Bad Oldesloe. Trotz verschärftem Bußgeldkatalog haben Tempoverstöße zu- statt abgenommen. Für die Mehreinnahmen gibt es vor allem einen Grund.
Der am 9. November vergangenen Jahres in Kraft getretene, deutlich verschärfte Bußgeldkatalog, mit dem Verstöße gegen die Straßenverkehrsverordnung geahndet werden, hat Stormarns Straßen mitnichten sicherer gemacht. Insbesondere Tempolimits werden nach wie vor massenhaft ignoriert und spülen weiterhin mehrere Millionen Euro in die Kreiskasse. Das geht aus aktuellen Zahlen der Kreisverwaltung für 2021 und das erste Halbjahr 2022 hervor. „Für das vergangene Jahr haben wir aus 44.197 Fällen Rekordeinnahmen in Höhe von 3,5 Millionen Euro verzeichnet, rund 1,6 Millionen Euro mehr als ursprünglich veranschlagt“, sagt Ingo Lange, Leiter des Fachdienstes Öffentliche Sicherheit.
Hauptsächlich sei das auf „vermehrte Überwachungsmaßnahmen der Polizei“ auf den Autobahnen zurückzuführen“, hieß es im Jahresbericht des Fachdienstes für den Verkehrsausschuss des Kreistages. Insbesondere auf der vielbefahrenen A 1, die den Kreis auf einer Länge von knapp 60 Kilometern zwischen Lübeck und Hamburg durchquert, sind in Abschnitten mit Tempolimits wieder mehrere Schwerpunktmessungen durchgeführt worden, die allein für Mehreinnahmen von rund einer Million Euro gesorgt haben.
A 1 brachte Mehreinnahmen von einer Million Euro
Doch allen Verschärfungen des Bußgeldkatalogs zum Trotz werden sich die Einnahmen aus Bußgeldern, vor allem für die Missachtung von Geschwindigkeitsbegrenzungen, deutlich erhöhen. Allein für das erste Quartal dieses Jahres registrierte der Fachdienst Öffentliche Sicherheit Bußgelder in Höhe von 822.00 Euro. „Die Tendenz geht also weiter steil nach oben“, so Lange.
Dabei ist das Fahren mit unzulässigem Tempo im Herbst des Vorjahres deutlich teurer geworden. Innerorts gibt es fortan schon bei einer Überschreitung ab 21 Stundenkilometern einen Punkt in Flensburg. Wer zwischen 21 und 25 km/h zu schnell ist, zahlt jetzt 115 statt 80 Euro, im Bereich zwischen 26 und 30 km/h sind es 180 statt 100 Euro, ab 31 km/h 260 statt 160 Euro plus zwei Punkte und einem Monat Fahrverbot, ab 41 km/h sind es 400 statt 200 Euro.
Eher geringe Kontrolldichte im Kreis Stormarn
Außerorts sieht es nicht viel besser aus. Wer mit 21 km/h zu viel geblitzt wird, zahlt jetzt 100 statt 70 Euro plus ein Punkt in Flensburg, bei 31 km/h zu viel sind es 200 statt 120 Euro plus zwei Punkte und bei mehr als 50 km/h 480 statt 240 Euro.
Die sprunghaft gestiegenen Zahlen seien laut Lange indes auch deshalb auffällig, weil es im Kreis Stormarn im Vergleich zu anderen Kreisen in Schleswig-Holstein eine „eher geringe Kontrolldichte“ gebe. Neben der kreiseigenen Eso-Messanlage würden Enforcementtrailer nämlich nur auf ausdrücklichen Wunsch der Kreispolitik temporär angefordert.
2020 mussten 51.303 Fälle bearbeitetet werden
Wurden 2017 noch insgesamt 21.781 Fälle im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten bearbeitet, die zu 5980 Verwarnungen und 12.003 Bußgeldbescheide für rund 1,6 Millionen Euro führten, so waren es 2019 bereits 28.095 Fälle mit 7081 Verwarnungen und 15.340 Bußgeldbescheide für etwa 2,1 Millionen Euro
2020 folgte dann das bisherige Rekordjahr mit 51.303 bearbeiteten Fällen. Dabei hagelte es 23.119 Verwarnungen und 35.915 Bußgeldbescheide für rund 4,9 Millionen Euro. Grund waren die verschärften Kontrollen rund um die Langzeit-Baustellen auf der Autobahn 1, etwa zwischen der Abfahrt Ahrensburg und der Raststätte Budikate und vor dem Kreuz Lübeck auf Höhe Hamberge. Hier wurden innerhalb von nur vier Tagen etwa 2500 Bußgeldfälle anhängig, die unter anderem mehr als 100 Fahrverbote nach sich zogen.
Bis Ende Juni waren bereits 30.000 Verfahren anhängig
Dabei landen längst nicht alle verhängten Bußgelder tatsächlich beim Kreis. „Verwarnungsgelder werden von uns nur dann eingetrieben, wenn der Betroffene auf das erlassene Verwarnungsgeld der Zentralen Ordnungswidrigkeitenstelle in Neumünster nicht eingeht“, erklärt Lange. Erst dann würden die Verfahren an den Kreis übergeleitet und dort entsprechend weiterverfolgt. Nur die Erlöse aus diesen Verwarnungs- und Bußgeldern landen schließlich in Stormarns Haushalt. Alle anderen gehen an das Land Schleswig-Holstein.
Die Flut an Strafbescheiden führt unterdessen auch zu einer enormen Belastung der zuständigen Mitarbeiter in der Kreisverwaltung. Bis Ende Juni waren bereits 30.000 Verfahren aus 2022 anhängig, in 9000 Fällen ging es um Bußgelder von 60 Euro und mehr. „Der Schnitt lag zuletzt normalerweise bei 36.000 Verfahren für das gesamte Jahr“, berichtet Ingo Lange.
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Sachbearbeiter bearbeiten im Schnitt 4500 Fälle pro Jahr
Er fordert deshalb zusätzliche Planstellen, um das Aufkommen fristgemäß abarbeiten zu können. „Es ist kein Geheimnis, dass zuletzt Tausende Fälle in die Verjährung gegangen sind, womit dem Kreis mehrere 100.000 Euro im Jahr verloren gegangen sind“, erklärt der Fachdienstleiter. Statt acht Sachbearbeiter bedürfe es mindestens zehn, besser noch elf.
Im Landesschnitt würden Sachbearbeiter rund 4500 Fälle pro Jahr abarbeiten, in Stormarn sind es inzwischen mehr als 5000. Deshalb hat die Kreispolitik bereits signalisiert, den notwendigen Stellenaufwuchs mittragen zu wollen. Zumal sich die Kosten für die betreffenden Planstellen durch die erzielten Mehreinnahmen aus den Bußgeldverfahren faktisch selbst finanzieren.