Barsbüttel. Wo Vespas auftauchen, ziehen sie die Blicke auf sich. Warum man mit Vespas Rallyes fahren kann und wie sie gegen die Midlife-Crisis helfen.
Sie sind Ausdruck von Leichtigkeit, Freiheit und des Lebensgefühls Italiens. Doch auch in Norddeutschland erfreuen sich Vespa-Roller großer Beliebtheit – sogar mehr denn je durch die aktuelle Mobilitätswende. Erst am Wochenende knatterten 56 davon unterschiedlichen Alters, Lackierung und Motorisierung quer durch die Kreise Stormarn und Herzogtum-Lauenburg.
Anlass war die „10. German Vespa Rally“ die der Hamburger Vespa-Club organisiert hatte. Die Teilnehmer kamen teils von weit her, um bei der zwei Tage andauernden Tour dabei zu sein. Aus Italien reisten drei an, zwei aus England und fünf aus Österreich. Darunter auch Marcus Zilli, der zum ersten Mal in Hamburg war und die Strecke vorbei am Ahrensburger Schloss, durch den Sachsenwald und entlang der Elbe „superschön“ fand. Einzig die Berge und Kurven habe er in der norddeutschen Tiefebene vermisst, sagt der 57-Jährige.
Vespa Rally: Internationale Fahrer rattern durch Stormarn
Die Vespa des Österreichers – eine V 30 Baujahr 1951 – war die älteste unter den teilnehmenden Rollern. Das mintgrüne Kultobjekt mit original Rom-Kennzeichen hatte ihm schon einmal Glück gebracht, sagt Zilli. In Pforzheim vor drei Jahren hat er die Deutschland-Rallye damit gewonnen.
In Barsbüttel allerdings waren andere besser. Gesamtsieger wurde der Bonner Jens Lorenzen. „Bei diesem Wettstreit zählt nicht, auf der letzten Rille zu fahren und alles aus dem Roller rauszuholen. Viel mehr sind gleichmäßiges und präzises Fahren gefragt“, erklärt Uwe Bödicker. Ohne moderne Hilfsmittel wie Handy oder Navi mussten mehrere Wegpunkte gefunden und per Stempel bestätigt werden. Außerdem mussten mit der Vespa zwei Parcours gemeistert werden.
Der 61-jährige Rheinländer Bödicker ist Präsident des Vespa-Club Deutschlands und nennt die Deutschland-Rallye „sein Kind“. Alle zehn sind er und seine Frau Sigrid mitgefahren, neben vielen anderen Wettbewerben, die die 160 Vespa-Clubs in Deutschland regelmäßig ausschreiben. In Barsbüttel hat Bödicker gleich zwei Preise abgeräumt: den zweiten Platz in der Mannschaftswertung sowie den ersten in der Kategorie Automatik bei den Männern.
Vespa Rally: Newcomerin auf ersten Platz – „Frau hat Benzin im Blut“
„Jahrelange Fahrpraxis und genaue Kenntnis seiner Vespa zahlen sich aus“, sagt Bengt Lange, Vorsitzender des Hamburger Vespa-Clubs. Die kann Thora Gölles aus Hannover nicht vorweisen. Für die 35-Jährige war es die erste Rallye. Die blonde, zierliche Frau kam erst vor drei Jahren zur Vespa, galt als Newcomerin und hat quasi aus dem Stand den ersten Platz unter den Frauen in der Kategorie „Beste Schalterin“ abgeräumt. „Die Frau hat Benzin im Blut“, erkannte Mitorganisator Andreas Hübbe sofort.
Ein bisschen Glück dürfte auch Maskottchen „Beff Beff“ gebracht haben. So heißt der 14 Jahre alte Mischlingshund von Thora Gölles, der im extra angefertigte Hundekörbchen auf der Vespa mitfuhr. „Es hat riesigen Spaß gemacht. Die Leute sind hier super nett“, schwärmt Gölles und meint die ausgelassene Stimmung und die große Hilfsbereitschaft untereinander.
Yvonne Derscheidt wundert das nicht. Die Mitorganisatorin der Rallye weiß schon lange: „Wo sie als Vespa-Fahrer in Europa auch liegen bleiben, Hilfe von anderen Fahrern ist nicht weit. Wir sind wie eine große Familie.“ Das berichten auch immer wieder Vespa-Weltreisende. Zeit spielt bei diesen Reisen keine Rolle: „Der Weg ist dann das Ziel. Es geht um Entschleunigung“, sagt Derscheidt. Auf einer Vespa fahre man Landstraße und nicht Autobahn.
Liebe zur Vespa: Filmromanze aus den 1950er-Jahre ist Schuld
Die hat Reinhard Gustavik für die 1000 Kilometer lange Anreise aus Österreich dann aus Zeitgründen dann aber doch nehmen müssen. Er hat seine Vespa in einen Transporter verladen. Der IT-Manager ist in der Szene für seinen stilvollen Auftritt bekannt – Schlips und Jackett sind auf seine beigefarbene Vespa abgestimmt. Vor zwölf Jahren hat sich der Österreicher seine erste Vespa zugelegt. Er steckte damals in einer Midlife-Crisis, erzählt er offen. Statt einem Porsche kaufte er sich eine Vespa und hat die Krise überwunden.
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Dass Vespa-Fahren gute Laune macht – beim Fahrer selbst und anderen Verkehrsteilnehmern, das kann Andreas Hübbe bestätigen. „Als Vespa-Fahrer bleiben sie nie lange allein“, weiß der 65-jährige Hamburger. Kein Wunder, dass er dem italienischen Gefährt schon seit knapp 40 Jahren verfallen ist und nie etwas anderes als Vespa gefahren ist. Seine Liebe zu dem Zweirad wurde durch die Filmromanze „Ein Herz und eine Krone“ geweckt. In dem Film aus 1953 fährt Gregory Peck zusammen mit Audrey Hepburn auf einer Vespa durch Rom. Ein paar Jahre später ist Hübbe selbst stolzer Besitzer einer Vespa und fährt mit einer Frau zwar nicht durch Rom, dafür aber durch Paris.
Vespa Liebe der Deutschen ungebrochen, Italiener fahren lieber japanische Roller
Das Freiheitsgefühl, das er damals schon verspürt hat, das wollen immer mehr Menschen haben. Der Hamburger Club mit Sitz in Uhlenhorst zählt aktuell 75 Mitglieder. Tendenz steigend. Das jüngste Mitglied ist gerade mal 18, das älteste 86 Jahre alt. „Vom Schüler bis zum Zahnarzt ist alles dabei“, sagt Bengt Lange, Vorsitzender des Vereins. Vor allem in Deutschland und Österreich ist die Liebe zu dem Kultroller ungebrochen. In Italien selbst werden mittlerweile mehr Modelle der Konkurrenz aus Japan verkauft als aus dem eigenen Land. Den Italienern sind ihre Vespas mittlerweile wohl zu teuer.
Den Deutschen noch nicht. Die sind bereit, für ein Modell der italienischen Stilikone, mehrere Tausend Euro auszugeben – je nach Alter und Zustand. Und wo eine Vespa ist, ist die nächste nicht weit. Bengt Lange ist mittlerweile stolzer Besitzer von 18 Vespas, viele davon hat er selbst wieder aufgearbeitet. „Das Hobby Vespa hat durchaus Suchtpotenzial“, gibt der Barsbütteler zu. Welche noch in seiner Sammlung fehlt, ist eine mit E-Antrieb. „Die sind mir mit einer Reichweite von maximal 70 Kilometern einfach noch nicht ausgereift“, sagt er.