Großensee. Viele Bürger verfolgen spannende Wahl in Großensee. Gemeinsamer Kandidat von Grünen und AWG löst bisherigen Amtsinhaber ab.
Viele hatten es geahnt, einige hatten es befürchtet: Uwe Tillmann-Mumm von der Aktiven Wählergemeinschaft Großensee (AWG) löst Karsten Lindemann-Eggers (Bürger für Großensee) nach drei Amtsperioden als Bürgermeister ab.
Bereits im Vorfeld hatte sich ein spannendes Rennen zwischen den Bürgermeisterkandidaten abgezeichnet. Dementsprechend groß war der Andrang bei der konstituierenden Sitzung der Gemeindevertretung im Restaurant Piccolino. Viele Bürger waren gekommen, um die Wahl live vor Ort mitzuverfolgen. Diejenigen, die keinen Platz im Sitzungssaal bekommen hatten, positionierten sich im Flur oder sogar vor den Fenstern.
Politische Machtverhältnisse haben sich geändert
Ermöglicht wurde der Wechsel durch die Kommunalwahl im Mai, deren Ergebnis die politischen Machtverhältnisse in Großensee gehörig durcheinandergewirbelt hat. Durch ein Überhangmandat haben die Bürger für Großensee (BfG) zwar einen Sitz hinzugewonnen und damit sechs Stimmen in der Gemeindevertretung. Doch wenn AWG und Grüne gemeinsame Sache machen, kommen sie zusammen auf acht Stimmen und haben damit die Mehrheit. Beide hatten im Kommunalwahlkampf klar das Ziel eines Wechsels auf dem Bürgermeister-Posten kommuniziert.
Während die zwei kleineren Fraktionen Uwe Tillmann-Mumm ins Rennen schickten, setzte die BfG auf den Amtsinhaber aus den eigenen Reihen. Bei der geheimen Wahl stand den beiden Konkurrenten die Anspannung ins Gesicht geschrieben. Bereits nach dem ersten Wahlgang stand das Ergebnis mit acht zu sechs Stimmen zugunsten von Tillmann-Mumm fest. Nachdem es verkündet wurde, gab es Applaus für den neuen Bürgermeister. Die BfG-Fraktion beteiligte sich daran allerdings nicht, ebenso wenig gratulierte Karsten Lindemann-Eggers seinem Nachfolger.
Ex-Bürgermeister gewinnt gegen einstigen Rivalen
Er fasst seine Enttäuschung so in Worte: „Ich empfinde immer noch, dass der Wählerwille sich nicht ganz ausgedrückt hat.“ Er habe mit 410 die meisten Stimmen bei der Direktwahl geholt, was bedeute, dass ihn auch Bürger anderer politischer Überzeugung gewählt hätten. „Ich habe den Auftrag eindeutig bekommen, aber durfte ihn nicht umsetzen. Die Bevölkerung ist hochzufrieden mit mir, keiner versteht, wie das Ergebnis möglich ist“, glaubt Lindemann-Eggers. „Aber das ist halt auch Demokratie, wenn sich zwei Kleine zusammentun und so was drehen können.“
Bei den internen Gesprächen, die die Parteien während der letzten drei Wochen untereinander geführt hätten, habe sich der Wahlausgang zwar schon abgezeichnet. Trotzdem sei ihm wichtig gewesen aufzuzeigen, „dass ich zur Verfügung stehe“. Seit 2008 hat Lindemann-Eggers die Geschicke der Gemeinde gelenkt. Damals löste er Uwe Tillmann-Mumm als Bürgermeister ab. Ist es eine Retourkutsche, dass ihn jetzt ausgerechnet der einstige Konkurrent ausgebootet hat? „Nein, absolut nicht“, betont Tillmann-Mumm auf Nachfrage. „Ich habe eigentlich gesagt, in meinem Alter soll man das nicht mehr machen.“ Doch mit einer geeigneten Nachfolge sei es noch nicht so weit.
Tillmann-Mumm war 17 Jahre lang Bürgermeister
Was die Frage aufkommen lässt, warum der neue Bürgermeister nicht aus den Reihen der Grünen kommt. „Wir haben fünf Prozent mehr Wählerstimmen und damit einen Führungsanspruch“, stellt Tillmann-Mumm klar. Außerdem seien die Grünen neu auf dem Parkett und müssten erst Erfahrungen sammeln. Davon bringt Tillmann-Mumm jede Menge mit: Seit 1974 ist er kommunalpolitisch tätig, darunter 17 Jahre als Bürgermeister und neun als Amtsvorsteher.
Er wolle den politischen Stil ändern, kündigt er an. „Ich werde die Fraktionsvorsitzenden regelmäßig zu Gesprächsterminen einladen und sie über alles Wichtige informieren“, sagt er. Und fügt hinzu: „Ich setze auf Teamarbeit und nicht auf Alleingänge.“ Ins selbe Horn stieß auch sein Fraktionskollege Jürgen Vagts, der es sich nicht nehmen ließ, zum Ende der Sitzung ein paar deutliche Worte an die Versammelten zu richten. Denn er hatte schon während des Wahlkampfs mit seiner Meinung, nur ein anderer Bürgermeister könne neue Impulse für eine angemessene Umsetzung der Beschlüsse setzen, nicht hinterm Berg gehalten.
Seitenhiebe gehören zum politischen Kalkül dazu
Er sagte: „Ich möchte mich bei allen Wahlberechtigten bedanken, dass sie so klug gewählt haben. Es ist ja nun so, dass durch die Verteilung der Sitze nicht automatisch einer zum Bürgermeister gekürt worden ist, sondern dass derjenige, der das werden wollte, ziemlich viel in den Ring schmeißen musste.“ Dieser habe für sich werben und sehr genau erklären müssen, was er in den nächsten fünf Jahren vorhabe. „Das jemand mit breiter Brust hier durchs Dorf stolziert und sagt, ich bin jetzt aufgrund des Wahlergebnisses Bürgermeister und ihr müsst jetzt die Hand hochheben, das hat nicht stattgefunden“, so Vagts. Er rief die Bürger zur Beteiligung am politischen Geschehen und zur Teilnahme an Sitzungen auf.
- Freibäder und Badestellen: Hier taucht Stormarn ab
- Chaos am Nordstrand des Großensees: 74 Strafzettel an einem Wochenende
- Nach Protest: Verkehrsbehörde vollzieht Kehrtwende bei 30er-Zone
Markus Riegraf, Fraktionsvorsitzender der BfG, wollte das so nicht stehenlassen. Er sagte: „Ich möchte mich auch bei denen bedanken, die nach dem AWG-Jargon nicht so klug, sondern BfG gewählt haben. Also auch wir werden sicher alles daran setzen, in den kommenden fünf Jahren gemeinsam etwas zu reißen.“
Leistung Lindemann-Eggers’ wurde nicht gewürdigt
Felix Müller, Vorsitzender der neuen Grünen-Fraktion, setzt auf Gemeinsamkeit. Er schlägt versöhnliche Töne an, zeigt Verständnis für die Reaktion der BfG. „Ich glaube, wenn man so lange Zeit an der Regierung war, muss das Ergebnis erst einmal verdaut werden.“ Herr Riegraf habe zum Beispiel reges Interesse an einer guten Zusammenarbeit signalisiert. „Wir sind für den Wechsel und frischen Wind angetreten. Unsere Idee ist es, konstruktiv zusammenzuarbeiten. Es sind viele alte Hasen mit Erfahrung dabei, aber es gibt auch Jüngere und neue Ideen, das ist eine gute Mischung. Wir sind relativ positiv gestimmt, dass wir das zügig angehen.“
Zum Statement von Vagts sagt Müller: „Die Botschaft ist, dass wir durch die Sitzverteilung dazu gezwungen sind, als Team zusammenzuarbeiten. Da ist kein Platz für eine One-Man-Show.“ Natürlich werde es kontroverse Diskussionen geben, aber es sei klar, dass sich ein Blockadeverhalten wie in den letzten fünf Jahren nicht wiederholen dürfe. „Ich glaube, der Tatendrang ist groß und es gibt auch sehr viel zu tun. Aber am Ende des Tages müssen wir liefern und den Gegenbeweis antreten, dass es anders geht.“ Das betreffe vor allem die Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinaus.
Er habe bei der Sitzung die Würdigung der Leistung und Arbeit, die Lindemann-Eggers erbracht habe, vermisst und das in einem persönlichen Gespräch mit ihm nachgeholt. Bleibt zu hoffen, dass so ein beispielhafter Umgang künftig auch in der Großenseer Politik Schule macht.