Glinde. Entwurf für Hochhaus an Sönke-Nissen-Allee. Seit März 2021 hat sich nichts getan. Dafür liegt der Fall jetzt vor Gericht.
Matthias Sacher ist verwundert. In seinen Worten schwingt Enttäuschung mit. „Wir haben im Nachgang noch mit den Fraktionen von Grünen und FDP gesprochen. Es ist zwar wahrgenommen worden, aber eine Reaktion haben wir nicht bekommen.“ Im März 2021 hatte er im Glinder Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz mit einem Architekten sowie Geschäftspartner Andreas Wulf ein Wohnbauprojekt vorgestellt. Dieses umfasst 63 Einheiten mit unterschiedlicher Zimmeranzahl, ein Drittel davon öffentlich gefördert, auf einem 2349 Quadratmeter großen Grundstück an der Sönke-Nissen-Allee gegenüber dem großen Parkplatz am Markt.
Seinerzeit hieß es, man wolle sich innerhalb der Fraktionen beraten. In keinem politischen Gremium mit Beteiligung von Vertretern aller Parteien stand das Thema aber jemals wieder auf der Tagesordnung. Demnach hat sich keiner bemüht, das Vorhaben voranzutreiben. Das wirft Fragen auf. Ist es nicht gewollt? Und wenn das der Fall ist: Warum erteilt man dem Investor nicht eine Absage? Die Sozialdemokraten machen das zumindest auf Nachfrage dieser Redaktion. Fraktionschef Frank Lauterbach sagt: „Wir haben die Sache nicht weiterverfolgt. Ich finde es optisch nicht ansprechend, ein Hochhaus vor ein bereits bestehendes zu setzen. Die Hauptproblematik ist jedoch die Parkplatz- und Verkehrssituation.“
Beabsichtigt ist eine Tiefgarage über zwei Ebenen
Das Konzept der Erste Gut Glinde GmbH & Co KG sieht ein bis zu siebengeschossiges Gebäude vor – wenige Meter entfernt von einem weißen Hochhaus. Dieses würde dann verdeckt sein beim Blick vom Markt. Auf einer Visualisierung hat der Komplex eine Verklinkerung mit Braunton, was aber nicht so sein muss. Denkbar ist auch eine Putzfassade. Beabsichtigt ist eine Tiefgarage über zwei Ebenen und eine Etage komplett für Büros. Darüber befinden sind die Wohnungen, zwölf pro Geschoss. Nur auf dem kleinen aufgestockten Teil sind es drei. Die gesamte Wohnfläche beträgt 4127 Quadratmeter.
Laut der Investoren ist der Standort insbesondere für Senioren optimal. Zu Einkaufsmöglichkeiten muss lediglich die Kreuzung überquert werden. Bushaltestellen zur U-Bahn-Station Steinfurther Allee oder nach Reinbek sind vor der Tür. Dass auch Eigentumswohnungen in das Projekt integriert werden, wollte sich die Erste Gut Glinde zumindest offen halten. Ihr gehört das Grundstück. Neben Sacher, der CDU-Stadtvertreter ist, und Wulf sind Hauke Asmussen und Birgit Lebender weitere Gesellschafter. Sie möchten auch E-Carsharing anbieten, das Mobilitätskonzept von einer Hochschule für Forschungszwecke begleiten lassen.
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„Soweit ich weiß, hat der Bürgermeister bei der Gestaltung des Stadtkerns andere Pläne. Das Projekt liegt auf Eis. Wir haben es lange diskutiert, der Tenor war zumindest nicht ablehnend“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Rainer Neumann. Verwaltungschef Rainhard Zug kann jederzeit Vorlagen für Ausschüsse erstellen, um eine Entscheidung herbeizuführen. Das hat er nicht gemacht. In Verbindung mit der Ortsmittengestaltung finde er das Projekt interessant, halte es aber für ungünstig, dieses isoliert zu betrachten. So äußerte sich der Bürgermeister nach der Präsentation. „Und auch heute stehe ich dazu“, so Zug.
Architekturbüro skizziert neue Innenstadt
Glinde hat seit 2020 einen Rahmenplan für das Zentrum, in dem die städtebauliche Entwicklung festgelegt ist. Zentraler Bestandteil der Neugestaltung ist die Schaffung von 300 Wohnungen, 100 davon öffentlich gefördert, sowie 4000 Quadratmetern Einzelhandelsfläche. Das Architekturbüro „SKAI“ hatte die City daraufhin überplant und einen Entwurf vorgelegt. Demnach bleiben lediglich Rathaus, Bürgerhaus und ein Komplex im Norden bestehen. Skizziert ist ein lebendiges Cityquartier mit einem Mix aus Wohnen, Einzelhandel und Dienstleistungen. Sollte das Projekt in genau dieser Form umgesetzt werden, belaufen sich allein die Baukosten grob geschätzt auf 120 Millionen Euro. „SKAI“ nennt sogar den Bau von 415 Wohnungen, weil die vorhandenen ersetzt werden.
Allerdings müssen Grund- und Immobilieneigner mitspielen, zum Beispiel Flächen verkaufen oder selbst Geld in die Hand nehmen zwecks kompletter Neustrukturierung des Gebiets. Ob das eintreten wird, ist fraglich. „2022 war ein verlorenes Jahr. Keiner wollte in Gebäude investieren“, sagt Zug. Nun will er die Gespräche intensivieren. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Lüder Lückel will dem Vorhaben der Erste Gut Glinde generell zwar keinen Riegel vorschieben, sieht derzeit aber auch keine Notwendigkeit, die Sache auf den Weg zu bringen: „Zuerst möchte ich wissen, was aus dem Rahmenplan mit Gewissheit umgesetzt wird.“ Die Fläche an der Sönke-Nissen-Allee ist in diesen nicht integriert.
Investor zweifelt Gültigkeit des aktuellen B-Plans an
In Glinde sind derzeit mehrere Bauprojekte angeschoben, aus unterschiedlichen Gründen kommen sie aber nicht voran. Da ist zum Beispiel das Quartier der Baugenossenschaft Sachsenwald im Stadtteil Wiesenfeld mit 149 Wohneinheiten in sieben Mehrfamilienhäusern. Wie berichtet, sind die Planungen vorerst eingestellt, weil es keine Förderung für den KfW-55-Standard mehr gibt. Wann sie wieder aufgenommen werden, können die Verantwortlichen nicht sagen. Dabei sind neue Wohnungen in Glinde nötig, vor allem öffentlich geförderte.
Sacher sagt auch im Namen seiner Mitstreiter, das Angebot gelte nach wie vor. Die Erste Gut Glinde ist zudem der Auffassung, dass der aktuelle Bebauungsplan an der Sönke-Nissen-Allee nicht gültig ist, sie ihr Vorhaben auch ohne Zustimmung der Politik umsetzen könnte. Die Gesellschaft beruft sich auf Paragraf 34 des Baugesetzbuches. „Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist“, ist dort unter Punkt eins zu lesen. Beim Kreis wurde bereits eine Bauvoranfrage gestellt, der Bescheid war ablehnend. Daraufhin legte die Erste Gut Glinde Rechtsmittel ein. Beim Oberverwaltungsgericht in Schleswig ist nun ein Verfahren anhängig. Sacher sagt: „Natürlich ist es uns lieber, das Grundstück in Absprache mit der Stadt zu entwickeln.“