Bargteheide. Statusbericht des Fachdienstes Inneres offenbart Vielzahl an Problemen. Parteien werfen Bürgermeisterin Fehlverhalten vor.

Der Tagesordnungspunkt 6.2 der ersten Hauptausschusssitzung in Bargteheide nach der Sommerpause am Mittwoch, 24. August, klingt auf den ersten Blick eher unspektakulär: Statusbericht Fachdienst Inneres. Doch gleich der erste Satz offenbart die Brisanz dessen, was die Fachbereichsleiterin Sandra Füllenbach da zu Papier gebracht hat. „Die Stadtverwaltung befindet sich seit vielen Monaten im Krisenzustand. Pflichtige und dringliche Aufgaben können nicht oder nur stark eingeschränkt wahrgenommen werden“, formulierte Füllenbach in erstaunlicher Deutlichkeit.

Ihrer Ansicht nach können Bereiche aus dem Ordnungsrecht, dem Personenstandswesen und der Daseinsvorsorge, aber auch dringliche interne Personalangelegenheiten derzeit „nicht oder kaum bearbeitet werden“. Erschwerend hinzu kämen viele neue Aufgaben und Anforderungen im Zusammenhang mit dem aktuellen Zustrom von Flüchtlingen aus der Ukraine, von deren Registrierung bis zur Unterbringung.

Hohe Fluktuation durch zahlreiche Kündigungen

Besonders prekär stellt sich für Füllenbach die aktuelle Personalsituation dar. Seit vielen Monaten verzeichne die Stadtverwaltung „eine sehr hohe Fluktuation“ durch eine „Vielzahl von Kündigungen“. Seit Beginn des Jahres seien es allein 17 gewesen. Verstärkt werde das Problem dadurch, dass die Stellen wegen des anhaltenden Fachkräftemangels nicht oder nur schwer nachbesetzt werden könnten.

Die Ausschreibungsverfahren zur Personalneugewinnung müssen laut Füllenbach unbedingt priorisiert werden. „Tatsächlich kann aber nur eine geringe Zahl an freien Stellen ausgeschrieben werden, weil die Verfahrensbegleitung vom zur Verfügung stehenden Personal kaum noch leistbar ist“, so Füllenbach.

Viele Verfahren mangels Bewerbern abgebrochen

Andererseits müssen viele von den bereits umgesetzten Ausschreibungsverfahren mangels geeigneter Bewerberlage erfolglos abgebrochen werden. Ein Teufelskreis, weil die offenen Stellen so nicht nachbesetzt werden können. Deshalb verzeichnete die Stadtverwaltung per 31. Juli 19,3 freie Stellen(anteile).

Um den Pflichtaufgaben nachkommen zu können, musste das bestehende Personal in vielen Fällen in andere Fachbereiche „abgeordnet“ werden und konnte seine eigentlichen Aufgabenfelder nicht mehr oder nur in reduziertem Umfang bearbeiten. Deshalb ist es zu einer Vielzahl an Überlastungsanzeigen gekommen – selbst von Mitarbeitern, die erst kurze Zeit bei der Stadt beschäftigt sind.

Füllenbach beschreibt Situation als „Abwärtstrend“

Füllenbach bezeichnet die Situation als „Abwärtstrend“, der sich bereits im Personalbericht für 2021 abgezeichnet habe. „Es steht fest, dass sich die Personalpolitik der Stadt Bargteheide dringend verändern muss“, stellte die Fachbereichsleiterin eine ungeschönte Diagnose. Die Personalverwaltung müsse in ein zukunftsorientiertes und digitales Personalmanagement umgewandelt werden und vor dem Hintergrund eines rasant veränderten Arbeitsmarktes, der Bewerberlage und des voranschreitenden demografischen Wandels aktiv neue Wege auf verschiedenen Ebenen beschreiten.

Um eine arbeitsfähige Verwaltung zu gewährleisten, muss laut Füllenbach „eine gesunde und wertschätzende Arbeitsatmosphäre“ geschaffen werden, damit sich die Stadt Bargteheide „wieder zu einer attraktiven Arbeitgeberin“ entwickelt. Schließlich seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das wichtigste Vermögen einer Organisation.

Stadt arbeitet jetzt mit Zeitarbeitsfirma zusammen

Trotz der hohen Dichte im Tagesgeschäft hat der Fachdienst Inneres bereits einige Maßnahmen veranlasst, um der schwierigen Lage im Rathaus Herr zu werden. So arbeitet die Stadt seit Kurzem mit einer Zeitarbeitsfirma zusammen. Auf diese Weise konnten neben einer dringend benötigten Kraft für das Freibad drei weitere Zeitarbeitskräfte für einen befristeten Zeitraum gewonnen werden.

