nun, 60 Jahre später, bitter gerächt hat.

Von der Bundesstraße bald abgeschnitten

Die Lemke-Kinder Max und Laura gut behütet mit schicken Bienenkörben.
Die Lemke-Kinder Max und Laura gut behütet mit schicken Bienenkörben. © Lutz Kastendieck | Lutz Kastendieck

Beim Planfeststellungsverfahren für den finalen dreistreifigen Ausbau der B 404 zwischen Kreuz Bargteheide und der Anschlussstelle Todendorf/Sprenge lehnte der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV.SH) eine Anbindung des historischen Wirtschaftswegs zum Hof der Familie Lemke ab. Die Festlegungen im Kaufvertrag seien verjährt und der Vermerk im Grundbuch nicht erfolgt, so die juristische Begründung. Außerdem gebe es ja noch eine rückwärtige Erschließung über einen Feldweg.

„Das ist zwar zutreffend“, räumt Philipp Lemke ein. Diese Zuwegung sei für den Lieferverkehr zum Hof aber nicht geeignet. „Zum einen, weil der Feldweg auf der gesamten Länge von rund 2,5 Kilometern nur einspurig und für Begegnungsverkehr nicht ausgelegt ist. Zum anderen, weil er nur teilweise ausgebaut wurde“, erklärt Lemke.

Imkerei und ein Fachgeschäft aufgebaut

Das erweist sich als handfestes Handicap, weil sich der ehemalige Industriemechatroniker vor einigen Jahren beruflich neu orientiert hat. „Ich wollte einfach nicht mehr in der Industrie arbeiten, sondern so naturnah wie meine Vorfahren“, erzählt der 36-Jährige. In einem ersten Schritt habe er vor zehn Jahren einen Imker-Grundkurs belegt und sich anschließend über die Jahre zum Besamer, Körmeister und Bienenseuchensachverständigen qualifiziert.

Philipp Lemke im Fachgeschäft der Familie für Imkerbedarf bei der Kundenberatung.
Philipp Lemke im Fachgeschäft der Familie für Imkerbedarf bei der Kundenberatung. © Lutz Kastendieck | Lutz Kastendieck

Als zweites Standbein hat er vor vier Jahren im ehemaligen Kuhstall des Hofs ein Fachgeschäft für Imkereibedarf mit mehr als 2000 Produkten und 4000 Produktvarianten etabliert, das zwei- bis dreimal pro Woche beliefert wird. „Ohne die Zuwegung vor der B 404 wollen uns die Spediteure aber künftig nicht mehr anfahren“, sagt Lemke.

Inzwischen fast 300 Stammkunden gelistet

Aus dem ersten Bienenvolk, das er von einem Imker aus Trittau geschenkt bekam, sind inzwischen 65 geworden, weitere 2000 versorgt er regelmäßig mit Futter. Die Kundenkartei seines Fachgeschäfts verzeichnet fast 300 Stammkunden von Hamburg bis Lübeck und Neumünster bis Geesthacht. Sie ordern ihren Bedarf entweder direkt im Laden oder in seinem Online-Shop.

Weil er die Imkerei und das Geschäft zukunftssicher aufstellen wollte, plante Lemke nach Investitionen von rund 200.000 Euro in den vergangenen neun Jahren einen Hallenneubau für 50.000 Euro. Das alles stehe nun aber infrage, wenn sich das Problem der Zufahrt nicht einvernehmlich lösen lasse.

Außer Überholspur kommt noch eine Nothaltebucht

Claudia und Philipp Lemke mit ihren Kindern Laura (v.l.), Sofie und Max vor dem Fachgeschäft der Familie für Imkerbedarf.
Claudia und Philipp Lemke mit ihren Kindern Laura (v.l.), Sofie und Max vor dem Fachgeschäft der Familie für Imkerbedarf. © Lutz Kastendieck | Lutz Kastendieck

„Die ablehnende Haltung des LBV.SH ist für uns existenzbedrohend“, sagt Philipp Lemke, der mit Ehefrau Claudia sowie den Kindern Max (8), Laura (5) und Nesthäkchen Sofie (2) auf dem Hof an der B 404 lebt. „Wir sind nicht prinzipiell gegen den Ausbau. Wir empfinden es aber als nicht akzeptabel, dass unsere Belange keine Berücksichtigung finden“, so Lemke.

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass man der Familie neben der Überholspur auch noch eine 112 Meter lange Nothaltebucht vor die Nase setzen wolle. „Warum von dort keine Abzweigung zu unserem Wirtschaftsweg möglich sein soll, verstehe ich nicht“, moniert Lemke. Denkbar sei zudem, einen parallel zur B 404 verlaufenden Weg zwischen der Abfahrt Sprenge/Mollhagen und dem Hof Lemke zu ertüchtigen.

Zusätzlicher Finanzbedarf gilt als unverhältnismäßig

Auf all das wollte sich der LBV.SH bislang aber nicht einlassen. Laut einem Gutachten sei der zusätzliche Finanzaufwand unverhältnismäßig und damit unwirtschaftlich. Und dass bei einer Gesamtkostenschätzung für den knapp fünf Kilometer langen dreispurigen Ausbau in Höhe von 19 Millionen Euro.

Als einziger Kompromissvorschlag stehen momentan Lärmschutzfenster für die Westseite des Imkerhofs und der Bau eines 13 Meter breiten Lärmschutzwalls im Raum. Für letzteren müsste die Familie allerdings weitere Flächen ihres Landes zur Verfügung stellen. „Angesichts der Tatsache, dass unser Bauernhof lange vor der Bundesstraße hier stand, halte ich dieses Angebot für völlig unzureichend“, sagt Philipp Lemke.