Trittau/Lübeck. Zwei Männer müssen sich wegen schwerer räuberischer Erpressung vor dem Landgericht Lübeck verantworten. Das sind die Vorwürfe.

Sie sollen erst einen Mann mit einer Pistole bedroht und ihm Geld geraubt haben, dann soll einer von ihnen bei der Flucht fast einen Polizisten überfahren haben: Unter anderem wegen schwerer räuberischer Erpressung müssen sich seit Mittwoch zwei Männer vor dem Landgericht Lübeck verantworten. Was genau am Abend des 14. März 2019 in der Bürgermeister-Hergenhan-Straße in Trittau geschah, konnte am ersten Verhandlungstag nicht zweifelsfrei geklärt werden. Denn weder äußerten sich die beiden Angeklagten Lutz A. und Klaus B. (Namen geändert) vor Gericht zu den Vorwürfen, noch erschien der wohl wichtigste Zeuge: das Opfer. Die Ladung zum Gerichtstermin konnte wegen eines Wohnsitzwechsels nicht zugestellt werden. Dafür sagten Polizeibeamte, die an den Ermittlungen beteiligt waren, sowie ein Bekannter von Klaus B., bei dem dieser sich angeblich am Tattag aufgehalten haben will, aus.

Opfer wohnte zur Untermiete bei Angeklagtem und soll Miete nicht bezahlt haben

Obgleich das Opfer selbst nicht vor Ort war, konnte zumindest jene Kriminalbeamtin als Zeugin gehört werden, die den geschädigten Mann vernommen hatte. Dieser Aussage zufolge wohnte er seinerzeit mit Klaus B. zusammen in einer Wohnung, war sein Untermieter. „Die Miete soll nicht fristgerecht bezahlt worden sein, deshalb hatte es zuvor Streit gegeben“, so die Zeugin. Am Tatabend hatten beide Bewohner sich wohl in der Wohnung aufgehalten. Dann soll es an der Tür geklopft haben. Als das Opfer öffnete, stand ein Bekannter von Klaus B. vor der Tür: Lutz A. Dieser soll ihn mit einer Pistole bedroht und Geld gefordert haben. Auch soll er gedroht haben, dem Opfer ins Bein zu schießen und ihn geohrfeigt haben.

Das Opfer ist laut eigener Aussage in seinen Wohnbereich gegangen, der sich in der oberen Etage befand, hat aus seinem Portemonnaie unter dem Kopfkissen etwa 600 Euro genommen und es dem Täter gegeben. Im weiteren Verlauf soll Klaus B. zu den anderen beiden hinzugekommen sein, sie sollen auch den Tresor des Opfers durchsucht haben. Doch dieser war offenbar leer. Danach soll das Opfer aufgefordert worden sein, seine Sachen zu packen und die Wohnung zu verlassen. In einem unbemerkten Moment schickte der Mann per Handy eine Nachricht an seinen Nachbarn, bat ihn, die Polizei zu rufen. Das tat dieser dann auch. Das Opfer verließ die Wohnung, wartete gemeinsam mit seinem Nachbarn außerhalb der Wohnung auf die Beamten.

Polizist fast überfahren: „Er wollte nicht, dass ich heil nach Hause komme.“

Als die Polizisten eintrafen, positionierten sie sich laut Schilderungen der Beamten außerhalb der Wohnung. Lange warten mussten sie nicht: Wenig später sollen die mutmaßlichen Täter das Wohngebäude verlassen haben und in ein Auto eingestiegen sein. Klaus B. soll am Steuer gesessen haben. Was dann geschah, ist einem der Polizisten ganz besonders im Gedächtnis geblieben: „Ich hatte mich hinter einem Baum positioniert. Als das Auto, zunächst im normalen Tempo, losfuhr, gab ich mich zu erkennen und trat auf die Fahrbahn“, so der 41-Jährige. Er habe versucht das Auto zu stoppen, hob die Hand und blinkte mit der Taschenlampe auf. „Als der Fahrer das gesehen hat, hat er sehr stark beschleunigt und ist mit Vollgas auf mich zugefahren.“

Das bestätigte vor Gericht auch ein weiterer Polizist, der das Geschehen beobachtet hatte. Wäre er nicht in letzter Sekunde aus dem Weg gesprungen, hätte das Ganze wirklich übel ausgehen können, sagte der Polizist. „Ich habe reflektierende Kleidung getragen und war gut erkennbar. Es war nicht zu übersehen, dass ich als Polizist das Auto anhalten wollte.“ Als das Adrenalin nach dem Einsatz seinen Körper verlassen habe, habe er Todesangst gespürt. „Ich habe schon viele schwere Einsätze erlebt, aber dieser war sehr einschneidend. Er kommt immer wieder hoch“, so der Polizist. Er ist sich sicher: „Der Fahrer wollte nicht, dass ich heil nach Hause komme.“

Vermeintlicher Entlastungszeuge verstrickt sich in widersprüchliche Aussagen

Direkt im Anschluss sollen die zwei Männer mit dem Auto geflüchtet sein. Sofort eingeleitete Fahndungen verliefen zunächst erfolglos. Doch später am Abend konnte zumindest einer der Angeklagten, Klaus B., im unmittelbaren Umfeld der Wohnung erneut angetroffen werden – allerdings in einem anderen Auto und in anderer Begleitung. Es war der Arbeitgeber und Freund von Klaus B. Bei diesem wollte er laut polizeilicher Vernehmung den Abend verbracht haben. Danach habe der Chef den Angeklagten nach Hause gefahren.

Doch die genauen Aussagen der Männer passten nicht zusammen. Auch vor Gericht äußerte sich der als Zeuge geladene Freund des Angeklagten widersprüchlich. „Es bestehen Zweifel am Wahrheitsgehalt“, sagte der Vorsitzende Richter Gunnar Ullrich. Erst, als er erneut auf die Strafbarkeit von Falschaussagen verwies und Rechtsanwalt Maximilian Pancic ihm gerade noch die Möglichkeit gab, die Aussage zu korrigieren, bemerkte er: Ja, es sei lange her, es könne auch sein, dass der Beschuldigte später als ausgesagt bei ihm gewesen sei.

Im Zuge der nachfolgenden Ermittlungen – es wurden Wohnungen durchsucht und mutmaßliches Raubgut sichergestellt –, verdichtete sich der Verdacht gegen die Angeklagten. Diese schwiegen indes bis zum Ende des Verhandlungstages zu den Vorwürfen. Ob sich daran noch etwas ändert, wird der Fortsetzungstermin zeigen. Dieser ist für Freitag, 26. Mai, angesetzt. Bis dahin soll auch das Opfer ausfindig gemacht und zu dem Termin geladen werden.