Trittau/Lübeck. Zwei Männer sollen in Trittau einen Mann mit einer Pistole bedroht haben. Warum ausgerechnet das Opfer sie entlastete.

Am Ende war die Tat dann wohl doch nicht so schwerwiegend wie angenommen: Statt wegen räuberischer Erpressung wurden am Freitag zwei Männer wegen Nötigung vor dem Landgericht Lübeck verurteilt. Ausgerechnet die Aussage des Opfers entlastete die Angeklagten Lutz A. und Klaus B. (Namen geändert).

Laut Anklage sollten die Männer am Abend des 14. März 2019 einen heute 29 Jahre alten Mann mit einer Pistole bedroht und ihm etwa 600 Euro geraubt haben. Bei der Flucht soll einer von ihnen fast einen Polizisten überfahren haben.

Keine Erpressung: Am letzten Verhandlungstag sagte das Opfer vor dem Landgericht aus

Am zweiten und letzten Verhandlungstag konnte dann auch der Geschädigte gehört werden. Er war bereits zum ersten Termin als Zeuge geladen gewesen, seinerzeit jedoch nicht erschienen. Als sich die Tat ereignete, lebte der 29-Jährige als Untermieter bei Klaus B. „Die ersten Monate war das Mietverhältnis gut“, sagte er. „Doch dann gab es immer öfter Streit.“

Weil Klaus B. ihm eine eigene Küche versprochen, diese aber nicht eingebaut habe, habe der 29-Jährige schließlich die Miete gekürzt. Ab Dezember 2018 soll er die Miete nicht fristgerecht bezahlt haben. Das Jobcenter kam für die Wohnung auf, da gab es Probleme. Der Mann hat keine Berufsausbildung, ist aktuell arbeitsuchend.

Das Opfer hat sich zum Tatzeitpunkt im Mietrückstand befunden

Zum Tatzeitpunkt befand er sich wohl wenigstens drei Monatsmieten im Rückstand. Das war dann auch der Grund für die Tat von Klaus B. und Lutz A. „Ich war in meiner Wohnung, als es an der Tür geklopft hat“, berichtete das Opfer vor Gericht. Vor ihm hätten die Männer gestanden. Lutz A., ein Bekannter von Klaus B., habe eine Pistole auf ihn gerichtet.

„Er hat mir eine Ohrfeige verpasst, mich getreten und gedroht auf mich zu schießen, wenn ich Faxen mache“, so der 29-Jährige. Lutz A. und Klaus B. sollen seine Sachen durchwühlt haben und ungefähr 600 Euro einkassiert haben. Auch den Haus- und Wohnungsschlüssel sollen sie ihm weggenommen haben. „Ich sollte meine Sachen packen und gehen“, sagte das Opfer.

Die Aussagen des Geschädigten waren widersprüchlich

Was genau an dem Tatabend in der Wohnung passierte, konnte nicht gänzlich rekonstruiert werden. Die Aussagen des Opfers waren widersprüchlich, unterschieden sich nicht nur von der ursprünglichen Zeugenaussage. Wo das Geld gewesen ist, wo Klaus B. sich während der Tat aufgehalten hat, was im Kern passierte: Die Aussagen waren inkonstant.

Während Verteidiger Christian Woldmann an der Glaubwürdigkeit des Mannes zweifelte, die Zeugenaussage als wertlos bezeichnete, sah Richter Gunnar Ullrich dies anders. Er bewertete die Aussagen als glaubhaft, womöglich mit Erinnerungslücken, da die Tat über vier Jahre zurückliegt.

Das Opfer entlastete die Angeklagten mit seiner Aussage erheblich

Letztendlich sagte das Opfer nämlich auch entscheidende Dinge, die die Angeklagten entlasteten: Er räumte ein, dass er zum Tatzeitpunkt Mietschulden bei Klaus B. gehabt habe. Aus diesem Grund wurden die Männer nicht wie ursprünglich angedacht wegen räuberischer Erpressung, sondern lediglich wegen Nötigung verurteilt. Denn sie wollten sich nicht bereichern, so Richter Ullrich, sondern gingen davon aus, dass das, was sie einforderten, die Mietschulden, ihnen zugestanden habe.

Auch sagte der Angeklagte, dass die Ohrfeige nicht wirklich weh getan habe, dass er sich nicht sicher gewesen sei, ob das alles nur Spaß gewesen sei, dass er das Geschehen gut weggesteckt habe. Dies und die Tatsache, dass die Männer die Tat schließlich einräumten und sich reumütig zeigten, bewog Richter und Schöffen zu einer verhältnismäßig milden Strafe.

Für beide Männer gab es Bewährungsstrafen

Lutz A. wurde wegen Nötigung zu einem Jahr und drei Monaten Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Für Klaus B. gab es insgesamt ein Jahr und neun Monate – ebenfalls zu Bewährung. Denn er wurde nicht nur der Nötigung, sondern auch des schweren gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr mit Tateinheit Angriff auf einen Polizisten schuldig gesprochen.

Bei der Flucht nach der Tat soll er, nachdem ein Polizist sein Auto stoppen wollte, stark beschleunigt und auf ihn zugefahren sein. Der Polizist konnte sich gerade so vor einem Zusammenstoß retten. Das bestätigte am Freitag vor Gericht ein weiterer Polizeibeamter. Beide Angeklagte müssen zudem 600 Euro zahlen.

Für sie gesprochen habe, so der Richter weiter, die günstige Sozialprognose. Beide sind berufstätig, haben sich lange nichts zu Schulden kommen lassen. Gegen sie gesprochen habe indes der Einsatz der Schusswaffe sowie ihr üppiges Vorstrafenregister. Beide Männer sind mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz.