Barsbüttel. 80-Jährige bricht sich Arm und Handgelenk. Tierhalter lassen die Frau liegen und flüchten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Maren Müller-Wisch ist eine sportliche Frau. Sie hält sich normalerweise mit Nordic Walking, Schwimmen und Gymnastik fit. Ihren Hobbys kann die 80-Jährige seit mehr als zwei Monaten nicht mehr nachgehen. Nur wenige Meter entfernt von ihrem Endreihenhaus in Barsbüttel wurde die Rentnerin von einem Kampfhund attackiert, brach sich dabei Arm und Handgelenk. Der oder die Halter ließen sie am Boden liegen und machten sich aus dem Staub. Die Staatsanwaltschaft Lübeck ermittelt, hat den Fall aber noch nicht aufgeklärt. Es ist fraglich, ob ihr das überhaupt gelingt.

Die pensionierte Lehrerin kann sich noch genau an die Geschehnisse am 13. Juni erinnern. Es ist Montagabend, kurz nach der Tagesschau so gegen 20.30 Uhr. Müller-Wisch will zu ihrer Schwägerin, die nur einen Katzensprung entfernt lebt, und dort die Blumen gießen. Als sie ihre Immobilie an der Straße An der Alten Schule, eine Sackgasse, verlässt, hört sie lautes Bellen vom Spielplatz und traut ihren Augen nicht. „Zwei junge Männer gaben dem Tier Befehle, es ist von Ecke zu Ecke gerast. Das war Kampfhundtraining“, sagt sie. Das Areal mit Klettergerüst, Rutsche, Sandkiste, Schaukel und Bänken samt Tisch ist nicht komplett umzäunt. Müller-Wisch steht auf dem Feuerwehrweg, als der Hund plötzlich den Spielplatz verlässt, langsam nach rechts abdreht, sich umorientiert und direkt auf sie zuläuft. „Ich war so perplex, habe mich nicht bewegt, und dann ist er schon in mich reingerannt und hat mir die Beine weggezogen“, berichtet sie.

Kampfhund attackiert Rentnerin: So sieht das Tier aus

Sie schlägt rückwärts mit dem Kopf auf die Pflastersteine, während das Tier mehrmals über Müller-Wisch springt, aber nicht beißt. Die Barsbüttelerin ruft den beiden Männern zu, ihren Mann zu benachrichtigen. Sie ignorieren die Frau, haben alle Mühe, das Tier einzufangen. Als das klappt, entfernen sie sich prompt vom Unfallort. Der Verletzten wird übel, sie muss sich übergeben, hat starke Schmerzen und eine dicke Beule am Kopf.

Später beschreibt sie der Polizei die beiden Männer so: 20 bis 25 Jahre alt, 1,70 bis 1,75 Meter groß, athletisch und schlank sowie südländisch. Auch über den Kampfhund macht Müller-Wisch Angaben. Er ist rund 45 Zentimeter groß, hat spitz aufragende Ohren, kurzes, schwarzes Fell mit weißer Zeichnung an einer Vorderpfote. Nachbarn machen die Beamten auf die Pfotenabdrücke des Tieres auf dem Kinderspielplatz aufmerksam.

Bis die Ordnungshüter und der Rettungswagen da sind, vergehen laut Müller-Wisch rund 30 Minuten. Ein Paar, das sich an der Kehre befindet und von der Verletzten angesprochen wird, kann nicht die 112 wählen – der Handyakku ist leer. „Erst nach eindringlicher Bitte war es bereit, meinen Mann zu kontaktieren, ist danach auch schnell verschwunden“, sagt die Barsbüttelerin. Sie habe die beiden regelrecht anschreien müssen.

Platten und Schrauben werden im Dezember aus Körper entfernt

Die Sanitäter setzen der Frau eine Schiene an den Arm zwecks Stabilisierung. Dass die Verletzungen keine leichten sind, weiß sie auch ohne Diagnose. Das Handgelenkt ist senkrecht abgeknickt. „Der Schmerz war vergleichbar, als wenn man sich das Hüftgelenk auskugelt“, sagt die Rentnerin. Sie wird in die Asklepios-Klinik nach Hamburg-Wandsbek gebracht und nachts gegen 2 Uhr geröntgt – Elle und Speiche sind durch, ein Trümmerbruch. Am 16. Juni dann die einstündige Operation. Die Ärzte setzen ihr Platten und Schrauben ein. Drei Tage bleibt sie noch im Krankenhaus, bevor es wieder zu ihrem Mann nach Barsbüttel geht.

Es ist ein langer Weg zurück zur Normalität. „Alle Dinge, für die ich beide Hände benötige und die Kraft brauchen, kann ich noch nicht“, sagt Müller-Wisch. Ihre linke Hand ist dicker als die rechte und wärmer. Die Finger kann sie nicht richtig strecken. Die Barsbüttelerin zeigt auf ein Röntgenbild. Platten und Schrauben in ihrem Körper sind deutlich zu erkennen. Die Nachwirkungen des Unfalls sind auch psychischer Natur. „Ich habe Albträume, wache nachts auf und kann dann nicht mehr einschlafen.“ Inzwischen hat Müller-Wisch zwölf Reha-Einheiten absolviert. Dafür fährt sie nach Wellingsbüttel zu einer Expertin für Handtherapie, die lange im Boberger Krankenhaus tätig gewesen ist.

Hundeattacke in Barsbüttel: Suche nach Täter erfolglos

„Ich möchte, dass die Männer gefasst werden. Sie müssen lernen, Verantwortung zu tragen, wenn sie so ein Tier halten“, sagt die Attackierte. Vor wenigen Tagen erhielt sie ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Lübeck, dachte schon, man hätte den oder die Halter dingfest gemacht. Ein Irrtum. „Das Verfahren ist eingestellt worden, weil ein Täter nicht ermittelt ermittelt werden konnte“, heißt es in dem Dokument. Dieses wurde allerdings der falschen Person zugestellt. In jenem Fall ging es um Betrug in der Gemeinde. Zeitpunkt war der 9. Juni. Also wartet Müller-Wisch weiter auf eine positive Nachricht aus Lübeck.

Die Männer zu ermitteln würde auch ihren Geldbeutel entlasten. „Für mich als Beamtin zahlt der Staat 70 Prozent der Kosten für Klinik und alles andere, 30 Prozent sind über eine private Versicherung abgedeckt. Sie übernimmt den Anteil aber nicht, weil es Sache des Verursachers ist. Das wurde mir so mitgeteilt“, sagt Müller-Wisch. Sie hat inzwischen rund 2000 Euro bezahlt. Und es kommen weiterhin Rechnungen. Im Dezember sollen Platten und Schrauben entfernt werden.