Bad Oldesloe. Schon Corona hat zu großen Defiziten wegen der Schließung der Bäder geführt. Experten fürchten langfristig Anstieg von Badetoten.

Mit großer Sorge blicken Stormarns Schwimmvereine und das Bildungsministerium auf mögliche Schwimmbadschließungen angesichts der Energiekrise. Das Ahrensburger Badlantic hat wie berichtet bereits entschieden, bis auf Weiteres seinen Innenbereich zu schließen. Ob weitere Schwimmbäder vorübergehend geschlossen werden, ist aktuell noch unklar.

„Es mag für eventuelle Schließungen gute Gründe geben“, sagt Andreas Bockhold, Vorsitzender des Schwimmverbandes Kreis Stormarn. „Doch für Kinder, die schwimmen lernen wollen und müssen, würde das die ohnehin schon schwierige Lage dramatisch verschärfen.“

Bereits die Corona-Pandemie hat zu großen Defiziten geführt

Denn bereits die Corona-Pandemie hat in Sachen Schwimmkompetenz zu großen Defiziten geführt. „Sämtliche Vereine im Kreis haben das Problem, dass sie durch die Corona-Pandemie ein zusätzliches Jahr an Wartelisten vor sich herschieben“, so Bockhold. Denn etwa so lange konnten coronabedingt keine Schwimmkurse stattfinden. Bereits zuvor mussten Kinder und Eltern meist mindestens ein halbes Jahr auf Plätze in Schwimmkursen warten, die Kapazitäten sind begrenzt.

Die Pandemie habe das Problem verschärft. Würden nun Bäder ihren Betrieb komplett dicht machen, käme das einer Katastrophe gleich. „Es gab schon vorher zu wenige Wasserflächen zum Schwimmenlernen in Stormarn“, so Bockhold. Badschließungen würden logischerweise zu noch mehr Knappheit führen.

Der Rückstau wird aktuell noch abgearbeitet

Das befürchtet auch Jonas Ueberschaer, Vorsitzender der DLRG-Ortsgruppe Bad Oldesloe. Auch in seinem Verein ist die Not infolge der Pandemie groß. Coronabedingt konnten etwa ein Jahr keine Seepferdchenkurse und weitere Trainingsangebote wie die Rettungsschwimmerausbildung stattfinden. „Dadurch hat sich ein großer Rückstau angesammelt, den wir momentan noch abarbeiten“, so Ueberschaer. Kurse seien innerhalb von Minuten ausgebucht. Oft bekomme der Verein Beschwerdemails, wenn kein Platz mehr verfügbar ist. Ueberschaer: „Wir bieten schon mehr Kurse an als vor der Pandemie.“ Doch Hallen- und Trainerkapazitäten seien begrenzt. „Wir arbeiten schließlich ehrenamtlich“, so der Vorsitzende.

Wegen der langen Wartezeiten habe sich das Alter, in dem Kinder schwimmen lernen, nach hinten verlagert. „Vor der Pandemie waren die Kinder im Seepferdchenkurs fünf bis sechs Jahre alt. Heute sind sie oft zwischen sieben und acht Jahre alt, wenn sie ihr Abzeichen machen“, so der Vorsitzende.

Doch: „Idealerweise sollten Kinder mit viereinhalb Jahren schwimmen lernen“, sagt Andreas Bockhold. Bereits mit vier Monaten sollten Eltern ihr Kind mit Babyschwimmen an Wasser heranführen. Nach dem Seepferdchen sollten Kinder mindestens ein Jahr regelmäßige Schwimmpraxis haben. Bockhold: „Je älter Kinder werden, desto schwieriger lernen sie in der Regel schwimmen.“

Die Zahl der Badetoten könnte in Zukunft in die Höhe schießen

Dass die Energiekrise die bestehenden Defizite verstärken könnte, macht Jonas Ueberschaer Sorgen: „Das ist eine sehr reale Gefahr. Schwimmen ist nicht nur Spiel und Spaß, sondern lebensnotwendig. Eine Generation Nichtschwimmer hat Auswirkungen, die man sich momentan schwer vorstellen kann.“ Es fehle langfristig dann auch an einer Generation Rettungsschwimmer – und unbewachte Strände in Kombination mit vielen Nichtschwimmern könnte die Zahl der Badetoten in die Höhe schießen lassen.

Um dem entgegenzuwirken, hat der Ortsverein das Projekt „Fit fürs Wasser“ ins Leben gerufen. „Dabei stellen wir Ehrenamtlichen uns mit einem Infostand ins Freibad oder an andere öffentliche Plätze und sensibilisieren die Kinder spielerisch für die Gefahren am und im Wasser“, so Ueberschaer. „Wir hoffen, dass wir so viele Kinder auf die Schwimmkurse vorbereiten und Kindern und Eltern Respekt vor dem Wasser vermitteln können.“

Schwimmunterricht in der Schule müsste auch ausfallen

Neben den Schwimmkursen von Schwimmvereinen lernen Kinder auch im schulischen Kontext schwimmen. „Das ergänzt sich oft“, sagt Andreas Bockhold. „Das Angebot von Schwimmunterricht ist in Schleswig-Holstein an Grundschulen und weiterführenden Schulen verpflichtend“, sagt Beate Hinse, stellvertretende Sprecherin des Bildungsministeriums. Demnach sollen die Grundschulen bis Ende der dritten Jahrgangsstufe und die weiterführenden Schulen in der Klasse 5 oder 6 Schwimmunterricht anbieten. Eine Vorgabe zur Stundenzahl gibt es nicht. Bis zum Ende der 6. Klasse sollen alle die nötigen Kompetenzen zum sicheren Schwimmen erworben haben.

Aber: „Die Schulen können diese Vorgaben nur umsetzen, wenn auch geeignete Schwimmstätten verfügbar sind“, so Hinse. Dass das in Zukunft nicht der Fall sein wird, darüber ist auch das Bildungsministerium in Sorge. Schon zu Corona musste der Schwimmunterricht ausfallen. Die Entscheidung über die Schließung von Bädern liegt bei den Kommunen. Hinse: „Sollten Bäder schließen, wäre das für die Schwimmausbildung problematisch.“

So sieht es auch Andreas Bockhold: „Wir brauchen dringend Wasserflächen.“ Er hofft, dass das Nötige unternommen wird, damit die Schwimmfähigkeit von Kindern nicht gefährdet wird. Bockhold: „Schleswig-Holstein ist das Land zwischen den Meeren. Gerade deshalb müssen Kinder schwimmen lernen. Sonst besteht Lebensgefahr.“