Um Freiräume für eine fokussierte Sachbearbeitung zu schaffen, Kommunikationswege zu kanalisieren und Mitarbeiter zumindest zeitweise zu entlasten, wurden für die Personalstelle vorübergehend eingeschränkte telefonische Servicezeiten eingeführt. Für den gesamten Fachbereich ist zudem ein weiter ausbaufähiges Monitoring eingeführt worden, um Personalvorgänge, Fallzahlen und das Ticketaufkommen zu quantifizieren und entsprechende Schlüsse für nötige Veränderungen zu ziehen.

Fraktionen stellen sich hinter Personalrätin Lange

Empfohlen hat Sandra Füllenbach überdies, die Bewerbungsprofile aufzubrechen und angemessen zu reduzieren, um so auch Quereinsteigern eine Beschäftigung bei der Stadt zu ermöglichen. Mittelfristig soll ein Gesamtschulungs- und Fortbildungskonzept für eine bedarfsgerechte und vorausschauende Qualifizierungslandschaft entstehen.

Bettina Lange, Personalratsvorsitzende der Bargteheider Stadtverwaltung, ist am 8. Juni fristlos gekündigt worden.
Bettina Lange, Personalratsvorsitzende der Bargteheider Stadtverwaltung, ist am 8. Juni fristlos gekündigt worden. © Privat | Privat

Unterdessen haben die Fraktionen der CDU, SPD, FDP und der Wählergemeinschaft die amtierende Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht in einem interfraktionellen Antrag aufgefordert, die fristlose Kündigung der Personalratsvorsitzenden Bettina Lange sowie die Abmahnungen gegen weitere Mitglieder des Personalrats unverzüglich zurückzunehmen und einen Schadensausgleich zu veranlassen.

CDU bezeichnet Rechtsstreit als Steuerverschwendung

Wie bereits berichtet, hatte Kruse-Gobrecht kurze Zeit nach ihrer Abwahl bei der Bürgermeisterwahl am 8. Mai Lange, die bei der Stadt als Bauingenieurin tätig ist, gefeuert. Weil die Personalratsvorsitzende eine offizielle Vorladung in den Hauptausschuss am 23. März als Arbeitszeit deklarierte, warf ihr die Verwaltungschefin eine Manipulation der Arbeitszeiterfassung und Illoyalität vor.

Solch ein Vorgehen ist für uns skandalös und völlig inakzeptabel, wir verurteilen das aufs Schärfste“, sagt CDU-Fraktionschef Mathias Steinbuck. Die fristlose Kündigung Langes wegen angeblichen „Arbeitszeitdiebstahls“ sei wegen des nun anhängigen Rechtsstreits Steuerverschwendung und habe das Rathaus personell in unnötiger Weise geschwächt.

SPD: Bürgermeisterin hat Öl ins Feuer gegossen

Birte Kruse-Gobrecht, amtierende Bürgermeisterin der Stadt Bargteheide, steht im Kreuzfeuer der Kritik.
Birte Kruse-Gobrecht, amtierende Bürgermeisterin der Stadt Bargteheide, steht im Kreuzfeuer der Kritik. © Bina Engel/FHH | BINA ENGEL

„Gerade die Bauabteilung hätte in diesen schwierigen Zeiten jede Hand dringend gebraucht“, so SPD-Fraktionschef Mehmet Dalkilinc. Eine Mitarbeiterin mit solch einer Begründung fristlos zu entlassen, sei niveaulos und beschämend, widerspreche allen arbeitsrechtlichen Gepflogenheiten und zeuge von einem Mangel an Empathie. „Damit hat die Bürgermeisterin Öl in ein ohnehin loderndes Feuer gegossen“, so Dalkilinc.

Birte Kruse-Gobrecht mochte sich auf Anfrage zum Vorstoß der Fraktionen und dem weiteren Verlauf des Arbeitsrechtsverfahrens nicht äußern. Sie bedauere jede Kündigung, die von Mitarbeitern ausgesprochen werde, verwies jedoch auf individuelle Gründe. Leider trage auch der „erfolgversprechende Arbeitsmarkt gerade für Beschäftigte aus dem öffentlichen Dienst dazu bei“, dass viele Kollegen das Rathaus Bargteheide verlassen hätten.