Bargteheide. Jugendinitiativen kritisieren Umgang der Kommunalpolitik mit dem Wunsch nach selbstverwalteten Räumen.
Dass verschiedene Jugendgruppen mit insgesamt fast 100 Personen in der jüngsten Sitzung der Stadtvertretung vertreten waren, dürfte ein Novum in der Geschichte des Gremiums sein. Geahnt hatte es die Verwaltung offenbar und vorsorglich einen Sicherheitsdienst beauftragt. Anscheinend barg der Tagesordnungspunkt 6 genügend Zündstoff, um auf mögliche Zwischenfälle vorbereitet zu sein. Diskutiert werden sollte nämlich die Nutzungsduldung der Villa Wacker durch die Initiative Jugend für Jugend (JfJ) nach der widerrechtlichen Besetzung Anfang Oktober. Seitdem brodelt es in der Jugendszene der Stadt.
Altersgruppe hat seit Jahren kein Gehör gefunden
„Die Bilanz der Jugendpolitik in Bargteheide ist katastrophal“, befand Grünen-Fraktionschefin Ruth Kastner in der Aula der Dietrich-Bonhoeffer-Schule schonungslos. Seit Jahrzehnten habe diese Altersgruppe kein Gehör gefunden, sie sei in aller Regel eher vertrieben, statt bewusst eingebunden worden. „Nun ist es zum großen Knall gekommen, dieser Situation müssen wir uns endlich stellen“, so Kastner.
In einem dramatischen Appell hatte JfJ-Sprecher Jonas Bewig eben diese Situation noch einmal ausführlich beschrieben. „Der verzweifelte Kampf um Jugendräume sowie die Missachtung jugendlicher Wünsche haben in Bargteheide eine lange Tradition“, sagte der Zwölftklässler der Anne-Frank-Schule. Die Kommunalpolitik habe die örtliche Jugend nicht erst seit wenigen Jahren, sondern seit mehr als vier Jahrzehnten strukturell und konsequent vergessen.
Viele Entscheidungen zum Nachteil der Jugend
Mehr noch seien in dieser Zeit zahlreiche Entscheidungen zum Nachteil der Bargteheider Jugend getroffen worden. Als Beispiele nannte der 18-Jährige die starke räumliche Beschneidung des JuZe am Utspann, das Verbannen des Autonomen Jugendhauses in einen provisorischen Containerbau am Stadtrand, nicht eingehaltene Grundstücksversprechen an die Pfadfinder und die Schließung der Disco Cuzco. Zu allem Überfluss würden zentrale Orte wie das Schulzentrum inzwischen als „Verbotszonen“ gelten, die von „willkürlichen Personenkontrollen“ durch die Polizei geprägt seien.
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„So gesehen hat uns die Politik gar keine andere Wahl gelassen, als mit der Besetzung der Villa Wacker auf die lang andauernden Missstände aufmerksam zu machen“, so Bewig. Dieser Akt der Verzweiflung sei dann aber von verschiedenen Fraktionen benutzt worden, um die Initiative zu diffamieren, zu diskreditieren und zu stigmatisieren. „Ohne soziales Jugendkulturzentrum werden Jugendliche aus unteren Schichten abgeschrieben, was die Spaltung der Gesellschaft verschärfen und forcieren wird“, erklärte der JfJ-Sprecher.
Unabsehbare Risiken durch Schimmelbefall
Trotz aller mahnenden Worte dominierten in der Diskussion der Stadtvertreter hernach aber Bedenken, Vorbehalte und rechtliche Hürden. Laut Bürgermeisterin Gabriele Hettwer hat die Bauaufsicht des Kreises trotz den Angebots der Initiative, ein Brandschutzkonzept erstellen zu lassen und notwendige Sanierungsarbeiten teilweise selbst zu übernehmen, eine Einstufung als Handwerksbetrieb abgelehnt und eine Befreiung vom Nutzungsverbot nicht genehmigt.
FDP-Fraktionschef Gorch-Hannis la Baume sah zudem unabschätzbare Risiken durch den massiven Schimmelbefall in dem Gebäude. „Ob die Holzbalkendecke noch intakt ist und eine Umwidmung der Villa von einer Wohnimmobilie in eine Versammlungsstätte aus statischer Sicht überhaupt vertretbar ist, müsste erst einmal gutachterlich geklärt werden“, so der Bauingenieur. Abgesehen davon bedürfe die Umnutzung ohnehin eines zeitaufwendigen Bebauungsplanänderungsverfahrens.
Kompromissvorschlag bestätigt den Status Quo
Eine Analyse des Substanzzustands hatten zuvor bereits die Grünen in einem umfangreichen Antrag zur Einleitung von Maßnahmen zur Erhaltung der Villa Wacker gefordert. Den wollten die anderen Parteien so aber nicht mittragen. Daraufhin beantragte die CDU-Fraktion eine 15-minütige Sitzungspause, um gemeinsam vielleicht doch noch zu einem Kompromissvorschlag zu kommen.
Der bekräftigte aber letztlich nur, was vorher schon Status Quo war: keine Nutzungsgenehmigung der Villa Wacker für die Initiative Jugend für Jugend und keine Zustimmung zur Einleitung eines B-Plan-Änderungsverfahrens. Stattdessen das Angebot an die Initiative, künftig das Juze in nicht verplanten Zeiten nutzen zu dürfen.
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„Das Juze entspricht in keinster Form dem, was benötigt wird“, heißt es in einer Erklärung von JfJ. Die angebotenen Zeiten ab 20 Uhr lägen zum einen außerhalb der Hauptaktivitätszeiten der Jugendlichen. Zum anderen sei das Juze eben nicht ein von der Jugend selbst organisierter Raum und mit einer Größe von 150 Quadratmetern völlig unzureichend. Da böten Stormarner Städte wie Bad Oldesloe mit dem Inihaus (800 m2) und das Juki42 in Ahrensburg mit eigener Konzerthalle ihren Jugendlichen ganz andere Flächen, an denen sich auch Bargteheide orientieren sollte.
„Diese Sitzung hat fatale Signale ausgesendet, die ein Armutszeugnis für die Stadt sind“, kommentierte Bewig den Ausgang der Beratungen. Erneut sei fast einhellig gegen die Bedürfnisse der Bargteheider Jugend gestimmt worden. „Das hat unser Vertrauen in die hiesige Kommunalpolitik nachhaltig beschädigt“, so Bewig. Wie die Initiative damit jetzt umgehe, werde noch beraten.